Leider muss ich mich heute ausnahmsweise einmal etwas kürzer
halten. Die Zeit steht mir einfach nicht ausreichend zur Verfügung. Dennoch
erscheint es mir von Wichtigkeit, euch heute wieder zu schreiben, da auch diese
Woche wieder ein paar erwähnenswerte, verrückte Dinge in Vimukti vorgefallen
sind.
Doch bevor ich mit einer kurzen, punktuellen Erzählung auf
diese eingehe, möchte ich noch schnell erwähnt haben, dass mittlerweile all die
Sachen, für die ich Spenden gesammelt habe, endlich fertiggestellt wurden.
Speziell der Wasserfilter und der dazugehörige ‚Watercooler‘ ließ lange auf
sich warten. Seit letzter Woche steht dieser allerdings endlich in Vimukti zu Verfügung – was auch höchste Zeit war, da
es mittlerweile unaushaltbar heiß geworden ist und die Wassertanks, die erst
mühsam aus dem nächsten Dorf hergeschleppt werden mussten, schnell wieder leer
waren. Bilder von dem Wasserfilter und dem schon seit ein paar Wochen voll im
Einsatz stehenden neuen Foodvan, werde ich nächste Woche hochstellen. Bilder von
der neuen Cricket Ausstattung und den neuen Sportuniformen, die ebenfalls durch
eure Spendenunterstützung ermöglicht wurden, habe ich schon vor ein paar
Monaten hochgestellt.
Nun zu meiner Woche: Wie schon erwähnt, werde ich mich jetzt
einfach kurz und prägnant den Highlights widmen:
Highlight Nr. 1:
Als ich am Dienstag nach Vimukti kam (Montag blieb ich noch in Vijayawada, da
es mir nicht so gut ging), stellte ich seufzend fest, dass wieder ein großer
Haufen an Neuzugängen eingetroffen war. Seufzend deshalb, weil ich schon seit
Wochen, nein seit Monaten, zusammen mit Konrad gegen das ‚Field – Work‘
Programm, zumindest so wie es aktuell stattfindet, protestiere. Das Konzept des
‚Field – Work‘ Programms besagt, dass jede Woche ein Vimukti - Mitarbeiter mit
2 von den Burschen auf die Straße fahren soll, um Straßenkinder anzusprechen
und zu ermutigen, mit ins Vimukti zu kommen. Eigentlich hört sich das ja ganz
gut an, aber zum einen haben wir in Vijayawada bereits ein Street Presence
Team, welches Straßenkinder anspricht und ermutigt, mit ins Shelter zu kommen, und
zum anderen hat das alte Konzept, bei welchem die Buben erst für ein paar
Wochen im Shelter unter Beobachtung stehen sollten um zu zeigen, dass sie auch
wirklich Interesse an einem Orientierungsprogramm wie Vimukti haben, einfach
viel besser geklappt. Bei diesem Konzept hatten wir damals dann auch
tatsächlich eine funktionierende Gruppe, bei der wirklich eine Art
Neuorientierungsprozess zu arbeiten schien. Beim aktuellen Konzept kommen
ständig neue Buben, die eigentlich überhaupt kein Interesse an den Aktivitäten
haben, die wir für sie vorbereiten und die die ganze Stimmung runterziehen. So
lässt sich einfach keine Gruppe die zusammen hält finden; ständig gibt es
Anspannungen innerhalb der Gruppe, andauernd prügeln sich die Burschen unter
anderem um die Alphamännchen Stellung innerhalb der Gruppe. Dennoch bleibt die
Anzahl der Burschen konstant, da jede Woche Burschen weglaufen. Und ich kann es
nachvollziehen. Auf diese Art und Weise kann eben keine Entwicklung und
Veränderung stattfinden.
Nun, ganz so punktuell war das eben erwähnte ‚Highlight‘ nun
wohl doch nicht; dennoch war es wichtig, auf das eben erwähnte Thema
einzugehen, da das Bescheid wissen dieses Themas zum Teil aufbauend für die
nächsten Highlights sind.
