Sonntag, 27. November 2011

Verzögert aber doch - endlich geht es los!! (Diesmal auch wirklich)


Kommenden Donnerstag beginnt tatsächlich schon der Dezember - Zeit des Advents, Zeit der Stille, Zeit der Familie. Zumindest in der Heimat. Zwar wird auch in Indien Weihnachten gefeiert, aber das natürlich auf eine völlig andere Art und Weise wie bei uns; eine ruhige Zeit steht mir im Advent jedenfalls gewiss nicht bevor. Auch meine Familie wird mir speziell in dieser Zeit sehr abgehen. Genauso wie das gemeinsame Kekse backen, Weihnachtsfilme anschauen, Punsch trinken, Geschenke besorgen, Lichterketten aufhängen,... Nostalgie schwellt in meiner Brust heran. Zumindest kann ich mir hier Weihnachtsmusik über das Internet anhören. Aber was ist das für ein Gefühl White Christmas von Bing Crosby zu hören während einem draußen im Wind heißer Sand an den Ohren vorbeipfeift, die Ziegenhirten erschöpft vor lauter Hitze unter einer Palme liegen und man selbst nur damit beschäftigt ist die Minuten zu zählen bis der Stromausfall wieder vorbei ist um sich wieder unter einen Ventilator stellen zu können? Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Aber ich sollte wahrscheinlich nicht von Anfang an dieser Zeit gegenüber so missmutig sein. Vielleicht wird früher oder später ja doch sowas ähnliches wie Weihnachtsstimmung in mir hochkommen. Nur, wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann wird das auf jeden Fall ein völlig neues und anderes Gefühl als das, das ich jedes Jahr beim Käsegebäck backen bzw. Lichterketten aufhängen und dem gleichzeitig dazu singenden Wonderful Christmastime von Paul McCartney hatte. Es ist nicht leicht, aber ich versuche mich dieser Möglichkeit, auf eine neue Art und Weise Weihnachten zu entdecken, zu öffnen. Dennoch, ein wenig Misstrauen dem gegenüber ist auf jeden Fall nicht ganz wegzubekommen wenn man, so wie ich, schon eine fixe Vorstellung von einer perfekten Weihnachtszeit bzw. einem perfekten Weihnachtsfest hat. Diese Zeit wird jedenfalls nochmal eine gewisse Prüfung für mich, aber ich bin mir eigentlich recht sicher, dass ich, sobald diese Zeit hinter mir liegt, mit Heimweh viel besser umgehen werden kann. Gut, nach Weihnachten folgt dann noch Silvester, mein Geburtstag, Ostern, usw. - aber diese Ereignisse sind mir eigentlich alle nicht so wichtig wie Weihnachten. Aber genug von Weihnachten. Es gibt auch noch von Anderem zu erzählen.

