Und wieder haben wir Sonntag, und damit Stichtag um einmal
mehr von einer weiteren, eindrucksreichen, aufregenden Woche zu berichten.
Doch, noch kurz bevor ich zur letzten Woche mit meinen Chaoten in Vimukti
komme: Ich hoffe jeder, der bei dem Benefizkonzert für mein Projekt am Freitag
war, hat den Abend genossen und eine schöne Zeit gehabt – vielen Dank an jeden
Einzelnen der das Benefizkonzert besucht hat. Ganz besonders großen Dank auch
nochmal an die karitative Jugendgruppe SLOSH (Spread Love Or Stay Home), rund
um Theresa Driza, die diesen Abend möglich gemacht haben und so supter toll genial einzigartig -wie ich gehört habe- gestaltet haben. Jeder Euro, der an
diesem Abend gesammelt wurde, hilft, die Situation all der jungen Menschen, mit
denen ich täglich zusammen arbeite und auch in den anderen Teilprojekten von Navajeevan,
zu verbessern und gibt Hoffnung! Vielen, vielen Dank!
Nun zu meiner Woche: Als ich Sonntagabend in Vimukti ankam,
wurde ich unmittelbar nach meiner Ankunft mit Informationen bezüglich der
kommenden Woche geradezu überhäuft, da sich in dieser besondere Ereignisse
geradezu überschlagen sollten (die folgenden Informationen wurden mir so, wie
ihr sie gleich lesen werdet, letzten Sonntag von den Mitarbeitern 1:1 mitgeteilt;
bei der folgenden Auflistung handelt es sich also noch nicht um die tatsächlichen
Geschehnisse):
Am Dienstag sollte angeblich der Spender, der das Vimukti
Gebäude bezahlt hat, nachdem er extra aus England, Cornwall, angereist sei, zu
uns nach Vimukti kommen; außerdem sollten die Burschen aus dem Shelter einen
Ausflug zu uns machen.
Am Mittwoch sollte ein Picnic stattfinden -an diesem Tag sollte
es sich bei dem Wort Picnic tatsächlich um einen Ausflug handeln, zu welchem
gutes Essen mitgenommen wird; normaler Weise bedeutet Picnic einfach gutes
Essen und anschließendes Tanzen, mit Austragungsort auf dem Dach des Vimukti
Gebäudes-.
Am Donnerstag war in Indien ‚Republic Day‘ (Ausruf der
Republik fand in Indien am 26. Jänner 1948 statt) – für diesen Tag sollte mit
den Burschen ein Tanz eingeübt werden, da uns die Fathers aus Vijayawada
angeblich besuchen kämen. Außerdem sei besonderes Essen geplant.
Montag und Freitag sollten also die einzigen Tage mit
gewöhnlichem Ablauf diese Woche sein. Doch von einem „gewöhnlichen“ Ablauf
kann, zumindest bei Montag, nun wirklich nicht die Rede sein.
Ganz nebenbei bekam ich Sonntagabend auch zu hören, dass
mittlerweile wieder 2 neue Burschen zu uns ins Camp gestoßen sind -nämlich
Ramesh und Venkat-, und dass ein Bursche -nämlich Ginnar Sai- am Wochenende
abgehaut sei, sich der Straße nicht länger entziehen konnte. Eine, für die
aktuelle Situation in Vimukti, sehr beschreibende Information. Überwiegend
kommen natürlich mehr Burschen als das welche abhauen - dennoch ist es, wie ich
euch schon in den letzten Wochen erzählt habe, derzeit einfach ein ständiges
Auf und Ab mit der Anzahl der Burschen in Vimukti.
Nun aber weiter zu meiner Woche in Vimukti, und was sich in
dieser tatsächlich zugetragen hat -> kommen wir zunächst dazu, warum ich
den, bei meiner Ankunft für Montag angekündigten, „gewöhnlichen“ Ablauf, unter
Anführungszeichen gestellt habe (für Freitag wurde zwar ebenfalls ein
gewöhnlicher Ablauf angekündigt, jedoch bewahrheitete sich in diesem Fall überraschender
Weise die Ankündigung - daher muss hier auch nichts unter Anführungszeichen
gestellt werden).