Highlight Nr. 2: Mittwochabend
fühlte sich einmal wieder Kooti in seiner ‚Autorität‘ von Prasad Kumar
untergraben. Es folgte eine Rauferei. Soweit nichts Unübliches. Jedoch geschah
dann etwas, das auch für mich eine erschreckende und neue Situation war. Prasad
Kumar lief zu dem Mitarbeiter Kishore und erzählte ihm, dass Kooti ihn
geschlagen hätte. Kooti brannten in diesem Moment alle Sicherungen durch. Er
nahm einen großen Stein und hämmerte damit auf Prasads Kopf ein. Hätte Kishore
nicht sofort eingegriffen, so erzählte er mir zumindest später, wäre Prasad nun
vermutlich tot. Kooti schrie wie am Spieß als ihn Kishore wegdrängte und griff
auch Kishore an. Nur unter großer Mühe konnte Kishore ihn festhalten. Als ich
bei dem Spektakel eintraf, hatte der Mitarbeiter Raja, der Kishore quasi
ablöste, Kooti bereits unter Kontrolle gebracht. Nach wie vor aber schrie und
heulte Kooti wie verrückt. Nun, so etwas kann eben geschehen, wenn man jede
Woche aufs Neue eine Gruppe drogen- und straßenabhängiger Jugendlicher
zusammenwürfelt. Irgendwann kommt dann ein Bursche dazu, der sich überhaupt
nicht mehr unter Kontrolle hat und der es auf einen anderen Burschen abgesehen
hat.
Highlight Nr. 3: Donnerstagvormittag
sah ich das erste Mal eine wilde, große Giftschlange. Sie war etwa 2 ½ Meter
lang, knallgelb und hatte sich in der Vorratskammer eingenistet. Als die
Burschen sie entdeckten, war natürlich die Hölle los. Inder HASSEN Schlange
mehr als alles andere. Auch die beiden Mitarbeiter Kishore und Raja kamen zur
Vorratskammer und bewaffneten sich mit Äxten und Stöcken. Die Schlange wurde
regelrecht niedergemetzelt. Später erzählte mir Kishore, dass das Gift dieser
Schlange, innerhalb von ein paar Stunden zum Tod führen würde. Und diesmal
glaubte ich ihm das sogar irgendwie, da die Schlange wirklich ziemlich giftig
aussah. Leider konnte ich keine Fotos mit meiner Kamera machen, da ausgerechnet
diese Woche das Ladegerät kaputt gehen musste… jedoch habe ich wenigstens ein
paar Fotos mit meinem Handy gemacht, welche ich hier zwar leider nicht hochladen
kann, aber zumindest nach dem Jahr jedem zeigen kann.
Highlight Nr. 4: Meinen
ersten Skorpion bekam ich auch endlich zu Gesicht! Mehr gibt es hierzu
eigentlich nicht zu sagen, da er nicht besonders groß war und auch nicht sehr
giftig aussah. Irgendwann krabbelte er davon.
Highlight Nr. 5: Donnerstagmittag
sperrten sich 4 von den Burschen im Schlafsaal ein, um einen Jungen, auf den
sie es einfach spontan abgesehen hatten, zusammenzuschlagen. Der Junge schrie
wie am Spieß, und erst nachdem ich eine Minute schreiend gegen die Tür
gehämmert hatte, hörten sie auf und öffneten die Tür. Der Junge war ziemlich
zugerichtet und völlig verheult. Es war nicht das erste Mal, dass der Bursche
verprügelt wurde. Wahrscheinlich war es auch nicht das letzte Mal - sollte er
überhaupt noch morgen Abend, wenn ich wieder nach Vimukti fahre, dort sein.
Dieses Wochenende habe ich einmal ein Gespräch mit Antu, dem
offiziellen Verantwortlichen für Vimukti, geführt und im klar gemacht, dass das
‚Field – Work‘ Programm endlich eingestellt werden muss. Er verstand mein
Anliegen und stimmte mir auch zu. So wie es alle Navajeevan Leiter tun, wenn
ich mit ihnen darüber rede. Leider geschieht aber einfach nichts. Das einzige
was ich tun kann, ist unablässig darauf aufmerksam machen, was da falsch läuft,
und hoffen, dass sich irgendwann mal was ändert. Natürlich bin ich aber
mittlerweile schon ein wenig frustriert, da einfach wirklich nichts geschieht.
So, das war es mal wieder. Schlussendlich ist der Eintrag ja
doch wieder länger geworden als wie geplant. Aber so ist es irgendwie immer bei
mir. Mir fällt dann zwischendrin einfach noch so viel Erwähnenswertes ein.
Nun, das war es jedenfalls jetzt wirklich.
Bis nächstes Wochenende!