Am Montag kamen uns Volontäre aus Hyderabad besuchen. Tobias aus Deutschland, sowie Anna und Theresa aus Österreich - die letzteren 2 sogar von derselben Organisation wie ich stammend, also von Jugend eine Welt. Von ihrem Besuch wusste ich erst ab dem Moment Bescheid, als sie am Dienstag um halb 2 in der Früh (in etwa so spät dürfte es da gewesen sein) mit meinen Volontärs Kollegen, die für ein paar Tage in Hyderabad waren und unsere Gäste dort auch gleich abgeholt haben, in unser Flat eintrudelten. Das erstaunliche an ihrem Besuch war jedenfalls, dass an dem Tag, also Donnerstag, an dem sie sich Konrad und mein Vimukti - Projekt anschauen wollten (obwohl dieses bis zu diesem Zeitpunkt ja noch immer nicht angefangen hatte), das Projekt tatsächlich anfing! Schon am Vorabend hatte Konrad von der Neuigkeit gehört, dass das Camp am nächsten Tag anfangen solle - ich hielt es dennoch zunächst für ein leeres Gerücht von vielen, wie wir in den letzten Wochen schließlich schon viele dieser Art gehört hatten. Aber als dann am nächsten Tag, um 15 Uhr, tatsächlich 7 Burschen im Camp ankamen, hatte sich jeder Zweifel endgültig gelegt. Kommende Woche sollen dann noch mehr Burschen kommen. Ich bin schon sehr gespannt und kann es noch immer kaum glauben, dass das Camp nun tatsächlich angefangen hat. Es hat mir in der Zwischenzeit schon ziemlich gefehlt - die gute Luft, die vielfältige und einzigarte Natur, die Möglichkeit Sport zu machen, die herrlichen Früchte,... hingegen nicht ganz so gefehlt haben mir die Hunderttausend Viecher im Zimmer, und auch dem Essen wurde jetzt nicht gerade sehr bitter nachgesehnt. Zwar schmeckt das Essen in Vimukti eigentlich nicht so schlecht, aber wenn man es schon gewöhnt ist unter der Woche das Essen in der Volontärs Zentrale genießen zu dürfen, dann braucht es einfach ein bisschen Zeit bis man sich dem wieder entwöhnen kann. Die Küche bzw. die Vorratskammer in Vimukti ist sowieso so eine Sache, ich erinnere mich wie mir Konrad erzählt hat, dass er am Ende des letzten Camps eine verweste Ratte aus der Vorratskammer entfernen musste. Ich erinnere mich auch Dutzende Ratten in der Küche schon gesehen zu haben. Dass dort immer und ausnahmslos einfach alles gekocht wird -auch das Frühstück-, ist quasi unsere Lebensversicherung. Aber wie auch immer, ich denke ich werde mich an das Essen trotzdem schnell wieder gewöhnen können - die Freude, dass das Camp wieder angefangen hat, ist klar am überwiegen. Ich freue mich schon auf den Unterricht und die Aktivitäten, die wir geplant haben. Kommende Woche wird wohl noch ein Kennenlernprozess auf Seiten der Burschen stattfinden, aber auch einfach bei diesem als unterstützende Kraft einfach zur Seite stehen zu können, freue ich mich schon. Vermisst an Vimukti habe ich übrigens auch gewisser Weise die Hin- und Rückfahrt. Es ist zwar schon auch mühsam, immer so lange hin und her zu fahren, aber in Indien unterwegs zu sein -ganz gleich jetzt ob mit der Rikscha oder dem Bus oder dem Zug- ist einfach immer ein Erlebnis. Und obwohl ich nach wie vor diese Erlebnisse aufregend finde, so war ich mir dennoch mittlerweile sicher, mich könne auf diesem Bereich nichts mehr überraschen. Doch falsch gedacht. Am Freitag fuhren Konrad und ich mit einem 'Luxury Bus' zurück nach Vijayawada. Wir zahlten jeweils 3 Rupie für dieses 'Luxury' - Erlebnis auf das normale Busticket drauf, um festzustellen, dass 'Luxury' bei Fahrzeugen in Indien scheinbar völlig verbeult und das Fehlen der Windschutzscheibe bedeutet. Ich saß während der ganzen Rückfahrt vorne neben dem Fahrer, der kein Wort Englisch konnte, was aber in dem Fall wohl auch keinen Unterschied gemacht hätte, da man ihn aufgrund des Lärmes sowieso kaum verstand. Der Fahrer wirkte jedenfalls ziemlich verrückt, er war völlig aus dem Häuschen von Konrad fotografiert zu werden und schien durch unsere Anwesenheit zusätzlich angespornt, möglichst verrückt zu fahren. Wenn er mich ansah wie ich bei einer Kurve, die er übertrieben schnell fuhr, in die jeweilige Richtung geschleudert wurde, dann fand er das unheimlich lustig und fing laut zu lachen an. Ich war jedenfalls anfänglich stark dazu geneigt, mich nur kurz zu ihm nach vorne und dann wieder zurück auf meinen Sitzplatz zu setzen, da es mich auf meinem normalen Sitzplatz bei einem Unfall -der sich vor meinen Augen mit ziemlicher Sicherheit anbahnte- weniger schwer erwischen würde. Manchmal schaute er einfach mal für eine Minute oder so auf sein Handy; oftmals fuhr uns in dieser Minute direkt ein Fahrzeug entgegen, und ich war mir nie ganz sicher ob er jetzt darauf reagieren würde oder nicht. Im letzten Moment tat er es jedenfalls zum Glück doch immer. Ich entschied mich mit der Zeit jedenfalls, obwohl ich wusste dass ich bei einem Unfall wohl einfach geradewegs aus dem Bus herausschießen würde, doch vorne sitzen zu bleiben. Einfach weil es ein unvergleichliches Erlebnis war, bei einer Abwärtsfahrt, sich am Sitz festkrallend, durch das riesige Luftloch zu starren und zu merken, wie es einem den Magen anhebt. Nach einer halben Stunde fing schließlich das Adrenalin an, doch ein wenig zurückzugehen und ich wurde entspannter. Ich steckte mir Kopfhörer ins Ohr und genoss zu der Filmmusik von Avatar jeden einzelnen Moment dieser unvergleichlichen Fahrt. Die 3 Rupie Draufgabe waren diese Fahrt auf jeden Fall wert. Nach einiger Zeit machte der Fahrer eine Geste, dass er mit mir mithören wolle, und ich steckte ihm den zweiten Stöpsel ins Ohr. Ich zeigte ihm ein paar Lieder, am erfreutesten reagierte er aber ganz klar zu französischem Hip Hop. So schnell werde ich diese Fahrt jedenfalls nicht vergessen.