Montag fing damit an, dass die Burschen, unter der Anweisung
von den beiden Mitarbeitern Kishore und Raja, bereits früh am Morgen begannen wie
verrückt das ganze Gebäude zu säubern, da ja am nächsten Tag der Spender aus
England, der das Gebäude in Vimukti bezahlt hat, zu Besuch kommen sollte. Ich
fuhr mit Sudharka, dem Camp Leiter, am Vormittag mit dem Motorrad nach Nuzvid (Nuzvid
ist die nächstgelegene, größere Ortschaft) – dort angekommen, gaben wir in
einem Grafikladen ein riesiges Plakat in Auftrag, das am nächsten Tag im
Eingangsbereich des Vimukti Gebäudes aufgehängt werden sollte um daran zu
erinnern, dass das Gebäude von eben diesem bereits erwähnten Spender, Canon
Peter Goodridge sein Name, bezahlt wurde: ‚Canon Peter Goodridge Memorial Enabling
Center‘ war der Aufdruck –> warum das Wort ‚Memorial‘ dabei stand, das mich
zwar ein wenig irritierte aber nicht weiter beschäftigte, sollte ich am
nächsten Tag erfahren. Danach lud mich übrigens Sudharka das erste Mal zu sich
nach Hause ein, wo mir Früchte und jede Menge zu knabbern angeboten wurde. Als
Sudharka und ich uns jedenfalls wieder auf dem Weg zurück nach Vimukti befanden,
erhielt Sudharka plötzlich einen Anruf, dass 3 Burschen -nämlich Rahul, Ramesh
und Akil-, abgehaut seien. Als Folge dieses Anrufs fuhren wir nun doch nicht
zurück nach Vimukti, sondern begannen die Gegend um Vimukti nach den Burschen
abzusuchen. Nach etwa einer Stunde lasen wir sie schließlich am Straßenrand auf
- Sudharka forderte sie auf, vor uns hergehend zurück nach Vimukti zu
marschieren. Dies ging nicht lange gut, denn, nach ein paar Minuten, und etwa
hundert Metern vor uns hergehend, huschten sie plötzlich in ein privates
Bananenstaudenfeld hinein. Ich lief ihnen hinterher. Ein wenig unbehaglich war
mir bei dieser Aktion schon zumute, da ich barfuß durch ein von Pflanzen
überwuchertes Feld lief, und sich in meinem Kopf unweigerlich das mögliche
Szenario eines Bananenspinnen Angriffs abspielte – speziell da die
Bananenstauden sehr dicht zu einander standen, und mir bei der Verfolgungsjagd
ständig Blätter ins Gesicht peitschten. Schließlich konnte ich sie jedoch
einholen, nur einen -nämlich Ramesh- allerdings
festhalten. Ramesh ließ sich daraufhin, völlig außer Atem, zu Boden sinken. Ich,
nicht minder außer Atem und ein wenig überfordert mit der Situation, entschloss
mich dann einfach kurzer Hand zu ihm zu setzen, und meinen Arm um ihn zu legen.
Zu reden hätte nicht viel gebracht, da er kein Wort Englisch sprechen kann.
Schließlich vergrub er sein Gesicht in seinen Händen und begann zu schluchzen. Bei
Ramesh und Akil war ich eigentlich weniger verwundert, dass sie versucht hatten
abzuhauen – bei Neulingen ist die Versuchung, wieder zurück zu ihren gewohnten
Umständen auf der Straße zu kehren, immer am größten. Bei Rahul war ich jedoch
sehr überrascht, er war nämlich mittlerweile schon 2 Monate in Vimukti, und bisher
fast immer einer von der eher braveren und umgänglicheren Sorte gewesen. Ihn
und Akil suchten wir jedenfalls nach der Aktion eine weitere Stunde lang.
