Sonntag, 30. Dezember 2012

Zum Jahresabschluss: Ein paar Gedanken zum drüberstreuen


Oberflächlich gesehen hat dieser Blogeintrag eigentlich nicht wirklich was mit Indien zu tun. Andererseits kann man die sich gleich entfaltenden Gedanken zum Teil als im Affekt meines Einsatzes entstanden betrachten. Es ist mir ein Anliegen, gerade in der Weihnachtszeit, über dieses Thema - Freude, Gelassenheit bzw. Konsum, Kommerz, Verbitterung - zu schreiben.

Ganz grundlegend sei einmal festgehalten, dass es der Mensch eigentlich nicht nötig hätte, sich diesem gesellschaftlichen Massenritual des Einkaufs-, Besorgungs- Dekorationswahns in der Weihnachtszeit hinzugeben. Ein Muster, ein Gedanke, wie Weihnachten gelebt, zelebriert werden sollte, ist das. Wenn ein Muster, ein Gedanke aber zur Tradition wird, dann fügt man sich in diese gesellschaftliche Gepflogenheit, ohne sie vielleicht überhaupt gutzuheißen. Insgeheim schwellen in einem Schuldgefühle, Frust über das System und diesen Kommerzwahn. Man könnte es schließlich auch ohne Geschenke, ohne Baum, ohne Lichterketten verbringen. Es ist eigentlich alles total überflüssig. Vermutlich muss man differenzieren zwischen Weihnachten und z.B. so Sachen wie dem allabendlichen Fernsehen nach der Arbeit, das schließlich „nur zur Entspannung“ da ist.
Mal ganz allumfassend betrachtet stimmt wahrscheinlich mit fast allen Produkten die heute auf dem Markt zum Verkauf angeboten werden, sei es ein Spielzeug, eine Lichterkette, was zu essen - völlig egal - irgendwas nicht. Und es offenbart sich einem in jederlei Hinsicht was mit all den tollen Angeboten in den Geschäften nicht stimmt – ganz gleich ob in sozialer Hinsicht (dass z.B Menschen in einem Entwicklungsland bei der Erzeugung ausgebeutet, übergangen, ausgenutzt werden), in ökologischer Hinsicht (dass z.B ein Produkt vom anderen Ende der Welt eingeflogen wird, da es einfach günstiger ist als es vom regionalen Landwirten zu bestellen), in wirtschaftspolitischer Hinsicht (dass z.B. ein indischer Konzern tonnenweise Reis täglich ins Ausland exportiert während die eigene Bevölkerung verhungert). Geh durch ein Einkaufszentrum und hinterfrag mal bei jedem einzelnen Produkt was es wohl für eine Geschichte zu erzählen hätte. Und das Ausmaß wäre einfach nicht zu fassen, wie sehr diese Welt doch in den Grundfunktionen ihres Systems falsch ist. Einfach falsch. Damit sei mal zumindest die Außenschale dieses Elefantenthemas, auf welches ich jetzt nicht weiter eingehen werde, vorsichtig angeschnitten. An der Stelle sei gesagt: Ich schreibe hier keine große Offenbarung. Jeder weiß in Wirklichkeit schon längst darüber Bescheid. Ich gehe nicht davon aus hier irgendjemandem die Augen zu öffnen, etwas Neues zu erzählen. Aber auch mit dem Wissen darüber wie die Welt funktioniert verändert sich für einen nichts wesentlich; weil es keine Alternativen zu dieser Welt gibt, zu diesem Leben. Man kann natürlich versuchen sein Leben zu einem gewissen Punkt umzukrempeln, nur noch Lebensmittel vom örtlichen Bio Bauern kaufen, kein Rindfleisch mehr essen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, für eine ordentliche Dämmung im Haus sorgen usw. Und es wäre sicherlich ein gutes Beispiel für Mitmenschen, seinen Lebensstil auf diese Weise zu verändern. Gleichzeitig feiert man dann ja aber doch jedes Jahr Weihnachten, man kauft doch ein Produkt beim Billa weil es der Bio Bauer nicht führt, man geht doch in ein Kleidungsgeschäft eines korrupten Konzerns weil man sonst nirgends einen halbwegs leistbaren Wintermantel findet.

Ich komme jetzt an einen Punkt an dem ich in diesem Eintrag eine große Spalte machen möchte. Ich habe zwei Möglichkeiten als gewissenhafter Mensch mit dieser Situation umzugehen.
Zur ersten Möglichkeit: Verbitterung. Ich habe eine Familie zu versorgen, mit meinem monatlichen Gehalt komme ich gerade so um die Runden. Ich kann mir Produkte eines Fair Trade Ladens, eines Bio Bauerns einfach nicht leisten. Ich habe nicht die Mittel um in dieser Welt moralisch sein zu können. Auch eine Möglichkeit damit umzugehen ist von Vorneherein zu hinterfragen was moralisches Handeln in dieser Welt überhaupt für einen Stellenwert haben/  für einen Unterschied machen kann. Es wäre letzten Endes ja doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Welt ist nicht mehr zu helfen. Beides läuft jedenfalls auf dasselbe Gefühl heraus -> Verbitterung.

Zur zweiten Möglichkeit: Ich habe begrenzte Mittel, aber gelernt die Welt zu akzeptieren wie sie ist. Es ist zwar nicht viel was ich für eine bessere Welt beitragen kann, aber immerhin kann ich ja auch einfach mal damit anfangen kein Essen mehr wegzuschmeißen. Das ist schließlich auch was oder? Der Welt ist nicht mehr zu helfen? Scheinbar ist das tatsächlich für viele Menschen eine Erklärung/ eine Entschuldigung dafür warum sie auf jede Ethik, jede Moral pfeifen. Ich aber jedenfalls finde meinen Mittelweg zwischen Moral/ einer gewissen Verpflichtung die man der Welt gegenüber einfach hat, und Gelassenheit/ Freude am Leben. Und hierbei erweist sich Gelassenheit/ die Freude als ausschlaggebender Punkt.

Die Grundaussage meines Textes ist bisher eine eigentlich ziemlich düstere: Der Welt ist nicht mehr zu helfen, das System funktioniert nicht, der Mensch ist gewissenlos. Und auch wenn all das bis zu einen gewissen Punkt der Wirklichkeit entspricht, so ist es wohl dennoch keine Lösung sich von diesem Gedanken tagein tagaus fertig machen zu lassen. Ohne Zweifel; auf was für einer Welt wir leben muss jeder Mensch realisieren lernen. Aber gleichzeitig ist eine mit Lichterketten behangene Hausfassade in einer schwarzen Winternacht wunderschön anzusehen. Und vielleicht hattest du einen miesen Tag und der Anblick dieser Lichterketten erfüllt dich mit zumindest ein bisschen Freude. Oder verdrängst du doch lieber schlagartig alle Freude, da dir in den Sinn kommt wie viel Strom diese unnötigen Dinger fressen? All den Mist, den wir jeden Tag durch Nachrichten, Zeitungen aus der Welt aufsaugen, ist durch reine Gedankenarbeit nicht verarbeitbar. Wir können die Last der Information nicht tragen. Es verbittert und zehrt an uns. Daher nochmal mein vorheriger Punkt: wir brauchen etwas an dem wir uns wieder wie Kinder freuen können. Ich habe mal wo gelesen, wir sollen so einfältig wie Tauben, und doch so klug wie Schlangen sein. Ich war in der Weihnachtszeit in einem Einkaufszentrum einkaufen, weil ich einfach wusste dass dort das perfekte Geschenk für die und die Person zu finden ist. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Weil ich mich diesem Gesellschaftsritual hingegeben, und vielleicht die Kinderarbeit in einem Entwicklungsland mit meinem Einkauf gefördert habe? Ich versuche Kommerz und überflüssigen Konsum in meinem Leben so gut wie es nur geht zu vermeiden – aber gleichzeitig will ich mir keine Schuldgefühle einreden müssen wenn ich zu Weihnachten jemanden eine Freude mache. Ich will mich abseits all des Mists der Welt wie ein Kind über den Weihnachtsbaum freuen können. Es macht mich nicht erwachsener mit „aufgeklärter“, verbitterter Miene den Kindsköpfen zuzusehen, die sich über Geschenke freuen. Meine Zeit ist zu begrenzt, um mir die traurige Ursprungsgeschichte eines jeden Produktes, das zu Weihnachten verschenkt wurde, vor Augen zu führen. Ich leiste meinen Beitrag für diese Welt, so wie ich es für richtig halte – verkrampft das System, in all seinem Wahnsinn, abzulehnen ist mir aber keine Option. Auch wenn etwas in mir sich manchmal nichts sehnlicher wünscht als genau das zu können. Es einfach abzulehnen und am besten in irgendeine abgelegene Berghütte in den Alpen zu ziehen und nur von der Natur zu leben.

Vielleicht ist all das, was ich hier schreibe, zu subjektiv. Vielleicht kann man nicht verallgemeinernd aussagen „die Last der Information, der Mist der Welt ist durch reine Gedankenarbeit nicht verarbeitbar“. Vielleicht kannst du all das sehr wohl verarbeiten, und verbitterst nicht mal dabei. Ich selbst habe mit meinen Mitmenschen (inklusive mir) andere Erfahrungen gemacht, darum schreibe ich darüber – ich weiß für mich selber, dass ich z.B. die Information, in den USA seien 20 Kinder bei einem Amoklauf erschossen worden, gedanklich nicht einfach so verarbeiten und abstempeln kann. Es zerreißt mir das Herz daran zu denken. Und ich verdränge nicht, wenn ich trotz dieser Information versuche, mich zu Weihnachten einer kindlichen Freude hinzugeben. Nein. Ich versuche nicht zu verdrängen, ich versuche zu überstehen. Diese Welt zu überstehen.

Auch wenn ich das letzte Mal meinte, keinen Blogeintrag mehr schreiben zu wollen, so musste dieses Thema wohl einfach noch raus. So ganz kontrollieren lässt sich dieser "Schreibdrang" eben nicht immer. Wie auch immer, ich wünsche jedenfalls noch einen guten Rutsch ins neue Jahr und frohe Feiertage.