Abschließend noch muss ich über eine Begebenheit berichten, über die ich mich zwar überwiegend freue, bei der ich aber, wenn ich darüber genauer nachdenke, dennoch unweigerlich den Kopf schütteln muss. 3 Monate habe ich darauf gewartet, mir endlich eine indische SIM Karte besorgen zu können. Diese Angelegenheit ist deshalb eine ziemlich komplizierte, weil man als Ausländer alle möglichen Papiere braucht um sich eine SIM Karte beschaffen zu können. Unter anderem braucht man eine ID Card von Navajeevan. Nun, es hieß diese ID Cards wäre nun für jeden Angestellten bei Navajeevan in Auftrag gegeben, und bräuchten noch eine 'gewisse Zeit' bis sie fertig wären. Hieß für mich eine ungewisse Zeit lang zu warten. Vor ein paar Tagen kam ich jedoch auf die Idee, einfach einen der College Boys, die in der Volontärs Zentrale schlafen, zu fragen, ob er mir nicht bei der Beschaffung einer solchen SIM Karte behilflich sein könnte - das müsste doch auch einfacher gehen, dachte ich mir. Tatsächlich zückte daraufhin der besagte College Boy, Manu sein Name, plötzlich eine SIM Karte und meinte er bräuchte diese nicht mehr. Daraufhin passte er sie noch auf mein Handy an und - erledigt. So kann es eben auch laufen in Indien.

Ach, und noch eine letzte Sache dir mir gerade einfällt: Letzten Montag habe ich einen Bluttest machen lassen, um mich mal durchchecken zu lassen, da ich seit meiner Ankunft in Indien fast wöchentlich erkrankt bin -meistens ist es nicht ernstes, aber normal schien mir das trotzdem nicht-. Bei diesem Bluttest stellte sich jedenfalls heraus, dass ich eine doppelt so hohe Anzahl an einer bestimmten Zellenart in meinem Blut habe, die ich maximal haben dürfte. Diese hohe Zellenanzahl sorgt jedenfalls dafür dass ich so anfällig bin auf Krankheiten. Mein Magen scheint auch allergische Reaktionen zu zeigen auf den Staub, die Luft, das Essen,... Der Volontärsarzt hat mir jedenfalls jede Menge Medikamente gegeben, die ich jetzt täglich zu mir nehmen muss. Jetzt am Wochenende hatte ich zwar wieder Schwierigkeiten mit dem Magen, aber ich habe auch nicht erwartet, dass diese Medikamente von heute auf morgen wirken. Hört sich alles ziemlich schlimm an, ist es aber nicht. Ich habe mich mit der Zeit schon daran gewöhnt, ständig irgendwas zu haben; meistens war es zudem, wie schon gesagt, eh nichts Schlimmes.

So, langsam aber sicher muss ich nun wirklich zu einem Ende finden. Ich wünsche euch in der Heimat eine gesegnete Adventszeit und schon möglichst bald eine schöne, dicke Schneeschicht (zumindest würde ich mir eine solche wünschen).

Liebe Grüße aus Indien

Samstag, 19. November 2011

Das Drama um den fehlenden Winter


Winterzeit. Oft habe ich mir in den letzten Wochen anhören müssen, was für einen wunderschönen Herbst ich dieses Jahr in Österreich verpasse. Und irgendwie tut es mir auch wirklich leid, dieses Jahr keinen vor lauter gelben, orangen und roten Laubblättern leuchtenden Arnold Schönbergpark gesehen zu haben; nicht langsam miterlebt zu haben wie sich der Tag immer früher seinem Ende zuneigt, der Wind einem immer eisiger um die Ohren pfeift und dass sich immer mehr Leute nur noch mit Mäntel und Mützen auf die Straßen begeben. Manche Leute werden sich vielleicht fragen, warum ich denn ausgerechnet sowas wie eiskaltem Wind nachsehne, doch, das hat schon so seinen Grund -> zunächst habe ich den Herbst schon immer sehr gerne gehabt, und außerdem: Ist man von manchen Sachen nur lange und weit genug entfernt -und seien es selbst unangenehme Sachen wie z.B. eisiger Wind- und erlebt jeden Tag aufs Neue genau das Gegenteil davon -in dem Fall die herunterknallende Sonne-, dann beginnt man auch diesen Sachen nachzusehnen. Das Wertvolle an der Erfahrung in der Fremde ist, unter Anderem, die Wertschätzung die man beginnt zu entwickeln, die Wertschätzung gegenüber vielen Sachen die man zu Hause hat und hier nicht. Und sei es eiskalter Wind. Das trifft jetzt natürlich nur speziell auf mich zu, ich kann da nicht für jeden Menschen sprechen; manche können diese Hitze sicher auch ertragen. Ich tue es jedenfalls mittlerweile nicht mehr. Ich brauche Schnee und eiskalten Wind Ende November. Auch wenn in Mödling, zumindest bis jetzt, wahrscheinlich noch nicht sehr viel Schnee gefallen ist. Aber wenn schon ein wunderschöner Herbst in meiner Abwesenheit, dann muss zumindest auch ein wunderschöner Winter stattfinden dieses Jahr.