Später sah ich den Besitzer des Bananenstaudenfeldes, sein Grundstück mit einer
Schrotflinte durchforsten – er war wohl auch ziemlich erpicht darauf, die
Eindringlinge zu fassen. Ich war nur froh, nicht mehr in dem Feld zu sein. Akil
wurde schließlich von Sudharka aufgegabelt. Rahul kam am Abend von selbst
wieder zurück nach Vimukti. Er meinte, Akil und Ramesh hätten ihn dazu angestiftet.
Was für mich nicht wirklich eine Entschuldigung war; auch Sudharka wirkte
sichtlich enttäuscht von ihm, und sprach mit ihm noch eine längere Zeit. An der
Stelle sei einmal wieder erwähnt, dass alle Burschen freiwillig zustimmen, bei dem
Rehabilitationsprogramm Vimukti mitzumachen. Man muss aber verstehen, dass es
sich bei diesen jungen Menschen um Abhängige, also Straßen- bzw.
Drogenabhängige, handelt. Speziell Neuzugänge verspüren in der Anfangsphase ganz
besonders diesen Drang, ihrem gewohnten Alltag -auf der Straße bzw. im Umgang
mit Drogen- wieder nachzugehen; darum hauen diese auch gerne mal ab. Sie wissen jedoch, eine Zeit lang bei diesem
Rehabilitationsprogramm mitzumachen, würde ihnen wirklich gut tun. Wir könnten
sie natürlich einfach gehen lassen, wenn sie mal wieder versuchen abzuhauen,
aber die, die es schaffen nach ihrer Zeit in Vimukti weiter in ein Schul- oder
Ausbildungszentrum zu gehen, sind im Nachhinein sehr dankbar, dass man sie für
diese Zeit einfach mal ihrem gewohnten Umfeld entzogen hat, damit sie sich neu
orientieren und sammeln konnten. Nun wieder weiter zu Montag. An Ereignissen
hatte der Montag mit dieser Aktion noch nicht ganz ausgedient – ebenfalls am
Vormittag dieses Tages stieß nämlich wieder ein neuer Junge in Vimukti dazu,
Ashok sein Name. Weiters wurde Prasand, welcher vorletzte Woche nach Vimukti
gekommen war, nach Nuzvid in eine Betreuungsstätte gebracht, da man sich einig
war, dass er dort besser aufgehoben sei. So, jetzt hat der Montag an
Ereignissen allerdings doch endgültig ausgedient. Weiter zu Dienstag.
Ich mit einem der Shelter Boys |
Für Dienstag möchte ich nicht groß um den heißen Brei herum
reden; es wurde mir schließlich klar, warum das Wort ‚Memorial‘ auf dem Plakat
mitgedruckt war -> kurz vor der vermeintlichen Ankunft des Canon Peter
Goodridge erfuhr ich nämlich, dass dieser schon seit ein paar Jahren tot sei.
An seiner Stelle würden allerdings seine ehemaligen Mitarbeiter -ebenfalls aus
England, Cornwall-, vorbeikommen. Es wäre jetzt kein Drama gewesen, hätte man
mich im Glauben gelassen, dass da jetzt wirklich gleich dieser Peter Goodridge
vorbeischaut; aber diese kleine Geschichte schien mir einfach mal wieder ein
recht passendes Beispiel, um den Hang der Inder, ungenau oder schlicht und
ergreifend falsch zu informieren, zu veranschaulichen. Zumindest beim Ausflug
der Shelter Boys kam es zu keinen weiteren Überraschungen, und der Tag wurde
ganz nett, auch weil 2 Volontäre, Martin und Marie, zu Besuch kamen
(Abwechslung dieser Art in der Abgeschiedenheit von Vimukti ist ein seltenes
und willkommenes Gut).