Viele liebe Grüße,

Konstantin

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Ein Abschluss; ein Anschluss - eine letzte Entfaltung bedeutungssuchender Wörter

Vijayawada in der Abenddämmerung



Um es gleich zu Beginn vorweg zu nehmen: Ja ich weiß, wir haben Anfang Dezember, und als ich in meinem letzten Blogeintrag wissen ließ, einen letzten abschließenden Blogeintrag nach meiner Rückkehr in Österreich verfassen zu wollen, so war im Hintergrund dieses Gedankens damals freilich nicht miteingeflossen, diesen Blogeintrag erst 3 Monate nach meiner Rückkehr zu schreiben. So manch Umstand spielt eine Rolle für diese Verspätung. Ich werde nicht auf jeden dieser Umstände eingehen. Nur auf die, die auch wirklich mit Indien und der verzweifelten Suche nach einem Abschluss bzw. einem neuen Anschluss zu tun haben. Ich habe allerdings noch keinen Plan was sich bei diesem Eintrag inhaltlich zu entwickeln plant. Zurzeit weiß ich nur eins, nämlich dass ich nun schon länger, also seit meiner Rückkehr, nichts mehr geschrieben, nichts mehr verarbeitet habe. Nicht unbewusst. Ich merke es schon, wenn ich mir in solchen Dingen selbst was vormache. Mir war schon klar, dass es mir gut tun würde zu schreiben, aber irgendwas in mir wollte sich von diesem Thema restlos emotional abgrenzen. Ich stand vor dem Schreiben dieses Blogeintrags vor der Wahl, entweder einen konventionellen, blumigen Aufsatz über Indien zu verfassen oder mich und eine große Herzensangelegenheit einfach fließen zu lassen. Hätte ich mich für Ersteres entschlossen, so wäre dieser schon lange zu lesen gewesen. Mich in einer so großen Herzensangelegenheit direkt zu konfrontieren zog wohl einfach einen gewissen Grad der Überwindung und damit Verzögerung nach sich. Ein weiterer mich von dem Schreiben dieses Blogs abhaltender Grund war der Gedanke des endgültigen Abschlusses der mit der Vervollständigung dieses Blogs einhergehen würde bzw. könnte. Mit einer einzigartigen, unwiederbringlichen und ganz besonderen Phase meines Lebens zu einem Ende zu kommen. Dazu fühlte ich mich bisher einfach noch nicht bereit. Einen Schlussstrich zu ziehen. Aber: Der Mensch braucht einfach etwas in das er seine Gefühle hineinfließen lassen kann, wenn sie drohen einem im Herzen überzugehen. Nun also will ich sie jedenfalls versuchen zu verfassen, die Worte, die sich schon so lange in meiner Brust regen.

Warum fiel/fällt mir das Abschließen so schwer? Zum einen spielt eine Rolle, dass ich von Natur aus ein Mensch bin der sich schwer tut mit etwas abzuschließen, da ich erlebten Phasen oder Geschehnissen die mich besonders berührt haben schnell mal einen idealistischen Stellenwert gebe. Das war schon immer so. Zum anderen aber auch weil mein Abschied aus Indien mehr ein abruptes Herausreißen aus einer sehr tiefgehenden Phase als ein sich allmählich entwickelnder Prozess war. Wie ein Sturz der Zeit, ein sich urplötzlich verzehrender Gedanke, der sich nicht zu Ende denken konnte. Nicht zum Ende gekommen zu  sein - so fühle ich mich. Das Wesen der Sache gefühlt, berührt; aber nicht ergriffen zu haben. Jaja ich weiß, ich hab dem und dem vielleicht was beigebracht, bin für den und den ja da gewesen, hab mich um den und den schließlich bemüht. Aber.. wieso fühle ich mich dann so unvollständig? So halbleer? Und eben nicht halbvoll. Woher kommen diese Schuldgefühle?
Mein Herz und Indien. Ein schweres, erstickendes, tiefes Eintauchen in unruhige Wasser.
Ein Schrei nach Objektivität. Treffe ich hier auch wirklich den Punkt? Oder kratze ich mal wieder nur an der Fassade?
Nein, da ist schon was dran. Da sind Schuldgefühle. Da ist Wut auf mich selbst. Und Enttäuschung. Und gleichzeitig so viel Reichtum. Ohne Zweifel, all der etwas bedrückende Text hier resultiert zu einem gewissen Maß daraus, den Schatz der mir vor Augen lag nicht immer tatsächlich wahrgenommen und allem anderen, all den entmutigenden und bitteren Erfahrungen ausgewogen haben zu lassen. Denn da war auch wirklich Freude in meinem Einsatz. In den Augen der Kinder wenn sie etwas im Unterricht verstanden haben; wenn man sich zum Spielen zu ihnen gesetzt – und vor allem dann noch gewinnen lassen hat. Nein, der Gedanke darf neben alldem was jetzt vielleicht noch kommt nicht untergehen: ich fühle mich reich beschenkt.
So wie ich meinen Einsatz erlebt habe, so suche ich nun zum Einen nach einem Abschluss für zwar keine perfekte, aber dafür einzigartige und für mich vorherbestimmte Zeit und zum Anderen nach einem neuen Anschluss für einen neuen Lebensabschnitt. Und um einem solchen Abschluss bzw. einem solchen Anschluss näher zu kommen muss mich einfach nochmal tief in sie einlassen, in all die schweren, mich vereinnehmenden, verzehrenden Gedanken.



Trotz all der Rückschläge, all der Verbitterung während meines Einsatzes spüre ich große Sehnsucht und Verbundenheit mit Indien. Und gerade aus emotionaler Verbundenheit heraus kann dann so ein Text, wie der kommende Absatz, entstehen, in dem man gedanklich nochmal tief eintaucht, in diese völlig gegensätzliche Realität, Welt, in dieses Indien.

Ich bin jemand der von jeher immer versucht hat viel aus einer anderen Welt, aus Träumen in seinen Alltag einzubauen, jemand der Realität oft und nur allzu gerne umgangen oder abgelehnt hat. Indien ist zweifellos mitunter die härteste Realität die es zu erfahren, wenngleich auch eine der fantastischsten Welten die es zu entdecken gibt. Aber mein Punkt, an dem ich jetzt ansetzen möchte, ist jedenfalls die Realität. Die Realität der Welt. Da gab es für mich keinen Weg drumrum in Indien. Nur mittenhindurch. Und es hat mich verbittert wie Realität tatsächlich sein kann. Für so viele Menschen. Im Affekt eines nicht funktionierenden Systems. Krankheit gibt es überall, selbst bei denen, die sie versuchen bei anderen zu lindern. Auch um sie macht das System letzten Endes oft keinen Bogen. In meinem Einsatzprojekt lief vieles nicht so, wie es laufen hätte sollen. Dinge, bei denen alle Welt vermeintlich glaubt zu wissen wie sie laufen und aus ihrem vermeintlichen Wissen heraus die Sache unterstützen; Dinge, Probleme vor denen die Verantwortlichen vor Ort -wissend dass in ihrer Arbeit so manches nicht richtig läuft- wegsehen. Lernen durch Konfrontation - eine unweigerliche Aneignung. Konfrontation mit dem nackten, tatsächlichen Lauf der Welt. Das prägt und entreißt einem jedes schönredenden Wortes im Ansatz. Es gibt nichts auf dieser Welt, das perfekt ist. Aber die Realisierung wie weit eine Gesellschaft, ein System davon entfernt sein kann perfekt zu sein, ist erst dann möglich in etwa zu erfassen, wenn man ihn gesehen und erlebt hat: Den Hühnerkäfig. In den sie gestopft werden, die Kastenlosen, die kleinen unbedeutenden Arbeiter. Zusammengepfercht und in Arbeit geschwemmt um dabei zwar viel zu wenig zu verdienen, aber dafür um Fortschritt in der Wirtschaft zu ermöglichen, und um dabei früher oder später ja doch nur auf der Strecke zu bleiben. Natürlich ist zu berücksichtigen, dass Inder eine völlig andere Lebenseinstellung -adaptiert auf ihre nicht zu ändernde Situation- als wir haben, aber mir geht es in diesem Text auch weniger darum wie die Menschen mit ihrer Situation gelernt haben umzugehen, als darum wie für mich der Gedanke, dass ein Mensch weniger wert sein kann als eine Kuh, einfach nicht zu erfassen ist. In Indien herrscht ein riesiger Minderwertigkeitskomplex. So habe ich es zumindest erlebt. Tief verwurzelt in fast jedem Menschen den ich in diesem Jahr kennengelernt habe - und das waren einige. Verwundern sollte das, bei einer derartigen Bevölkerungsexplosion und einem Gesellschaftssystem, in dem jeder Mensch von Geburt an als jemand, abhängig von seiner Kastenzugehörigkeit, abgestempelt wird, jetzt nicht weiter. Gleichzeitig ist da aber auch Leben und Hoffnung. Es gibt immer wieder Fälle die Hoffnung geben, und für die es sich lohnt ein Jahr seines Lebens herzuschenken. Und genau darauf muss man sich während so eines Einsatzes auch einfach konzentrieren lernen – auf die 0,1 % die diesem System zum Trotz genau das aus ihrem Leben machen, das immer ihr Traum gewesen ist, obwohl es alle anderen für unmöglich zu erreichen erklärt haben. Es gibt sie, diese 0,1 %.