Es tut schon ein bisschen weh über diese Dinge nachzudenken, aber ich sollte ihnen auch nicht zu viel Bedeutung schenken. Es drängen sich von Zeit zu Zeit ohnehin immer wieder gewisse Begebenheiten in den Vordergrund, die zwar nicht immer positiv sind, mich aber wenigstens von dem Gedanken an zu Hause ablenken. Letztes Wochenende zum Beispiel beherrschten ein paar ärgerliche, organisatorische Vorfälle meine Gedanken: Das neue Camp in Vimukti hätte schon längst anfangen sollen (nach aktuellem Stand soll es übrigens kommenden Donnerstag anfangen, habe ich zumindest gestern so erfahren - vorgestern hieß es noch Montag), eine riesige Telefonrechnung wurde meinen Eltern zugeschickt obwohl ich nicht einmal mit irgendjemanden telefoniert habe (nach wie vor besitze ich nur die österreichische SIM Karte, habe diese nach dem Vorfall aber jetzt einfach endgültig aus dem Handy getan; eine indische SIM Karte zu besorgen ist leider eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, ich hoffe aber in nächster Zeit ist das endlich erledigt), zusätzlich scheint es unmöglich ein wichtiges Fax nach Österreich zu verschicken, da der Besitzer des einzigen Fax - Standes den ich gefunden habe zu mir meinte , er könne kein internationales Fax verschicken... das zieht sich jedenfalls immer so dahin mit den Dingen die einfach nicht zu klappen scheinen und sich mir in den Weg stellen. Ich möchte jetzt auch nicht wie jemand erscheinen, der an allem etwas auszusetzen hat, aber ich musste jetzt einfach mal festgehalten haben, wie anstrengend die Situation hier manchmal sein kann - vorallem wenn einem so unnötiger Zusatzballast wie der eben erwähnte angehängt wird. Indien ist anstrengend. Aber das habe ich auch nicht anders erwartet. Und irgendwie komme ich auch schon mit meiner Situation klar. Es ist ja zudem nicht so, als ob die Begebenheiten, die mich von dem Gedanken an zu Hause ablenken, nur negativer Natur wären - das ganz und gar nicht.

An eine Begebenheit, an die ich mich nach wie vor sehr gerne, und mit einem gewissen Schmunzeln, zurückerinnere, ist eine Begebenheit von letzten Montag. Ich befand mich gerade auf dem Weg vom Shelter zurück ins Flat, als plötzlich ein Fahrradrikscha - Fahrer begann neben mir herzufahren, und mir zusprach, doch in seiner Rikscha Platz zu nehmen. Ich lehnte dankend ab, doch der Mann wollte mich unbedingt mitnehmen und meinte er würde es sogar gratis machen, da er sowieso in meine Richtung müsse. Ich stieg zu ihm ein und begann mich mit ihm zu unterhalten. Leute aus diesem doch etwas untereren Gewerbe, sprechen für gewöhnlich nur sehr brüchiges bis gar kein Englisch - doch der Rikscha Fahrer konnte sich sehr gut ausdrücken und ich verstand jedes Wort. Wir unterhielten uns sehr gut; er erzählte mir auch, er würde Schlapfen reparieren, und dass ich zu ihm kommen solle, wenn meine kaputt gehen sollten. Zum Schluß lud er mich sogar noch zu einem Chai Tee ein. Ich habe den Mann noch nie davor gesehen, und obwohl er von einer sehr anstrengenden Arbeit bzw. von dessen Hungerlohn lebt, lädt er mich auch noch zu etwas ein. Das war einfach mein persönliches Highlight dieser Woche. Auch, weil ich sehr darüber nachdenken musste bzw. nach wie vor darüber nachdenken muss, wie ein Mann, so am Rande der Gesellschaft, und der mit so viel zu kämpfen haben muss, es in so einer Situation schafft, sich und seine Probleme einfach auf die Seite zu schieben und einem wildfremden Menschen bedinungslos eine Freude zu machen. Ich glaube darin steckt eine gewisse Lebensweisheit, und mir hat es auch gezeigt, dass ich mich von den paar organisatorischen Problemen nicht beherrschen lassen sollte - sie sind es einfach nicht wert. Mir hat dieses Erlebnis auch die Augen geöffnet, wie kurz unsere Zeit hier auf der Erde doch eigentlich ist, und wie wir uns dennoch die meiste Zeit mit im Endeffekt so vielen nebensächlichen, unnötigen Sachen wie zum Beispiel Sorgen um Geld beschäftigen, sie zu einem Großteil unseres Lebens machen lassen. Dabei geht es darum überhaupt nicht.Um was es wirklich geht muss jeder für sich selbst herausfinden. Für mich habe ich festgestellt, dass es nicht um einen selbst, sondern um die anderen Menschen geht, und nicht um das was die Welt zu unserem Lebensmittelpunkt machen will. Aber das verliert man in der heutigen Zeit leicht aus den Augen.