Mit den Burschen beim Picnic auf einer kleinen, idyllischen Tempelinsel |
Mittwoch. Mittwoch war eigentlich der einzige Tag, an dem
fast alles so zutraf, wie man es mir Sonntagabend auch angekündigt hatte. Bevor
wir jedoch zum Picnic losfuhren, kam es noch zu Aufregung. Zunächst hatte sich
Venkat, einer von den Burschen, der das Wochenende neu zu uns dazu gestoßen war,
in der Nacht davongeschlichen und konnte auch nicht mehr aufgefunden werden -
was ich sehr schade fand, da ich ihn sehr gerne hatte. Er war, ganz unüblich
für einen Vimukti - Neuzugang, sehr umgänglich und höflich, wenn auch die
meiste Zeit still und zurückgezogen. Vielleicht war auch genau das, das
Problem. Er wollte rein gar nichts über sich erzählen, was auch vollkommen okay
ist, schließlich war er gerade erst seit ein paar Tagen in Vimukti – manche
brauchen einfach Zeit, bis sie ein bisschen auf sich eingehen können. Ich denke
mit der Zeit hätte sich Venkat hier schon eingelebt; leider aber wollte er
einem Neustart in Vimukti keine Chance geben. Weiters für Aufregung sorgte
Sharef, als dieser sich nämlich beim Zwiebeln schneiden ziemlich tief in den
Finger schnitt und sehr rasch, viel Blut verlor. Vor ein paar Jahren hatte ich
in der Schule einen Erste Hilfe Kurs absolviert, von dem mir zwar nicht mehr
allzu viel in Erinnerung geblieben ist, von welchem ich mir jedoch noch ins
Gedächtnis rufen konnte, dass gegen stark blutende Wunden, Druck ausgeübt
werden sollte. Daher ließ ich ihn erst mal die Wunde auswaschen, um sie dann zu
desinfizieren und um anschließend einen Druckverband daran zu fixieren. Für die
Sanitäter unter euch: Sollte ich etwas in der Situation falsch gemacht haben, stehe
ich für Kritik gerne offen, da ich davon ausgehe, dass dies nicht meine letzte
Situation dieser Art in Vimukti gewesen ist. Der Verband musste noch drei Mal gewechselt
werden, da die Wunde so stark blutete. Leider kam Sharef erst zu mir, nachdem
er schon ziemlich viel Blut verloren hatte – ihm wurde also langsam aber sicher
schwindlig. Kurz bevor wir zum Picnic losfuhren kippte er dann um. Wir brachten
ihn sofort ins Krankenhaus und am selben Tag noch ging es ihm zum Glück wieder
gut. Zwei Stunden nach dem eigentlich ausgemachten Zeitpunkt für die Abfahrt
zum Picnic, fuhren wir schließlich, mit 2 gemieteten Rikschas, los -> diese
zwei Stunden Verspätung sind allerdings nicht Sharef zuzuschreiben; der wurde,
als wir uns mit den Rikschas auf dem Weg zum Picnic befanden, mit dem
Mitarbeiter Kishore, einfach beim Krankenhaus rausgelassen. Die zwei Stunden
Verspätung sind viel mehr mit dem Hang der Inder, den Stereotypen des ewigen
Zu-spät-dran-seins zu pflegen, zu erklären. Zunächst besichtigten wir jedenfalls,
-spontan und außerplanmäßig, wie es sich in Indien eben gehört- nach einer etwa
halb-stündigen Fahrt mit der Rikscha, einen Hügel auf welchem überall Jesus und
Marien Statuen aufgestellt waren. Die Christen unter den Burschen (wir haben
auch Muslime und Hindus in unserer Gruppe, die nicht zu dieser
Hügelbesichtigung hätten mitkommen müssen – es aber trotzdem getan haben)
blieben bei den Statuen dann immer stehen und beteten – wenn sie nicht gerade
vor Anstrengung keuchten, da die Erklimmung des vielleicht 100 Meter hohen
Hügels auch die Bewältigung von ein paar Stufen bedeutete, was bei -zumindest