So sehr ich meiner Welt auch nicht fremd erscheinen mag, so weit und umfassend wirft es doch manchmal seinen Schatten über mich, das Befremdliche unserer ach so viel besser funktionierenden Gesellschaft. Was wir besser machen? Bei uns gibt es weniger Menschen. Wir haben die Möglichkeit uns einzuigeln in unserer Wohlstandsgesellschaft – wir können es uns leisten. Zwar gibt es ohne Zweifel auch in Österreich einen Anteil an Menschen, der auf der Strecke bleibt, aber diese Menschen sind eine Minderheit, bei denen man es sich leisten kann sie zu ignorieren. Was hat man in dem bevölkerungsüberquellenden Asien das wir nicht haben? - Solidarität, ein komplett anderes Verständnis von Gemeinschaft und Zusammenhalt. Dort gibt es zuerst die Masse, dann den Menschen. Warum spricht in Indien ein Junge einen wildfremden Mann auf der Straße mit „Großer Bruder“ an? Weil der Junge von anderen Menschen abhängig ist. Er schafft es nicht alleine. Und das unterscheidet unsere Welten so sehr von einander: Die Möglichkeit bei uns, egoistisch, unabhängig vom nächsten zu sein. Dadurch entsteht natürlich eine völlig andere Mentalität. Die Leute wollen/brauchen bzw. denken sie bräuchten immer mehr, jeder will eines Tages so unabhängig wie nur irgend möglich sein und sich alles leisten können. Doch dieses Denken hat keine Nachhaltigkeit. Unser System hat keine Nachhaltigkeit. In Wirklichkeit ist alles von so geringer Dauer; Ressourcen, unsere Wohlstandsseifenblase und die Zeit die wir darin haben und nutzen. Und was machen wir in dieser Lage? So viel rausholen wie nur irgend möglich ist bis die Seifenblase platzt. Es ist jetzt allerdings auch nicht so, als ob wir groß eine andere Wahl hätten. So funktioniert eben Europa.
Bei dem Gedanken an diese Schere zwischen arm und reich, zwischen gerecht und ungerecht, zwischen zu viel und zu wenig, fühle ich mich manchmal nur noch hilflos, weil ich nichts anderes tun kann als zuzusehen wie sie immer weiter auseinander geht. Hilflosigkeit ist der Preis der Erfahrung meines Einsatzes. Zumindest fühlt es sich manchmal so an. Ich weiß schon: ich sollte mich auf die 0,1% konzentrieren; auf die paar Kinder, denen ich helfen konnte; auch wenn es nicht viel war, ein bisschen habe ich schließlich doch beigetragen um diese Welt besser zu machen. Aber ich kann mich nicht zu diesen Gedanken zwingen, ich kann keine echte Freude empfinden; Hilflosigkeit ist das intensivere Gefühl.

Einiges kann nie wieder so werden wie es einmal war. Die Realisierung dieses Gedankens nach meiner Rückkehr war für mich sehr erschütternd, da es die Vorstellung einiger Dinge, wie z.B Unternehmungen mit Freunden waren, die mir oft halfen in Indien voranzugehen. Doch dann komme ich nach Hause und finde mich so, wie genau vor einem Jahr zu Anfangs in Indien vor – isoliert und Abstand haltend; eine Fassade aufbauend; unsicher im Verhalten zu anderen Menschen. Ein Deja Vu, ein Kulturschock. Dieselbe Geschichte wie bei meinen ersten Einsatzmonaten; nicht nur was die Unfähigkeit mit der aktuellen Situation umzugehen betrifft, sondern auch was die Vorstellung angeht, die man sich im Vorfeld darüber gemacht hat, wie wohl alles sein wird wenn man erst mal da ist – da diese Vorstellung sich schließlich in beiden Fällen, also nach der Hin- wie auch nach der Rückreise, als Fantasie, als Gehirngespinst welches nichts mit der Realität zu tun hat, entpuppte. So viel Dinge wollte ich nach meiner Rückkehr tun, realisieren… und dann kehre ich zurück, und kann aber einfach nicht. Der Gedanke an mein Projekt, meine Kinder. Es kommt mir vor, als wäre ich ganz plötzlich und ohne Vorwarnung abgehauen, herausgerissen worden, aus meinem neuen Leben. Was soll ich hier? Ich passe hier nirgendwo rein.   

Loslassen. Seufzend schleicht sich dieses Wort in meine Gedanken. Es hört sich ja theoretisch recht leicht an. Einfach den Griff lockern und fallen lassen. Aber so leicht ist es eben doch nicht immer. Der Mensch braucht immer eine Sache bei der er das Gefühl hat, sie im Griff zu haben. Wenn dem mal nicht so ist, dann fühlt er sich schnell wie im Regen stehen gelassen. Indien war das was ich hatte, meine Welt. Jetzt warten viele neue Herausforderungen. Es ist nicht so, als ob ich nun komplett perspektivlos wäre; mir fehlt derzeit nur der richtige Blickwinkel. Ich habe meine Visionen, meine Träume; neue Herausforderungen und Aufgaben. Doch habe ich sie alle nicht im Griff, kann sie alle nicht richtig einordnen. Kenne den Weg eben noch nicht. Das zieht alles so viel Unsicherheit nach sich.
Vertrauen. Glauben. Manchmal ist das einzig richtige das man tun kann, den Kopf abzudrehen und einfach vertrauen und glauben zu lernen. Der Mensch, der versucht auf dieser Welt immer alles im Griff zu haben verbittert bald. Der Mensch, der versucht sich auf dieser Welt alles rational zu erklären wird nie wirklich Weisheit finden können.
Das Leben fließen lassen und sich neu einordnen lernen… wäre eine erwachsene Haltung mit dieser Situation umzugehen. Einordnen in die neue Rolle. Alle bisherigen Versuche der Einordnung endeten bei mir jedoch nur in Überforderung. Ja, ich bin total überfordert. So wie ich es in meinem Leben noch nie war.

Wie war das nochmal mit dem Loslassen? … Ich versuche mal dieses Bild zu verdeutlichen, das mir zu diesem Wort ‚Loslassen‘ in den Sinn kommt: Indien, mein Projekt Vimukti, auf dem Dach, Sommer, Nacht. Alle Burschen haben die Matratzen auf das Dach geschleppt weil es im Sommer einfach zu heiß ist um im Zimmer zu schlafen. Klarer wie eine Nacht, ein sich in alle Unendlichkeit erstreckendes Sternenzelt nicht sein könnte. Das gleichmäßige, omnipräsente Zirpen der Grillen und das säumige, träge Rascheln der Blätter des umliegenden Mangohains. Und da: ein Schwarm dem Schwarz der Nacht entreißender, leuchtend ergleißender, über meinem Kopf hinweggleitender Glühwürmchen. Das offene, freie Lachen der Kinder die nicht schlafen wollen. Ich mittendrin, gedankenlos, planlos, wunschlos, zeitlos. Nur dieses Gefühl am richtigen Fleck der Welt gerade zu sein.

Ich denke inhaltlich war dieser letzte Absatz wohl so etwas wie mein abschließender Gedanke. Man darf sich zu dem Gelesenen nun denken was man will; ich weiß was ich an diesem Einsatz hatte und ich würde diese Erfahrung um nichts auf dieser Welt wieder Ungeschehen machen oder tauschen wollen. Ich habe meine Lehren, meine Konsequenzen gezogen; meinen Kopf, mein Herz für viel Neues geöffnet. Bin mit vielem aber auch einfach ganz direkt konfrontiert worden, so dass sich so manche Ströme alle Wände durchbrechend selbstständig ihren Weg in mein Herz gebahnt haben.
Ich weiß nicht, ob all das, was ich in den letzten knapp 15 Monaten auf diesem Blog so veröffentlicht habe, auch lesenswert, bzw. teilweise überhaupt lesbar war. Aber darüber habe ich mir zugegeben nie besonders viel Gedanken gemacht. Ich hoffe allerdings, ich konnte dem Einen oder Anderen halbwegs nachvollziehbar nahelegen, was dieses Jahr für ein Herzenseinfluss und unbändiges Erlebnis, für eine Liebeserfahrung, Weltenerschütterung für mich war.

Zum ersten, und doch zum letzten Mal - mit Grüßen aus Mödling,

Konstantin


Ps: Ich werde irgendwann in der nächsten Zeit noch ein paar Fotos von meinen letzten Wochen in Indien hochstellen.

Donnerstag, 16. August 2012

Wofür es eigentlich keine Worte gibt... meine letzten Tage in Indien

Noch etwa eine Woche bin ich in Indien. Nach einem sehr schreibarmen Juli hatte ich mir für August eigentlich vorgenommen, meine letzten Erlebnisse und Ereignisse wieder wöchentlich hier festzuhalten. Doch wie so oft im Leben kam es eben anders als wie vorgestellt. Der neuerlichen Schreibflaute zu Grunde liegen tut nur zu einem kleinen Teil die Tatsache, dass ich total unterschätzt habe wie viel ich hier zum Abschluß noch zu tun/ zu planen/ zu organisieren habe. Nicht nur für meinen Abschied, auch für meine Rückkehr. Als einen wesentlicheren Grund für meine Blogabstinenz würde ich wahrscheinlich die Furcht bezeichnen, mich mit irgendetwas auseinanderzusetzen, dass mit meiner Rückkehr zu tun hat/ mit meinen letzten Tagen. Ich meide den Gedanken. Ich entziehe mich der Realität. Es ist alles so unwirklich. Ich sage euch ehrlich: Am liebsten würde ich auch diesen Blogeintrag gar nicht erst schreiben. Einfach um den Gedanken weiter umgehen zu können; mich nicht damit beschäftigen zu müssen. Aber zum einen ist es wichtig sich allmählich mit diesem Thema zu beschäftigen und zum anderen bin ich euch einfach noch einen Blogeintrag schuldig (auch wenn ich in Österreich sowieso noch einen schreiben werde). Und außerdem werde ich im Nachhinein wahrscheinlich ja doch froh sein, hier meine Gedanken rausgelassen zu haben; aufgestauten Gedanken eine Form zu geben kann ein sehr befreiendes Erlebnis sein. Ich schreibe seit längerer Zeit nicht einmal mehr für mich selbst Tagebuch. Ich lebe einfach, und ganz ohne Reflektion, in den Tag hinein. Ich bin gespannt was hier nun alles so rauskommt.

Zunächst mal: die Tatsache, dass ich mich mit meinem Abschied noch nicht befasst habe, bedeutet nicht, ich hätte dasselbe noch nicht mit meiner Rückkehr getan. Denn das habe ich. Und ich freue mich natürlich schon sehr auf all die großartigen Menschen die ich während meiner Zeit hier so schmerzlich vermisst habe und die mir so eine große Stütze waren in Zeiten in denen ich zu kämpfen hatte (speziell am Anfang). Und doch freue ich mich nicht mehr so wie vor einem halben Jahr, als mich meine Familie besucht hatte und ich am liebsten gleich mit ihnen mit nach Hause geflogen wäre. Nein. Ich habe hier während den letzten 6 Monaten etwas verloren.. wohl mein Herz. Vijayawada ist mein zweites zu Hause geworden. Und es tut weh, zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, ein zu Hause zu verlassen und sich in eine fremde Welt zu begeben. Auch wenn sich das mit der fremden Welt vermutlich mit der Zeit wieder legen wird sobald ich in Mödling bin, so kommt mir derzeit der Gedanke an meine Heimkehr dennoch genauso vor wie die bevorstehende Reise in eine fremde Welt.