Dieser letzte Montag war jedenfalls der schönste Wochenbeginn seit langem. Allerdings war es auch schon vor dieser Begegnung ein ziemlich ereignisreicher Tag: Am Vormittag wurden 2 neue Don Bosco Einrichtungen eröffnet, und wir mussten natürlich dabei sein und uns ewig irgendein Gequatsche auf Telugu anhören. Die erste Einrichtung wurde dann eingeweiht, indem einige Leute Kokosnüsse an einem Stein aufschlugen und sie zur beweihrauchten Gründungstafel legten. Für mich folgte dann noch ein Handshake und ein kurzer Smalltalk mit dem Stadtratvorsteher (so etwas in der Art dürfte dessen Funktion sein). Alles in allem war in der letzten Woche dieser Montag, aus rein ereignistechnischer Sicht, mit Sicherheit am aufregendsten. Erwähnenswert scheint mir auch noch, dass ich gestern, bei meiner allwochenendlichen Stadtbesichtung, ein cooles, neues Lokal entdeckt habe, und dort auch bis Abend mein Wochenende mit Kaffee und dem Buch Siddharta genossen habe. Für den Rückweg habe ich, da ich mich doch ein ganzes Stück weit entfernt befand und ich mal einen neuen Weg ausprobieren wollte, dann zwar fast 1 1/2 Stunden gebraucht, doch das war es allemal wert, da ich es selbst nach 2 1/2 Monaten Indien noch immer faszinierend finde, abends in der Stadt unterwegs zu sein. Es ist einfach sehr spannend zu sehen wie sich die Inder ihren Abend gestalten. Es scheint fast so, als ob sich niemand zu Hause sondern auf der Straße befinden würde um entweder seiner Arbeit nachzugehen, um ein kleines Nickerchen zu machen oder um sich einfach so mit Freunden zu unterhalten. Es ist alles so... lebendig. Das wäre bestimmt für jeden Menschen aus dem Westen einzigartig zu erleben und zu sehen. Diese Energie, die einen umgibt wenn man mitten durch das Geschehen wandelt, kann man nicht wirklich mit einer Beschreibung versehen, man kann sie nur spüren.

Langsam aber sicher muss ich leider wieder zu einem Ende finden. Ich wünsche euch allen in der Heimat einen schönen Winter und wenn ihr eine Möglichkeit findet, ein bisschen Schnee so aufzubewahren, dass man es auch zu mir nach Indien verschicken kann, dann... dann... nun ich finde nicht die passenden Worte um auszudrücken wie sehr ich mich darüber freuen würde, aber ich würde mich jedenfalls sehr freuen ;P.
Noch einen schönen Sonntag und liebe Grüße aus Indien

Konsti

Sonntag, 13. November 2011

Mein Trip nach Vishakaphatnam



Wie bereits schon vor 2 Wochen die Möglichkeit angekündigt, so war es die vergangene Woche nun tatsächlich der Fall, dass ich einfach nicht dazugekommen bin meinen Blog zu schreiben. Detail am Rande bevor ich anfange über die letzten 2 Wochen zu schreiben: Das Camp in Vimukti hat noch immer nicht begonnen, nach aktuellem Plan fängt es kommenden Donnerstag an, aber wer weiß mit was für spontanen Planänderungen ich die nächsten Tage wieder konfrontiert werde. Ich nehme es jedenfalls wenig überrascht und nüchtern hin. Ohne weitere Umwege fange ich jetzt mal an zu schreiben, und zwar  mit Montag vor 2 Wochen, also dem 2. November.