manchen- körperlich besonders kaputten Burschen beinahe schon eine Dehydrierung
nach sich zog. Nach der Besichtigung fuhren wir, etwa eine Stunde lang, weiter
zu einem entlegenen, kleinen Tempel, welcher auf der einen Seite von malerischen
Reisfeldern, und auf der anderen Seite von einem im Sonnenlicht glitzernden,
kleinen See umgeben war – nur ein kleiner, holpriger Pfad führte zwischen den
Reisfeldern und dem See direkt zu dieser kleinen Tempelinsel. Dieses kleine
Örtchen, umsäumt von unmittelbar hinter den Reisfeldern und dem See sich
erstreckenden, gemütlichen, friedlichen Hügeln und verschlafenen, weiten Wäldern,
sowie akustisch eingehüllt von der leisen, gleichmäßigen Bewegung verträumter
Wellen und dem vergnügten Gezwitscher der Vögel, bot wahrlich die Möglichkeit, die
Seele baumeln zu lassen. Jedoch, bei dem Gebrüll und dem Herumgetobe, das die
Burschen während unserer Zeit dort veranstalteten, stellte sich die Möglichkeit
des Seele-baumeln-lassens als ein wenig hinderlich heraus - allerdings war
ich auch nicht mit der Erwartungshaltung eines bevorstehenden ruhigen,
gemütlichen Ausfluges hergekommen. Vor dem Essen spielten wir noch -wie könnte
es anders sein- Cricket, bzw. las ich nach dem Essen ein wenig in dem Buch das
mir Konrad vor 2 Wochen geborgt hatte. Ich streite nach wie vor mit mir selbst,
ob der Höhepunkt dieses Tages nun die einzigartige, in all seiner Schönheit sich
entfaltende Natur, oder ob der Höhepunkt das Essen war. Biryani Rice mit gerösteten
Nüssen, Chicken Curry und Chili-Zwiebel-Curd. Das Essen war jedenfalls ohne
Frage ebenfalls ein Erlebnis für sich. Leider gibt es viel zu selten dieses Gericht
in Vimukti – das letzte Mal gab es das zu Weihnachten. Jedoch -> jetzt wo
wir einen Hühnerstall in Vimukti gebaut haben -welcher auch schon bald von
Hühnern beherbergt werden soll-, klammere ich mich zunehmend an die Hoffnung, künftig
öfters dieses Gericht auf dem Teller vorzufinden. Schon bald nach dem Essen
fuhren wir jedenfalls leider wieder zurück. Ich resümiere: Nach einem eher
stressigen Vormittag, wurde der Tag zunehmend immer besser und schließlich
sogar ganz nett.
Ich beim Hissen der indischen Flagge |
Dem schlussendlich doch überwiegend netten, und entspannten Mittwoch,
folgte ein ziemlich verrückter Donnerstag. Es war der 26. Jänner und damit
Republic Day -> Ahok und Siva nahmen wohl die Botschaft der, mit der am 26.
Jänner 1948 in Indien ausgerufenen Republik, neuerworbenen Unabhängigkeit und
Freiheit, ein wenig zu wörtlich und hauten in den frühen Morgenstunden ab.
Nachdem ich aufgestanden und hinunter in den Eingangsbereich gegangen war, bot
sich mir ein seltsames Bild: mit einem verlegenen Kratzen am Kopf und einem
Runzeln der Stirn stellte ich fest, dass keiner da war. Kein Herumgetobe, kein
von allen Seiten einschlagendes ‚Good Morning Brother‘, keine Rauferei, kein
gar nichts. Mir war natürlich sofort klar, dass irgendetwas passiert sein musste. Ein paar Minuten später
kamen eine Handvoll Burschen beim großen Eingangstor zur Anlage hereinspaziert
und erzählte mir, dass Ashok und Siva abgehaut seien, und dass alle Burschen
ihnen nachgerannt seien um sie aufzuhalten. Offensichtlich mit Erfolg, da Ashok und Siva im Anhang mit ein paar
anderen Burschen ein wenig später in Vimukti eintrudelten. So fing der Tag mal
an. Gegen Mittag versuchte Ashok wieder abzuhauen. Diesmal gelang es ihm.