Ein Abschnitt geht zu Ende. Die Erde dreht sich weiter. Vielen Prüfungen und Lektionen sah ich mich konfrontiert während der vergangenen 12 Monaten. Ich sehe viele Dinge jetzt klarer. Ich denke, dass es zu meinen größten Schätzen gehört, manche Sachen nicht mehr nur zu wissen, sondern auch das Wesen ihrer zu verstehen; damit meine ich zum Beispiel durch Erfahrung der Situation, ihren Wert und ihre Besonderheit irgendwann auch wirklich begriffen und realisiert zu haben. Situationen, wie einem der Burschen in Vimukti beim Essen kochen Gesellschaft zu leisten und ihm mit Interesse an seiner Person zu begegnen - um dann später zu erfahren, dass dies für den Jungen das erste Mal seit einer Ewigkeit war, oder überhaupt das erste Mal in seinem Leben, dass sich jemand für ihn interessiert hat. In Indien gibt es so viele Menschen. Und so viele haben Angst in der Masse unterzugehen. Es ist in Folge nicht weiter verwunderlich, wie umfassend ein beträchtlicher Teil der indischen Bevölkerung an Minderwertigkeitskomplexen leidet. Menschen unterschätzen oft was es für ein Geschenk für einen anderen Menschen sein kann, ihm nur ein bisschen von seiner Zeit und seiner Interesse zu schenken. Das wird es auch sein, was ich am meisten an Indien vermissen werde. Mit Shareef (einer der Vimukti Burschen, die mir sehr ans Herz gewachsen sind) am Abend durch das Vimukti Gelände zu spazieren und den Erzählungen von seinen verrückten Ideen und epochalen Träumen -welche er mir immer mit einer sensationellen Eigenkreation von Englisch und begeistertem Gestikulieren ans Herz legte- erst zu lauschen um sie später mit ihm zusammen zu analysieren.

Ein Thema das mit Hinsicht auf meinen Abschied in den letzten Monaten zunehmend an Bedeutung in meiner Gedankenwelt gewonnen hat: Veränderung. Dinge verändern sich ständig. Jeder Moment auf dieser Welt ist unwiederbringlich und daher so einzigartig. Ich denke, ein Teil von mir hat dies gewisser Weise auch schon verstanden. Ein anderer Teil in mir will es aber einfach nicht verstehen. Will es nicht akzeptieren. Es ist schmerzhaft Abschied nehmen zu müssen, weil es an der Zeit ist, wieder Veränderung walten zu lassen, den Lauf der Zeit/ der Dinge walten zu lassen. Aber davon ist eben das ganze Leben geprägt. Der Lauf der Zeit/ der Dinge ist ein Lauf der Veränderung. Veränderung kann sein, dass sich eine Lebenssituation verändert, aber zum Beispiel auch wenn ein geliebter Mensch stirbt. Das ist alles der Lauf der Dinge. Und den gilt es als Teil des Lebens anzunehmen. Akzeptanz und Verständnis für dieses Gesetz ist eine Prüfung, mit der ein Mensch möglicher Weise sein ganzes Leben lang kämpft. Ich kämpfe jetzt gerade damit mehr als je zuvor. Indien zu verlassen ist eine Veränderung in meinem Leben die mir, wenn ich es mir ehrlich eingestehe, das Herz bricht.

"Du kannst den Lauf der Veränderung genauso wenig beeinflussen, wie du die Sonnen davon abhalten kannst unterzugehen." (Filmzitat aus Star Wars)


Meine Abschiedsfeier in Vimukti fand vergangenen Montag statt. Über die Anwesenheit von Tobias, Christine und Niklas, welche mich zu dieser begleiteten, freute ich mich sehr. Ich wurde zu Beginn der Feier mit einer Blumenkette behangen, bekam dann eine von den Burschen einstudierte Tanzperformance zu sehen und lauschte verschiedenen Telugu Ansprachen der Mitarbeiter. Ich hielt auch eine Ansprache, hatte zudem eine selbstgebastelte Foto Collage, Süßigkeiten sowie Gewand, welches ich nicht mehr brauche, mitgebracht, und überreichte es den Burschen und den Mitarbeitern. Für mich war es sehr schön, dass einige Burschen bei meiner Abschiedsfeier anwesend waren, welche ich persönlich auch lange in Vimukti betreut hatte, obwohl diese Zeit schon 2 Monate zurückliegt, und die meisten Burschen, um die ich mich damals gekümmert hatte, ja mittlerweile zu Ausbildungszentren und Bridge Schools weitervermittelt wurden. Zur Erinnerung: die letzten 2 Monate arbeitete ich im Shelter bzw. beim Street Presence Team am Bahnhof und nicht mehr in Vimukti. Ein paar meiner alten Burschen sprachen auch ein paar Worte. Emotionaler Höhepunkt für mich war wohl die Ansprache von Jagadeesh, in welcher er den anderen Burschen erzählte, dass er durch meinen Englisch Unterricht wieder Interesse an der Schule entdeckt hätte und deswegen auch eines Tages Englisch studieren möchte. Das eine oder andere Mal hatte ich in der Tat schon so meine Schwierigkeiten, gegen Tränen anzukämpfen. Zum Schluß gab es noch ein köstliches Mittagessen mit Biryani Rice und Egg Curry. Nirgends in Indien habe ich ein besseres Egg Curry gegessen als in Vimukti. Ich bin sehr froh, dass mir die Köchin beigebracht hat, wie sie es zubereitet. Generell kam eine große Dankbarkeit während der Feier in mir hoch, für all die Dinge die ich in Vimukti gelernt und erfahren habe. In all den schönen aber auch weniger schönen Zeiten. 

Christine und Tobias!


Das obligatorische Händeschütteln für die Kamera ist den Indern sehr wichtig (später umarmten wir uns sowieso)


Meine Abschiedsrede

Die Tanzperformance der Burschen unter der Führung von Raja

Die Überreichung meiner selbstgebastelten Foto Collage an die Burschen und die Mitarbeiter

Die Verteilung der Süßigkeiten


Tobi mit einem SUPER Blick so wie ich finde^^ ..und Prasad mit meiner Fotocollage





Neben meiner Vimukti Abschiedsfeier fand letztes Wochenende auch eine Abschiedsfeier für Martha, Jonas, Leo, Felix und mich in der Projektzentrale von Navajeevan mit Father Arogya statt. Unseren Abschied in der Projektzentrale feierten Martha, Jonas, Leo, Felix und ich deshalb schon letztes Wochenende, da jener Abend an dem die Feier stattfand, der letzte war, an dem alle Volontäre noch zusammen waren. Einen Tag vor unserer Abreise, also kommenden Montag, werden Martha und ich wahrscheinlich trotzdem noch einen kleinen Abschied mit den Fathers und den anderen Volontären feiern. Mein offizieller Abschied von Indien, welcher also nun schon letztes Wochenende stattfand, fühlte sich den Umständen entsprechend nicht wie ein Abschied an. Und auch jetzt, wo mir nur noch ein paar wenige Tage hier in Indien bleiben, realisiere ich den Gedanken Abschied einfach nicht. Ich bin gespannt, ob er mir dann kommenden Montag allmählich dämmern wird. Realitätsverweigerung ist wohl die gebräuchlichste Reaktion eines Volontärs in Hinsicht auf seine Abreise.

Nun, es ist Abend, die Sonne ist schon lange untergegangen, und ich komme allmählich zu einem Ende. Was es für heute noch zu tun gilt, ist sich raus auf den Balkon zu begeben, das Stadtgeschehen zu verfolgen, die Sterne mit wehmütigen Augen zu betrachten, seufzend die letzten Eindrücke Indiens aufsaugen. Morgen geht wieder eine indische Sonne auf. Und übermorgen auch noch. Und überübermorgen auch noch. Und überüberübermorgen auch noch. Und überüberüberübermorgen zum letzten Mal auch noch. Doch dann, am überüberüberüberübernächsten Morgen nicht mehr. Der Gedanke löst reflexionsartig Furcht aus. Wenn auch der Auslöser für diese noch nicht wirklich begriffen/realisiert wurde.

Naja. Ab diesem überüberüberüberübernächsten Tag bin ich jedenfalls wieder live auf Österreichs Straßen zu finden. Und das nächste Mal wenn ihr hier von mir lest, wird es sich auch um österreichisches Internet halten, welche meine Einträge auf diesen Blog digitalisiert.
Weiter möchte ich nicht mit dieser Liste nicht gehen, da sie Unbehagen auslöst. (Wobei, wenn ich ehrlich bin, der Gedanke an konstant funktionierendes Internet, bzw. konstant zur Verfügung stehender STROM, bzw. hygienisch zubereitete, österreichische Küche, natürlich schon eine gewisse Attraktivität besitzt. Nun, es wird sicher Mittel und Wege geben, mir meinen Abschied von Indien etwas leichter fallen zu lassen. Allein meine Familie und Freunde wieder in die Arme schließen zu können... warum in diesem Blogeintrag der Frust über meinen Abschied, die Vorfreude über meine Heimkehr ausgewogen hat, versteht hoffentlich jeder.)

Mit wehmütigen Grüßen zum letzten Mal aus Indien,

Konstantin

Vijayawada. Stadt meines Herzens

Sonntag, 29. Juli 2012

Ein ungewöhnlicher Monat


Sonntag. 29. Juli. Es gibt viel zu erzählen. Der Monat Juli ist ein einziges Loch in meinem Blog. Dieser Umstand hängt natürlich auch mit meinem Urlaub Anfang bis Mitte Juli zusammen. Wobei Urlaub irgendwie nicht ganz das richtige Wort für die Zeit meiner Abwesenheit ist. Von meinen insgesamt 3 Urlauben konnte man eigentlich nur die Zeit in Kerala mit meiner Familie als wirklich erholsamen Urlaub bezeichnen; nach meiner Himalaya Reise zum Beispiel war ich noch erledigter als vor Reiseantritt. Warum aber kann man jetzt meine dritte Reise wieder nicht als Urlaub bezeichnen, und was genau habe ich eigentlich während meiner Abwesenheit gemacht? Die zweite Frage stellt sich nun zwei Arten von Personen: Einerseits denen, welche meinen letzten Blogeintrag nicht gelesen haben (in welchem ich mein Reisevorhaben geschildert habe), und andererseits denen, welche ihn zwar gelesen haben, sich aber fragen, ob meine Reise, so wie ich sie mir vorgestellt habe, auch wirklich stattgefunden hat, beziehungsweise einfach neugierig sind, wie es so war.