In der Woche zwischen Montag und Donnerstag hatte sich eigentlich gar nicht so viel getan, außer einem kleinen Unfall am Montag. Ein Unfall als Folge dessen, barfuß im Shelter herumzulaufen. Und zwar bin ich auf ein kleines Stück Holz getreten in dem ein Nagel senkrecht nach oben herausgestanden ist. Als ich es aus meinem Fuß herausgezogen hatte, sah ich, dass der Nagel ein bisschen rostig war. Ich ging natürlich gleich vom Schlimmsten aus, entschloss mich aber erstmal abzuwarten ob sich die Stelle, in die der Nagel hineingerammt war, verfärben würde. Dumm war nur, dass die im Shelter kein Verbandszeug für meinen blutenden Fuß hatten. Jedoch, um ein bisschen die Spannung herauszunehmen, der Fuß verfärbte sich nicht, und die Wunde verheilte auch ganz gut. Jetzt ziert sie als gut verheilte Wunde -etwa 5 cm entfernt von der noch nicht ganz so gut verheilten Schnittwunde die ich mir beim Palmenklettern geholt hatte- meine rechten Fußsohle. Als Folge dieser Nagel Aktion renne ich jedenfalls nur noch mit Schlapfen im Shelter herum. Spektatkuläres gibt es von der Woche -zumindest bis Donnerstag- eigentlich sonst nichts mehr zu erzählen. Erwähnenswert an der Stelle scheint mir aber auch noch, dass das Unterrichten im Shelter immer besser funktioniert und mir auch immer mehr Spaß macht. Nach wie vor muss ich immer wieder mal ein bisschen lauter werden damit meine Schüler auch endlich tun was ich sage, aber ich habe den Eindruck, dass einige von ihnen mittlerweile echt schon gerne zu mir in die English Class kommen. Und auch wenn man immer alles 10 Mal erklären muss weil sich die Burschen einfach total leicht ablenken lassen und unkonzentriert sind, so ist es trotzdem irgendwie eine Freude wenn man eine Klasse hat, in der zumindest der Großteil lernwillig ist. Trotzdem muss an der Stelle auch erwähnt sein, dass ich mich schon sehr freue, wenn das Camp in Vimukti endlich wieder anfängt. Konrad und ich haben uns ein paar coole Aktivitäten überlegt, die wir mit den Vimukti - Neuankömmlingen machen werden. In Vimukti hat man einfach generell viel mehr Möglichkeiten, etwas zu unternehmen, da man dort auch den Platz hat. Im Shelter ist es einfach leider so, oder so kommt es mir zumindest vor, dass nachdem meine Class vorbei ist, immer nur derselbe, mittlerweile schon etwas langweilig gewordene, dahinplätschernde Trott von Ablauf stattfindet.