Speziell Raja (einer der Mitarbeiter) war, bzw. ist sehr verärgert über das
derzeitige, kopflose Verhalten der Burschen, und brüllte mal ein paar
Stunden mit ihnen herum. Weiters kamen natürlich keine Fathers aus Vijayawada
zu Besuch –so wie Sonntagabend angekündigt-, und es wurde auch nicht getanzt.
Nicht einmal das köstliche Frühstück, bei dem es Puri (gehört u.a. zu meinem
indischen Lieblingsfrühstück) zu essen gab, konnte die missmutige Stimmung auflockern.
Neben dem Frühstück war für mich das Hissen der indischen Flagge am Dach des
Gebäudes, das am Vormittag stattfand, das positive Highlight des Tages. Ich
fühlte mich sehr geehrt, dass ich das tun durfte. Die Burschen und Mitarbeiter
versammelten sich daraufhin vor der Flagge und sangen die indische
Nationalhymne. Was ich als eine sehr schöne Tradition erachtete. Und gleichzeitig
dachte ich mir auch, dass ich es eigentlich schade finde, dass nicht auch bei
uns in Österreich ein bisschen mehr Nationalbewusstsein am Nationalfeiertag
herrscht -> aber ich muss mich da natürlich auch selber an der Nase packen,
da auch ich in der Vergangenheit der historischen Bedeutung dieses Feiertages
nicht gerade besonders viel gedachte. Nun, das war es weitestgehend vom
Donnerstag. Weiter zum letzten Tag der Woche.
Freitag war, wie bereits schon erwähnt, der eigentlich
einzig normale Tag; ganz ohne sonderliche Vorkommnisse. Einzig erwähnenswert scheint
mir, dass in der Nacht von Donnerstag auf Freitag wieder 3 Burschen -Ramesh,
Iru und Akil- versucht haben abzuhauen. Raja, einer der Mitarbeiter, ist die
Nacht über allerdings wach geblieben und hat daher den Ausbruch verhindern
können. Weiters sind uns an diesem Tag in Vijayawada 3 Volontäre aus Vishakhapatnam
besuchen gekommen.
Abschließend möchte ich noch kurz erwähnen, dass wir
Volontäre letzten Sonntag, von dem Lassi Mann, Uncle Pivy, bei dem wir uns am
Wochenende immer Lassis (das ist so ein süßes Milchgetränk) kaufen gehen und
der seinen Stand direkt neben unserer Volontärs Unterkunft hat, zur Hochzeit
von seiner Tochter eingeladen wurden. Bin schon wahnsinnig gespannt auf meine
erste indische Hochzeit!
Soweit zu meiner doch etwas strapazierenden Woche. Bereits
mit einer gewissen Sehnsucht blicke ich dem Urlaub mit meiner Familie, also mit
meinen Eltern und meiner Schwester, Ende Februar entgegen. Jetzt heißt es
wieder für eine Woche ab ins Chaos. Und obwohl ich mich zur Zeit doch etwas
ausgelaugt fühle, so freue ich mich trotzdem schon wieder auf meine Burschen
diese Woche. Das ungewisse und mulmige Gefühl, das in den ersten Monaten jeden
Sonntag bevor ich nach Vimukti gefahren bin, in mir hochgekommen ist, ist langsam
aber sicher geschwunden. Obwohl es Vimukti noch immer Woche für Woche schafft
mich zu überraschen, trete ich mittlerweile viel aufgeschlossener und
aufgeklärter meine Arbeit an. Aber mal sehen womit Vimukti meine
Aufgeschlossenheit diese Woche wieder ins Wanken geraten lässt.
Euch wünsche ich jedenfalls eine erfolgreiche und schöne
Woche.
Liebe Grüße aus Indien
Konstantin