Also. Zunächst mal ein grober Überblick meiner Reise: von 4. bis 15. Juli lernte ich in dem Meditationskurs von Nagarjuna Sagar die Philosophie und Kunst des Vipassana kennen (meiner Zeit dort werde ich in meinem heutigen Eintrag die meiste Aufmerksamkeit schenken). Nach dem 15. Juli verbrachte ich ein paar Tage in der 6 Millionen Einwohner Stadt Hyderabad, um mir ein wenig die Stadt anzuschauen bzw. um -in Hinblick auf meine Heimreise in gut 3 Wochen- Andenken an Indien zu besorgen. Freundlicher Weise durfte ich während meines Aufenthalts in Hyderabad in einem der Projekte von Navajeevan, in Ramanthapur, übernachten. Obwohl ich unter Tags meist in der Stadt unterwegs war, hatte ich eine super Zeit in Ramanthapur, was nicht zuletzt an den Kindern, bzw. an den beiden Volontären aus Deutschland, Larissa und Tobias lag. Neben Larissa und Tobias traf ich auch meine Jugend Eine Welt Kollegin Theresa und ihren Freund Peter, welche mir ein wenig die Stadt zeigten. Was gibt es von Hyderabad noch so zu erzählen … *grübel*. Naja, also wie schon gesagt habe ich hauptsächlich Andenken für Österreich gekauft, mir ein paar Sehenswürdigkeiten angeschaut, und ausgezeichnet gespeist. Ach da fällt mir ein; ein nettes herausstechendes Ereignis in Hyderabad war der Abend meiner Ankunft, an welchem nämlich das große Telangana Fest ‚Bongalu‘ gefeiert wurde – überall auf der Straße wurde von unzähligen Trommlern nach Kräften Lärm gemacht, die Frauen transportierten auf ihren Köpfen Behälter mit Reis um sie vor ihrem jeweiligen Gott in dem jeweiligen Tempel auszuleeren und Räucherstäbchen reinzustecken. Natürlich wurde auch ausgelassen getanzt. Larissa, Tobias und ich waren an jenem Abend mit ein paar Burschen aus Ramanthapur in der Stadt unterwegs, um das Geschehen in den Tempeln zu verfolgen. Natürlich wurden wir später auch aufgefordert zu tanzen. Mitten auf der Straße, umkreist von einer Schar Trommlern und verrückt-ausgelassenen Einheimischen, bei strömenden Regen herumzutanzen ist ein Erlebnis, das man so wohl wirklich nur in Indien findet. Worin sich mein Urlaub allerdings wesentlich von jenem eines üblichen Touristen unterschied, war mein vorangegangener Meditationskurs, auf welchen ich nun eingehen möchte.

Am 4. Juli fuhr ich in der Früh mit dem Bus zu dem Gebiet Nagarjuna Sagar, an dem größten Stausee Indiens gelegen. Dort angekommen, gelangte ich ohne weitere Komplikationen zu der Vipassana Meditationsanlage. 11 Tage würde ich nun mit etwa 20 anderen Kursteilnehmern an diesem Ort sein, und außer meditieren, vegetarisch essen und schlafen nichts tun. Darauf hatte ich mich schon eingestellt. Eine gewisse Nervosität war dennoch nicht ganz los zu bekommen. Kein lesen, kein schreiben, kein reden, keine Geräuschverursachung, keine körperliche Ertüchtigung. Nicht einmal jemandem in die Augen zu blicken war erlaubt. In den ersten Tagen ging es mir nicht sehr gut, und das ist ganz einfach darauf zurückzuführen, dass ich in diesen krank war. Ich war verkühlt und hatte Schwierigkeiten mit meinem Magen. Die Lehrer rieten mir immer wieder mich einfach nur auf meine Atmung durch die Nase zu konzentrieren, und alles andere auszublenden; aber was tun wenn die Nase verstopft ist? Durch den Mund zu atmen ist nicht erlaubt. Tja. Zum Glück ging die Verkühlung mit der Zeit zurück und das Atmen durch die Nase, sowie mich darauf konzentrieren zu können, gelang mir zunehmend besser. Und je besser ich mich konzentrieren konnte, umso erschöpfter war ich nach den jeweiligen Sitzungen. Man sollte echt nicht unterschätzen wie anstrengend es sein kann sich für eine Stunde zum Beispiel auf seine Atmung zu konzentrieren und alles andere auszublenden. Mein Tag begann übrigens schon um 4 Uhr in der Früh mit einer Meditationssitzung, an der ich allerdings krankheitsbedingt nicht immer teilnehmen konnte. Dann gab es Frühstück und eine Stunde Pause. Dann wurde wieder bis zum Mittagessen meditiert. Mit dem Mittagessen ging wieder eine Stunde Pause einher. Danach wurde bis zum Abendtee meditiert, welchem ebenfalls wieder eine kurze Pause anhing. Nach dem Abendtee gab es zwar eine weitere Meditationssitzung, jedoch hatten wir am Abend für eine Stunde tatsächlich auch einen anderen Programmpunkt als Meditation; nämlich den sogenannten Discourse. Im Discourse lauschten wir in einer Videoaufzeichnung der Lehre des Vipassana von Goenka, jenen Mannes, der die Lehre in Indien und der ganzen Welt verbreitete. Ich würde diese Stunde, in welcher wir jeden Abend Herrn Goenka reden hörten, mehr als eine Philosophie Stunde bezeichnen. Ich möchte an der Stelle nun von der Oberfläche abkommen und ein wenig in die Lehre eintauchen, damit ihr einen besseren Eindruck von meiner Zeit dort gewinnt. In meinem letzten Blogeintrag vor einem Monat, bin ich zwar schon ein wenig auf die Lehre eingegangen, jedoch war das, was ich damals geschrieben habe, eine intellektuelle Vorstellung und Beschreibung einer Kunst, die nur durch das Erleben eben dieser verstanden werden kann. Einen wesentlichen Punkt der Vipassana Lehre habe ich eigentlich soeben vermittelt; nämlich die Lehre des empirischen Verständnisses – das Verstehen auf Basis der Erfahrung, aber niemals auf Basis des intellektuellen, des rationalen Verstehens. Der Mensch kann sich Dinge vorstellen, Gedanken machen; er kann Informationen sammeln, Weisheit suchen. Aber findet er dadurch auch Verständnis? Wer meinen letzten Blog gelesen hat, konnte feststellen, dass ich so Sachen geschrieben habe wie: ‚Was ich während dem Meditationskurs tun werde? Nicht nachdenken, nicht planen, mich nicht ablenken lassen,… blablabla‘. Hatte das letztendlich was mit der Realität zu tun? Nein. Wie denn auch? Ich habe mir idealistische Vorstellungen einer Zeit gemacht, die so niemals stattfinden könnte. Man stelle sich vor: Nach 20 Jahren taucht man aus der Welt des allgegenwärtigen Konsums, der Ablenkung, des Materialismus für 11 Tage in eine Welt der vollkommenen Ruhe, der simplen Geradlinigkeit ein. Noch nie wurde ich mit Gedanken und damit einhergehenden Ablenkungen derart überschwemmt. Noch nie zuvor realisierte ich mit einer derartigen Klarheit, wie mich meine Welt beeinflusst. Meine Gedanken, mein Verhalten, meine Gefühle. Worauf ich hinaus will: Wer auch immer diesen Text liest, versteht vielleicht was ich meine, doch wirklich tiefe Einsicht kann man daraus nicht gewinnen, da Verständnis nicht auf intellektueller Basis stattfinden kann. Und damit komme ich jetzt zu dem Kern der Lehre: das Verständnis der ewigen, universellen Vergänglichkeit. Alles, außer Gott, ist vergänglich. Und genau darum ging es in meinem Kurs. Das zu verstehen. Es gibt 2 Faktoren im Wesen eines jeden Menschen, die dazu führen, dass er leidet. Nämlich Habgier und Ablehnung. Entweder ist eine Situation -oder was auch immer- so schön, dass man mehr davon haben will und unglücklich ist, wenn man nicht mehr davon bekommt, oder eine Situation -oder was auch immer- löst Ärger, Verbitterung und Ablehnung in einem Menschen aus. Und nun nimmt das Gesetz der Vergänglichkeit eine elementare Rolle ein. Der Mensch begehrt oder lehnt etwas ab, löst damit Leid in ihm aus, OBWOHL die Sache, die er begehrt oder ablehnt, ohnehin von gezwungener Vergänglichkeit ist. Wozu leiden wegen einer Sache die überhaupt keinen Bestand hat? Wenn jemand einen Fluss überquert, und ihn eine halbe Stunde später, auf dem Rückweg, an derselben Stelle nochmal überquert, dann wird es so scheinen, als ob auch wieder genau derselbe Fluß überquert werden würde; doch in Wirklichkeit ist das Wasser, welches vor einer halben Stunde an der Stelle überquert wurde, schon weit flussabwärts geströmt. Und das ist die Meditationstechnik des Vipassana: Sich auf seine Sinneswahrnehmungen zu konzentrieren, und jede, ob angenehm oder unangenehm, oberflächlich zu beobachten. Angenehme Sinneswahrnehmungen werden nicht begehrt, unangenehme nicht abgelehnt. Es wird nur beobachtet, nur bemerkt. Von Kopf bis Fuß wandert die völlige Konzentration von einer Körperstelle zur nächsten, und man wartet, bis eine Sinneswahrnehmung eintritt. Ruhiges, gleichmäßiges Atmen durch die Nase. Auch Sinneswahrnehmungen kommen und gehen, sind vergänglich. Genauso wie jeder Moment und jede Situation des Lebens sind sie ohne Bestand und völlig einzigartig.
Abschließend noch ein wichtiger Punkt der Lehre: Das Loslösen vom Ich. Der Mensch geht immer vom Ich aus. ‚Ich brauche‘, ‚Ich möchte‘, ‚Ich will‘,… doch das, was das Ich begehrt, bringt immer nur eine Befriedigung für den Moment. Es hat weder Bestand noch Sinn für sich selbst zu leben. Der Mensch lebt für den Menschen. Das ist im Großen und Ganzen die Lehre des Vipassana, auch wenn sich darüber noch viel mehr sagen lassen würde.