Nun bin ich doch wieder ein bisschen abgeschweift. Jetzt also gleich weiter zum letzten Shelter - Tag, zum letzten Tag in dieser vorletzten Woche mit einem gewöhnlichen, dahinplätschernden Ablauf - weiter zum Donnerstag. Voller Vorfreude begann ich diesen Tag im Shelter, da ich wusste, ich würde mich am nächsten Tag, schon um halb 4 in der Früh, bereits im Zug nach Vishakaphatnam befinden. Für die, die meinen letzten Blogeintrag nicht gelesen haben: Wir sind von den Volontären in dem Don Bosco Projekt in Vishakaphatnam eingeladen worden dort ein Wochenende zu verbringen und uns das Projekt anzuschauen. Die meisten Volontäre, die mit nach Vishakaphatnam fuhren, entschlossen sich zumindest halbwegs ausgeruht das Abenteuer morgens um halb 4 in der Früh im Bahnhof Vijayawada zu starten, und legten sich für die paar Stunden aufs Ohr - nur Martin und ich entschlossen uns die Nacht durchzumachen und dann einfach im Zug zu schlafen. Und so war es dann auch. Dem Einfinden im Zug und dem darauffolgenden Schlafen, ging aber unter Anderem noch ein nächtlicher Spaziergang zum Bahnhof voraus, bei dem es mir mit Erstaunen offenbarte, was für verrückte Orte manche Inder als Schlafplätze beherbergen (eine Handvoll zum Beispiel habe ich sogar auf der kleinen Grünfläche, welche die Sperrlinie zwischen den beiden Spuren der Hauptstraße markiert, schlafen gesehen); weiters vorangegangen war dem auch ein etwa Dreiviertel - stündiges Anstarren der Ankunftstafel bis wir wussten auf welchem Bahnsteig unser Zug einfahren würde. Mit einer indischen, bzw. einer -man könnte meinen- fast schon zum guten Ton gehörenden Verspätung verließen wir schließlich den Bahnhof Vijayawada. Wenn ich die beiden Zugfahrten, also die nach Vishakaphatnam und die nach Vijayawada zurück, vergleiche, so muss ich feststellen, dass die nach Vishakaphatnam doch um einiges aufregender und auch komfortabler war. Dass sie aufregender war verwundert jetzt vielleicht weniger, nachdem ihr Ausgangspunkt mitten in der Nacht in einem sehr belebten indischen Bahnhof stattfand und ich davor noch nie mit einem indische Zug gefahren bin. Komfortabler war die erste Fahrt deshalb auch, weil wir in einem Schlafwaggon untergebracht waren, in dem die Betten übereinander ausklappbar waren und in denen man, so finde ich, ausgezeichnet schlafen konnte. Die Fahrt dauerte 8 Stunden. Als die Sonne bereits aufgegangen war, setzte ich mich an die offene Tür -darauf hatte ich mich, seitdem ich in Indien bin, schon die ganze Zeit gefreut und davon aber bisher immer nur aus Erzählungen gehört-, setzte die Füße auf die Stufen die in den Zug hineinführen, hielt mich mit der linken Hand an der am Türrahmen montierten,  senkrecht nach oben führenden Sicherheitsstange fest, steckte mir die Kopfhörer meines Handys ins Ohr, legte mir den Soundtrack von dem Film Braveheart ein und bewunderte fasziniert und überwältigt die wunderschöne, abwechslungsreiche, schnell vorbeirauschende Landschaft Indiens. So schnell alles an mir auch vorbeirauschte, so ewig, so ruhig und so in sich selbst stimmig, schien jede Palme, jeder See, jedes angelegte Feld und jeder Berg mit der Welt einklingend und harmonierend den Gang der Dinge zu bewohnen und schon immer bewohnt zu haben.

Wir kamen etwa zu Mittag in Vishakaphatnam an. Am Bahnhof wurden wir von 2 Volontären sehr freundlich empfangen und dann weiter zur Projekt Zentrale gebracht, wo wir Father Thomas kennenlernten. Den restlichen Freitag schauten wir uns noch ein bisschen die Stadt an, wurden von den Shelter Boys mit einem eigenen Willkommensprogramm sehr herzlich empfangen, und gingen später auch noch mit ihnen Cricket spielen. Am nächsten Tag, Samstag, fuhren wir am Vormittag zum Strand - die Stadt liegt nämlich direkt am indischen Ozean. Ich fand den Strand sehr schön - es waren kaum Menschen dort und so besonders viel Müll lag, wie man es eigentlich annehmen könnte, auch nicht wirklich herum. Das Wasser war sehr warm und der Wellengang ziemlich hoch - letzteres stellte ich auch durch eine etwas schmerzhaftere Erfahrung fest; und zwar wurde ich, nachdem ich mich auf einen im Wasser hervorragenden Felsen gesetzt hatte, von einer höheren Welle vom Felsen einfach hinuntergespült - mit dem Rücken direkt auf einen dahinter positionierten, etwas niedriger liegenden und im Wasser versteckten Felsen. Doch damit nicht genug. Weiters hatte ich nach unserem Strandbesuch auch einen ziemlich unangenehmen Sonnenbrand am Rücken. Der große Verlierer dieses Besuches war also alles in allem mein Rücken. Die positiven Erfahrungen die ich von diesem Vormittag am Strand jedoch mitgenommen habe, überwiegen aber auf jeden Fall - das ganze Strandprogramm wurde durchgezogen: Schwimmen, einfach in der Sonne liegen, mit dem Frisbee hin und her schießen, ja sogar eine Sandburg habe ich gebaut (Bilder folgen noch!!). Mittagessen gingen wir zu einem Pizza Hut, welcher für mich schon Grund genug gewesen wäre diese Stadt zu lieben. Sowas wie Schinken- oder Salamipizza konnte man natürlich nicht bestellen, dafür waren bei einer Pizza die Hühnchenstückchen so zugeschnitten, dass sie wie Salamischeiben aussahen. Der Preis hatte sich zwar gesalzen, aber das war der Besuch allemal wert. Am Nachmittag fuhren wir dann zu einem Projekt außerhalb der Stadt. Die Fahrt hin und zurück dauerte zwar ziemlich lange, aber umso schöner war die entlegene Natur die wir dort bewundern durften. Das Projekt ist von allen Seiten von Palmen und Bäumen bzw. einigen Hügeln die sich in unmittelbarer Nähe befinden eingeschlossen. Die Luft war auch ein unvergleichliches Erlebnis - so nach Kräutern und Früchten duftend bzw. so rein und klar habe ich nicht mal die Luft in Vimukti in Erinnerung. Von daher auch nicht ganz vergleichbar mit meinem naturparadiesischen Projekt in Vimukti, aber einiges haben die beiden Projekte auf jeden Fall schon im Nenner. Auch hier wurden wir jedenfalls wieder mit einem eigenen Willkommensprogramm begrüßt; wie schon beim Willkommensprogramm von den Kindern in Vishakaphatnam wurde von den Kindern hauptsächlich etwas vorgetanzt. Manche konnten echt überraschend gut tanzen. Später wurden auch wir Volontäre gebeten zu tanzen - am Ende tanzte einfach jeder: Kinder, Leiter und wir Volontäre. Danach machten wir uns wieder auf den Weg zurück in die Stadt und waren ziemlich erledigt als wir dort ankamen, jedoch war es echt ein sehr netter Abend. Während der Busfahrt zurück nach Vishakaphatnam kam ich ins Gespräch mit einem Lehrer; wir sprachen über den 1. Weltkrieg und inwiefern Österreich an dessen Ausbruch Schuld war. Das war mal ein sehr interessantes Gespräch. Eine traurige Tatsache ist übrigens auch, dass der einzige Österreicher der in Indien bekannt ist, Adolf Hitler zu sein scheint. Zumindest war das bis jetzt der einzige Name, nach welchem mich die Inder nicht mehr fragend angeschaut haben. Wie auch immer, am  nächsten Tag, also am Sonntag, war jedenfalls nicht mehr viel Zeit etwas zu unternehmen - der Zug verließ schon zu Mittag den Bahnhof. Den Vormittag nutzten wir noch um uns den Marktplatz anzuschauen. Dann hieß es schon wieder Abschied nehmen. Die bereits erwähnte Rückfahrt war aus dem Grund weniger komfortabel, weil wir diese in der normalen Passenger Class verbrachten - also zusammengepfercht in einem immer voller werdenen Waggon.

So viel also zu meinem Trip nach Vishakaphatnam. Übrigens, erwähnenswert fände ich noch, dass sich dort auch zwei andere Volontärinnen von Jugend Eine Welt befinden - war sehr interessant mal zu hören wie sie ihre Zeit so erleben und was sie durchmachen. Wenn ich es mir so überlege war das bis jetzt eigentlich das schönste Wochenende, dass ich in Indien hatte. Vielen Dank also an der Stelle nochmal an all die Volontäre in Vizag (so wird die Stadt auch genannt) bzw. an Father Thomas.
Nun, ich muss langsam zu einem Ende kommen. Ich sollte heute noch einiges erledigen und die Zeit wird knapp. Über die letzte Woche gibt es zum Glück eh nicht mehr wirklich etwas zu erzählen. Außer dass ich es geschafft habe, mich auf der Suche nach einem Coffee Shop im westlichen Teil der Stadt von Vijayawada zu verirren, bzw. bei der Busfahrt zum 'Shelter Picnic' (welches jeden Freitag im Kinderdorf Chiguru stattfindet), bei der Überquerung eines besonders großen Schlagloches (nach der Regenzeit sind die Straßen oft voll mit Schlaglöchern da Teile von der Straße oft einfach fortgespült werden), meinen Kopf gegen eine hervorstehende Schraube zu schlagen. Um ehrlich zu sein ist mir das sogar 3 Mal passiert, da ich im Bus ein Nickerchen gemacht habe, und dabei im Schlaf mit dem Kopf immer ein Stückchen näher zur bösen Schraube gerutscht bin - sobald es dann über ein größeres Schlagloch gegangen ist -> Zack. Vorallem an der Stirn ist mir eine Erinnerung an diese Fahrt geblieben. Schrauben und Nägel waren also nicht gerade meine besten Freunde in letzter Zeit.

Ich glaube zwar mit diesen zwei kleinen Highlights die letzte Woche nicht ganz vollständig resümiert zu haben, aber was einem zuerst in den Kopf kommt (und nein das sollte jetzt keine Anspielung auf meine Schrauben Geschichte sein), ist bekanntlich auch das Wichtigste. Darum verabschiede ich mich jetzt mal und mache mich meines Weges.

Viele liebe Grüße aus Indien