Obwohl ich wirklich froh bin, diesen Kurs besucht zu haben, möchte ich an der Stelle noch einmal betonen, dass ich mir speziell am Anfang sehr schwer getan habe. Nicht nur weil ich krank war. Man kann sich nicht vorstellen wie viel mir beim meditieren durch den Kopf gegangen ist und wie schlimm es war, außer dem meditieren NICHTS tun zu können. Da liegt man im Bett, schaut seufzend den Vögeln zu und träumt vor sich. Erst nach ein paar Tagen habe ich verstanden wie wertvoll die Zeit an diesem Ort ist, und dass es nichts als Vergeudung des Moments ist, einer Zeit -meiner Rückkehr- entgegenzusehnen, da auch diese nur ein vergängliches Erlebnis von vielen sein wird. Ich denke jetzt besser verstehen zu können, was es heißt, den Moment zu leben und auszukosten. Es macht das Leben einfach viel lebenswerter.

Ein bisschen mehr als 3 Wochen sind es noch bis zu meiner bereits erwähnten Rückkehr. Ich weiß nicht wie oft ich noch die Zeit finden werde einen Blog zu schreiben. Aber Zeit, um über den Abschied von meinen alten Vimukti Burschen (welche ich in ihren Ausbildungszentren, Bridge Schools usw. besuchen werde) zu schreiben, werde ich bestimmt noch finden. Beziehungsweise eine Zusammenfassung, ein Resümee meines Einsatzes werde ich spätestens in Österreich verfassen.

Bis also nächsten oder übernächsten Sonntag!


Samstag, 30. Juni 2012

Es ist wieder mal Zeit aufzubrechen und zu lernen...


Es ist interessanter Weise immer wieder ein bisschen eine Überwindung, sich zum Blog Schreiben zu motivieren (selbst noch nach 10 Monaten); aber sobald man sich überwunden hat, fliesst alles wie von selbst. Gedanken in Formen festzuhalten stellt eine äußerst befreiende Variante der Gedankenentleerung dar. Das erfahre ich jedes Mal aufs Neue, wenn ich mich dazu durchgerungen habe, einen Blogeintrag zu schreiben, und jedes Mal aufs Neue bin ich auch wirklich froh, diese Entscheidung getroffen zu haben. Dennoch muss ich hier leider verkünden, dass dies mein letzter Blogeintrag für die zumindest nächsten beiden Sonntage sein wird. Ab Mittwoch ist es nämlich endlich soweit – dann beginnt mein 11 täger Meditationskurs in Nagarjuna Sagar, einer kleinen entlegenen Ortschaft etwa 150 km südöstlich Hyderabads (der Hauptstadt von Andhra Pradesh), welche übrigens an dem größten Stausee Indiens liegt. Nach diesen 11 Tagen werde ich noch 3 Tage in Hyderabad verbringen um mir endlich einmal in Ruhe die Stadt und die Projekte von Navajeevan (ja Navajeevan hat auch dort einen Standort) anzuschauen. Ich war zwar jetzt schon 2 Mal in Hyderabad, jedoch waren diese 2 Mal immer nur Kurzbesuche in welchen längere Sightseeing Touren leider nicht möglich waren. Nun, über Hyderabad wollte ich heute aber eigentlich gar nicht schreiben, ihr sollt nur wissen, dass ich von 4. bis 18. Juli nicht erreichbar sein werde.

Worüber ich eigentlich schreiben will, ist mein bevorstehender Meditationskurs. Manche von euch fragen sich vielleicht, wie ich auf die Idee gekommen bin, meine letzten Urlaubstage für einen Meditationskurs aufzubrauchen, bzw. was genau ich dort überhaupt machen werde. Gleich zu Beginn möchte ich -wie bereits in meinem letzten Blogeintrag erwähnt- auf die Homepage des Kursanbieters hinweisen (www.dhamma.org), auf welcher viele interessante Artikel zu finden sind (der englischen Sprache sollte man dafür halbwegs mächtig sein).
Mein Hauptbeweggrund für diesen Meditationskurs war der Gedanke an meine Rückkehr nach Österreich in nicht einmal mehr 2 Monaten, und wie nach meinem Jahr in Indien alles weitergehen wird. Es liegt eigentlich auf der Hand, wie es weitergehen wird: Studieren, Arbeiten, Studieren, Arbeiten, Studieren, Arbeiten. Ich fürchte es wird nach meiner Rückkehr nicht lange dauern, bis ich wieder einem gewissen Trott verfallen sein werde. Nicht falsch verstehen, ich freue mich schon darauf zu studieren, jedoch ist es nun einmal eine Tatsache, dass mit der alles in Anspruch nehmenden Herausforderung des Studierens bzw. der Mühsal eines zusätzlichen kräfte-, zeit- und nervenraubenden Nebenjobs, der Blick auf das eigentlich Wesentliche im Leben in Gefahr läuft, verloren zu gehen. Was ist das Wesentliche? Was das Wesentliche im Leben eines Menschen ist, muss wohl jeder für sich selbst definieren, für mich wäre es wohl einerseits Glaube, Familie, Freunde, wie andererseits auch einfach Ich sein zu dürfen, das Leben zu leben und es in all seiner Vielfalt (andere Menschen, andere Philosophien, andere Kulturen,...) entfalten und auf sich wirken zu lassen, und dadurch kennen zu lernen. Klar, Ausbildung ist wichtig, das möchte ich hiermit überhaupt nicht in Frage stellen, aber das, was unsere Gesellschaft mit ihrer unaufhörlichen Forderung nach Leistung heute zu sagen scheint, ist, dass Ausbildung und Arbeit im Leben eines Menschen das Einzige ist, dem es die volle Konzentration bzw. die oberste Priorität zu schenken gilt. Nun, inwiefern hat das jetzt mit meinem Meditationskurs zu tun? Zum einen geht es natürlich um das Kennenlernen von etwas Neuem bzw. um die extraordinäre Erfahrung die mir bevorsteht und auf die ich schon sehr gespannt bin. Jedoch mache ich hier auch so, wenn ich zu meiner Arbeit mit Straßenkindern gehe, außergewöhnliche Erfahrungen, lerne nach wie vor ständig Neues kennen. Allein Indien zu besuchen, wenn auch nur für kurze Zeit, ist bereits ein einprägendes Erlebnis. Im Wesentlichen hat meine vorherige philosophische Abhandlung über das Problem des heutigen gesellschaftlichen Leistunsprinzips mit dem Meditationskurs damit zu tun, dass ich davon überzeugt bin, während dieses Kurses etwas kennenzulernen, dass viele Menschen -speziell in unserer westlichen Welt-, jeden Tag aufs Neue aufgrund der einen vereinnehmenden Arbeit oder aufgrund alltäglicher Sorgen um Geld, Miete etc. oder sei es aufgrund des allgegenwärtigen Konsums der in unserer Gedankenwelt unbewusst eine immer wichtigere Rolle spielt und einem heutzutage beinahe schon aufgewzungen wird, vermissen: das schlichte Mensch sein. Das schlichte, unbekümmerte Ich sein.

Und damit komme ich auch gleich zu dem, was ich während meines Kurses machen werde: Nicht nachdenken. Mich nicht ablenken lassen. Mich nicht beeinflussen lassen. Mich nicht sorgen. Nicht planen. Sondern einfach Ich sein. Vollständige Ruhe erleben, kennen lernen, entfalten lassen. Meinen Fokus auf mich legen und den Raum mit leerer Zeit füllen. Während diesen 11 Tagen werde ich die Philosophie des Vipassana kennenlernen, welche dem Menschen dabei helfen soll, Ruhe und Gelassenheit im Alltag zu entwickeln, bzw. Schmerz und Unruhe in der Seele verrauchen zu lassen. Bei Vipassana handelt es sich nicht um eine religiöse Praktizierung, sondern um eine überkonfessionelle, rein physische Übung! Der Körper ist mit der Seele verbunden, das ist eine Tatsache von der ich ebenfalls absolut überzeugt bin. Im Wesentlichen werde ich während meines Meditationskurses üben, meinen Fokus, mit einem geleerten, klaren Kopf, auf meinen Körper zu legen, um so zu lernen, aufkeimenden Zorn oder Frust, mit einer gezielten körperlichen Präventiv - Reaktion (u.a. richtiger Atemtechnik), erst neutralisieren und anschließend verrauchen lassen zu können. Dies alles dient dem Zweck, in schwierigen Situationen des Lebens mehr Gelassenheit zu entwickeln und dadurch weniger Leid zu erfahren. Der Kurs ist kostenlos, und somit für jeden Menschen, ob arm oder reich, zugänglich. Wer will kann eine freie Spende nach dem Kurs geben. Eigene Zimmer sowie Verpflegung wird den Teilnehmern gratis bereitgestellt. Ins Leben gerufen wurde dieser Kurs, um dem Menschen völlig bedinungslos dabei zu helfen, mehr Frieden und Frohsinn im Alltag zu finden. Es nehmen Hinduisten, Buddhisten, Muslime wie auch Christen daran teil (da es sich, wie bereits erwähnt, nur um eine rein körperliche Übung handelt, lässt sich dieser Kurs mit jedem Glauben vereinbaren). Die Lehre des Vipassana ist eine uralte und lässt ihren Ursprung auf die Zeit Buddhas zurückführen; obwohl Vipassana also überkonfessionell ausgelebt werden kann, ist sie dennoch eine Lehre buddhistischen Fundaments. Selbst bin ich überzeugter Christ, doch bedeutet das nicht, dass ich deshalb den Lehren und Ideen anderer Religionen oder Philosophen nichts abgewinnen könnte. Ganz im Gegenteil. Speziell was andere Religionen angeht, halte ich es sogar für sehr wichtig, sich auch mit den Philosophien dieser auseinanderzusetzen; der Islam enthält genauso wie der Hinduismus oder Buddhismus Weisheiten und Lehren, die ich für sehr wertvoll und interessant halte.

Obwohl ich mich schon sehr auf den Kurs freue, bin ich dennoch Realist genug, um mir bewusst zu sein, dass diese 11 Tage nicht nur ein entspanntes Vergnügen sein werden. Jegliche Informationszufuhr ist untersagt (sei es durch das Lesen eines Buches oder das Spielen mit dem Handy), mit anderen Kursteilnehmern zu sprechen ist untersagt (außer zu einer bestimmten Zeit mit dem Lehrer), selbst den anderen in die Augen zu blicken ist untersagt. Man soll durch nichts abgelenkt oder gestört werden. Das Einzige, das man während seiner freien Zeit (also wenn gerade keine Meditations- oder Lehreinheiten auf dem Stundenplan stehen) tun kann, ist Wäsche zu waschen oder spazieren zu gehen. Während diesen 11 Tagen werde ich also von der Welt völlig abgeschnitten sein. Und auch für die Zeit nach dem Kurs, plane ich, zumindest für den restlichen Monat Juli, kein Facebook mehr zu benützen. Nach meiner Rückkehr nach Österreich werde ich vermutlich die ersten Wochen fast nur noch von einem Termin zum nächsten jagen, daher möchte ich die Ruhe hier noch voll und ganz auskosten.

Abschließend möchte ich jetzt noch schnell zu meiner vergangenen Woche zu sprechen kommen. Letzte Woche habe ich mit dem Street Presence Team am Bahnhof gearbeitet. Bei dem Team bin ich als 'Khan' bekannt, da sie sich entschlossen hatten, dass Konstantin wie auch Konsti zu kompliziert sei. Zusammen mit Konstantin (so nennen mich die Fathers), Konsti Brother (so nennen mich die Burschen in Vimukti), Chanti (so werde ich nach wie vor von einigen Kindern im Chiguru genannt), habe ich damit jetzt also schon 4 Namen in Indien. Naja mich kümmerts eigentlich nicht weiter, solange ich weiß wer gemeint ist. Jedenfalls war diese Woche sehr interessant. Es ist einfach eine kaum zu beschreibende Erfahrung, wenn man jeden Tag aufs Neue verwahrloste Kinder, die von überall aus Indien herkommen, klammheimlich aus Güterwaggons krabbeln sieht und Verstecke abgeht, zu welchen sich normaler Weise keiner hinbegibt weil diese von Müllbergen umgeben sind. Die Reaktionen die man erhält, wenn man solche Kinder anspricht, fallen sehr unterschiedlich aus. Manche sind sehr interessiert weil sie z.B. von der Möglichkeit zu essen erfahren. Andere wiederum bekommen panische Angst, wenn sie angesprochen werden. Ein Kind das, so wie wir von Freunden von ihm später erfuhren, schon ein paar Mal von Erwachsenen vergewaltigt wurde, fing bereits an zu heulen als es sah, dass wir auf ihn zugehen. Als wir dann trotz seines Heulanfalls weiter auf ihn zugingen, rannte er schließlich wie verrückt davon. Bei einem anderen Jungen erfuhren wir, dass er seit 5 Tagen nichts mehr gegessen hatte. Als wir ihn zum Shelter gebracht hatten, kümmerte ich mich natürlich sofort darum, dass er etwas zu Essen erhält. Einem kleinen Kind, das seit 5 Tagen nichts mehr gegessen hat, beim Essen zuzuschauen, ist eine Erfahrung die das Herz berührt. So schnell werde ich diesen Anblick jedenfalls nicht mehr vergessen. Und mir wird schlecht wenn ich daran denke, wieviel Essen wir bei uns in Europa wegschmeissen, wenn wir keinen Hunger mehr haben. Wer von uns könnte es jemals nachempfinden, was es bedeutet, so schmerzhaften Hunger zu haben? Das Bild von diesem Kind, wie es mit zittrigen Händen nach dem Reis (vermischt mit viel Wasser und Joghurt, da der zusammengezogene Magen das Essen sonst nicht verdauen hätte können) fasst und sich in den Mund stopft, könnte ich euch so, wie ich es gesehen habe, niemals wirklich nachempfindbar beschreiben.

Es gäbe noch einige weitere Beispiele, von denen ich euch erzählen könnte, jedoch muss ich jetzt leider zu einem Ende kommen. Wahrscheinlich habe ich wieder irgendwas, dass mir noch wichtig gewesen wäre zu erwähnen, vergessen. Aber wie auch immer, ich denke das Wesentliche ist gesagt.
Letzte Woche ist es übrigens wieder ein wenig wärmer geworden, der Monsun dürfte sich eine kleine Auszeit genommen haben (und mit ein wenig wärmer meine ich, was -so wie ich hörte- in Österreich als Rekord - Hitzewelle bezeichnet wird, also so ca 35 – 36 Grad... jemand, der an so manchen Tagen im indischen Sommer schon um die 48 Grad erlebt hat, kann Temperaturen um die 35 Grad beim besten Willen nicht mehr als Hitze bezeichnen).

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag, von mir hört ihr wieder in 3 Wochen mit einem (voraussichtlich) extra langen Erfahrungsbericht!

Sonntag, 24. Juni 2012

Neue Aufgabe, neues Wetter, neue Neuigkeiten


Neuer Blogeintrag. Über die letzten 2 Wochen. Wird wohl mal wieder Zeit zu resümieren. Es ist zwar erst 3 Wochen her, aber ich betrachte bereits mit einer gewissen Nostalgie die Fotos von meiner Himalaya Reise. Okay, natürlich ist nicht alles, was ich in dieser Zeit erlebt habe, als eine gute Erinnerung in meinem Gedächtnis geblieben. Wenn ich nostalgisch an die Zeit zurück denke, dann speziell an das Wandern durch die verschlafenen Wälder, an die still vor sich hin fliessenden Gletscherbäche und an die in eine geheimnisvolle Atmosphäre gehüllten, in den Wäldern versteckten, buddhistischen Tempeln und Pagoden. Nepalesische Kunst, sikkimische Kultur, naturverbundene Mönche. Das alles kennen gelernt zu haben empfinde ich als Privileg. Doch nun genug über meine Himalaya Reise. Wer ausführlicher von meiner Zeit im Norden lesen will, springe bitte zu den Fotos bzw. dem Bericht der letzten beiden Blogeinträge.

Also nochmal von vorne. Meine letzten 2 Wochen. Als allererstes kommt mir ein schlimmer Vorfall in den Sinn. Wieder ein Verkehrsunfall. Diesmal war ich allerdings nicht beteiligt. Etwa vor anderthalb Wochen trug sich dieser in der Nähe von Vimukti zu. Father Michael, einer der Leiter von Navajeevan, hatte Father Abraham, welcher -angeblich- nach einer Projektunterweisung bei Navajeevan anfangen sollte zu arbeiten, mein Projekt Vimukti gezeigt; sie befanden sich bereits auf der Rückfahrt, als es passierte: Wie man mir erzählte, rannte plötzlich ein Kind auf die Strasse, Father Michael weichte gerade noch aus und prallte dann allerdings mit voller Geschwindigkeit gegen einen Baum. Father Abraham verstarb später im Krankenhaus. Natürlich war es auch für uns Volunteers ein ziemlicher Schock davon zu hören, da wir Father Abraham in den letzten Wochen kennengelernt und auch immer mit ihm zusammen gegessen hatten. Seit diesem schlimmen Unfall herrscht jedenfalls eine sehr bedrückte Stimmung in der Projektzentrale. Father Michael passierte zum Glück übrigens nichts.

Das nächste Vorkommnis, welches ich als recht erzählenswert einstufe, ist ein Gespräch mit Father Arogya am Donnerstag. Es würde jetzt zu viel Zeit in Anspruch nehmen, um zu erklären, wie es dazu gekommen ist, aber ich arbeite jetzt jedenfalls für meine restliche Zeit in Indien mit dem Street Presence Team am Bahnhof von Vijayawada. Dass dem jetzt so ist, hat allerdings wirklich nichts damit zu tun, dass mir die Arbeit im Shelter nicht mehr gefallen würde; das ganz und gar nicht. Ich bin sogar ein wenig betrübt, nur 3 Wochen im Shelter gearbeitet zu haben. Aber meiner völlig neuen Aufgabe im Street Presence Team blicke ich dennoch mit einer gewissen freudigen Angespanntheit entgegen. Zwar habe ich im Dezember schon mal im Bereich Street Work gearbeitet, das aber nur für 1 – 2 Tage. Meine Aufgabe wird es jedenfalls sein, zusammen mit dem Team Strassenkinder anzusprechen und zu ermutigen, mit uns ins Shelter zu kommen. Der Bahnhof ist daher ein sehr geeigneter Ort um dieser Arbeit nachzugehen, da Vijayawada ein Verkehrsknotenpunkt in Südindien ist und täglich hunderte neue Strassenkinder in Vijayawada landen. Wann ich arbeite, darf ich mir selbst aussuchen. Es gibt 3 sogenannte `Slots`, also Zeiten, in denen das Street Presence Team zum Bahnhof geht – der erste Slot ist von 9 Uhr bis 17 Uhr, der zweite von 17 Uhr bis Mitternacht, und der dritte von 1 Uhr in der Früh bis etwa 6 oder 7 Uhr. Father Arogya meinte, er würde sich wünschen, dass ich alle 3 Slots ausprobiere. Der Gedanke um 1 Uhr in der Früh zum Bahnhof zu latschen und dort Strassenkinder- und jugendliche anzusprechen, behagt mir jetzt vielleicht im ersten Moment nicht gar sehr, allerdings werde ich ja nicht alleine dort sein. In der Gruppe sei die Angelegenheit `totally safe` - meinte zumindest Father Arogya.

Sonst gibt es gar nicht so viel mehr zu erzählen. Achja, doch noch etwas: ich kann es kaum glauben, dass übernächste Woche bereits mein Meditationskurs in Hyderabad anfängt. Bin schon ziemlich nervös deswegen. Wer gerne mehr darüber erfahren möchte, was ich genau dort mache, der besuche einfach die Homepage des Kursanbieters: http://www.dhamma.org/
Sehr lesenswert finde ich übrigens vor allem den Artikel `The Art of Living`. Kann ich nur empfehlen. Nächsten Sonntag, also kurz vor Beginn meines 11 tägigen Meditationskurses, werde ich im Blog noch genauer auf dieses Thema eingehen.

Ach und übrigens: Der Monsun ist da!!!  Bedeutet: Endlich keine 40 Grad Durchschnittstemperatur mehr, jede Menge Regen und viel angenehmer Wind. Die letzte Woche hat sich das Thermometer das eine oder andere Mal sogar schon unter die 30 Grad gewagt (dieses Wochenende ist es allerdings wieder heisser geworden). In den ersten beiden Juniwochen hatte der Sommer jedenfalls nochmal ganz besonders heftig zugeschlagen; an manchen Tagen hatte es sogar 48 Grad. Umso dankbarer bin ich, dass in der dritten Juniwoche endlich die erlösende Regenzeit begonnen hat.

So, heute komme ich mal ein wenig früher zum Schluss. Nächsten Sonntag melde ich mich wieder!

Namascaram und so

Samstag, 9. Juni 2012

Fotos von meiner Himalayareise und über meinen ersten Autorikschaunfall

So, heute gibt es, wie versprochen, die Urlaubsfotos zu sehen. Bevor ich die Fotos allerdings hochstelle, möchte ich noch kurz auf ein paar Begebenheiten in der letzten Zeit eingehen.
Zunächst: Das kommt jetzt vielleicht ein wenig überraschend, aber seit etwa einer Woche arbeite ich wieder im Shelter. Warum? Nun, wie ihr, meine treuen Blogleser, vielleicht noch wisst, fand zwischen Jänner und Mai das Field Work Programm statt, bei welchem wöchentlich, Burschen, direkt von der Straße nach Vimukti geholt wurden. Folge dessen war, dass die von der Straße geholten Burschen, teilweise noch unter Beeinflussung von Drogen, in Vimukti einzig eine Möglichkeit um zu schlafen und um dort etwas zu essen erkannt haben, jedoch nicht das geringste Interesse für die English Class oder andere Aktivitäten aufbrachten. Folge war viel Chaos und Frustration auf Seiten von Konrad und mir. Vor diesem Field Work Programm mussten die Burschen, nachdem sie von der Straße geholt wurden, erstmal für 45 Tage ins Shelter um dort zu zeigen, dass sie überhaupt Interesse an einem Projekt wie Vimukti bzw. an Neuorientierung in ihrem Leben haben. Nach diesen 45 "Probetagen" waren dann nur noch Burschen dabei, mit denen man auch wirklich konstruktiv arbeiten und für die man Aktivitäten vorbereiten konnte. Während der ganzen Zeit (also von Jänner bis Mai), in der das Field Work Programm aber nun lief, haben Konrad und ich immer wieder darauf aufmerksam gemacht (mit der Einstimmung aller Mitarbeiter in Vimukti), dass das Field Work eingestellt werden sollte. Was mit Anfang Mai dann tatsächlich auch geschah. Jedoch -> Mit Anfang Juni hat aus einem Grund, den mir keiner nennen kann, das Field Work wieder angefangen. Um zu zeigen, dass ich mit dieser Entscheidung nicht einverstanden bin, habe ich mich -mit der Zustimmung der Fathers- nun entschlossen, solange das Field Work Programm läuft, nicht mehr nach Vimukti zu kommen, sondern im Shelter zu arbeiten. Dass ich jetzt nur von mir, und nicht auch von Konrad geredet habe, liegt übrigens daran, dass dieser mittlerweile zurück in Deutschland ist. So, jetzt seid ihr wieder auf neuestem Stand.

Bevor ich nun zu den Fotos komme, noch kurz zu meiner vergangenen Woche: das Unterrichten im Shelter hat mir großen Spaß gemacht, lange schon habe ich nicht mehr so produktive Schüler bzw. Freude an der English Class gehabt (was nicht zuletzt auf das Field Work in Vimukti zurückzuführen ist). Spaß hat auch die Dancing Class gemacht, speziell da letzte Woche jede Menge Slum Kinder da waren, die total verrückt aufs Tanzen sind. Wie kleine Flummis sind sie über die Tanzfläche gefegt - von mir wurde dasselbe verlangt, weshalb ich am Ende auch total fertig war.
Weniger erfreuliches gibt es hingegen vom Freitag zu berichten. An jenem Tag hatte ich nämlich meinen ersten Autorikscha Unfall. Glücklicherweise ist nichts passiert, wofür ich mich wohl bei mindestens 10.000 Schutzengeln bedanken kann. Folgendes war passiert: Der Autorikschafahrer, wieder mal mit 10 verschiedenen Sachen beschäftigt nur nicht mit der Straße, bemerkt nicht, dass plötzlich aus der Nebenstraße ein Motorradfahrer hervorgeschossen kommt und direkt vor ihm stehen bleibt. Ich will ihn gerade darauf aufmerksam machen, doch bitte einen Blick auf die Straße zu wagen, doch das ganze geht viel zu schnell. Im letzten Moment blickt mein toller Fahrer zwar noch auf und reißt das Steuer nach links, doch kommen wir daraufhin in Schräglage und fallen schließlich komplett zur Seite. Da wir mit ziemlich viel Geschwindigkeit dahergekommen sind, schlittern wir aus vollem Tempel gegen einen Laternenmast. Der Mast rammt sich durch die Windschutzscheibe und das Dach hindurch. Mit dem Mast 5 Zentimeter vor meinem Kopf entfernet, kommen wir schließlich zum Stillstand. Wie versteinert blicke ich den Pfosten unmittelbar vor mir an. Ich klettere aus dem Wrack von Autorikscha und bin einfach dankbar noch am Leben zu sein. Nachdem der erste Schock überwunden ist, begebe ich mich auf die Suche nach meinen ringsum verstreuten Sachen. Eine Menschenmenge hat sich mittlerweile um uns gebildet. Der Autorikschafahrer, dem zum Glück auch nichts passiert ist, untersucht voll Fassungslosigkeit sein Gefährt. Die Inder schauen mir wie gebannt beim Einsammeln meiner Sachen zu. Ein Einziger hilft mir schließlich dabei. Wieder mal offenbart sich mir, dass Inder in ihrer Handlungsinitiative in kritischen Situationen wie diesen manchmal ziemlich eingeschränkt sind. Hauptsache der Weiße wird angestarrt wie er, aus dem Wrack krabbelnd, seine verlorenen Sachen aufsucht, anstatt vielleicht den Abschleppdienst zu rufen oder den Fahrer oder mich zu fragen ob es uns gut geht. Aber der Ärger über die Reaktion der Inder währt nur kurz. Ich bin einfach dankbar, dass außer dem Verlust von ein paar Unterrichtsmaterialien (die nämlich im Kanal gelandet sind), nichts weiter passiert ist.

So. Nun aber wirklich weiter zu meinen Urlaubsfotos:


Hinfahrt, im Durchgang (dort wo ich mich letzten Endes gezwungener Weise auch am meisten aufgehalten habe)


Kalkutta

Das Haus von Mutter Teresa

Ihr Grab

Bei der Howrah Bridge (der verkehrsreichsten Brücke der Welt)

Weiterfahrt nach New Jalpaiguri (an der Tür natürlich)

Ankunft und Weiterfahrt nach Kurseong

Kurseong

Die Ausläufer des Himalaya (ca. auf 1500 Meter)

Das Paradise Restaurant! Sieht doch echt paradiesisch aus

Mit der Toy Train auf nach Darjeeling




In Darjeeling (auf ca. 2200 Meter)! Meine Unterkunft - Andys Guesthouse

Mein super sauberes und gemütliches Zimmer



Bei einem Hindu Tempel (da findet übrigens keine Geburtstagsparty statt - das sind einfach alles Gebetsfahnen)


Eine Hindu Höhle!

Die malerische, buddhistische Bhutia Busty Gompa

 
Ein kleines Video um etwas von der Atmosphäre einzufangen, die diesen Ort umgeben hat



Momos! Zu gut für diese Welt...

In Darjeeling gab es unzählige von Läden mit den verschiedensten Auslagen (von tibetischer Schnitzkunst zu chinesischen, altertümlichen Waffen usw.)

Die Marktstrasse




Weiterfahrt nach Sikkim

Die (mehr als wackelige) Hängebrücke als Grenze zwischen West Bengal und Sikkim


Jorethang

Mein tolles Kakerlaken Hotel

erinnert schon fast ein bisschen an österreichische Natur

Mein super gemütliches Zimmer im total netten, freundlichen Kabur Hotel in Pelling



Und das war das Kabur von aussen... Zugang erfolgte über das oberste Stockwerk,ein Dachrestaurant 
Wandern durch die verschlafenen Wälder zu einem buddhistischen Kloster

Riiiesenglocke!
Mönchsjünglinge
Später, wieder zurück in Pelling, entdecke ich ein nettes, kleines, kaum besuchtes Restaurant in Pelling
Und was esse ich dort? - ein traumhaftes Chow Mein! Eine nepalesisch - chinesische Spezialität mit Gemüse, Eiern und Huhn.
Mein Hotel als ich dort am Abend wieder ankomme
Und so sah das Dachrestaurant meines Hotels von innen aus...
Ich entschied mich aber meinen letzten Abend auf der Terrasse ausklingen zu lassen
Sikkimisches Bier + ein spannendes Buch ... der perfekte letzte Abend
Und das ist mein Abendessen - ein Taipoo! Quasi ein Riesen Momo.... ein Stück Himmel auf einem Teller
Der nächste Morgen... auf dem Foto sieht man es leider nicht so gut wie in natura, aber hier lichtet sich endlich mal der Kanchenjunga, der dritthöchste Berg der Welt (der weisse Zacken hinter dem braunen Geröll)
Überglücklich war ich, ihn doch noch gesehen zu haben
Doch dann kam die Horrorückfahrt... ein recht beschreibendes Bild für diese
Schliesslich dann aber doch - im Zug zurück nach Vijayawada (für kräfteraubende 44 Stunden)