Sonntag, 30. Dezember 2012

Zum Jahresabschluss: Ein paar Gedanken zum drüberstreuen


Oberflächlich gesehen hat dieser Blogeintrag eigentlich nicht wirklich was mit Indien zu tun. Andererseits kann man die sich gleich entfaltenden Gedanken zum Teil als im Affekt meines Einsatzes entstanden betrachten. Es ist mir ein Anliegen, gerade in der Weihnachtszeit, über dieses Thema - Freude, Gelassenheit bzw. Konsum, Kommerz, Verbitterung - zu schreiben.

Ganz grundlegend sei einmal festgehalten, dass es der Mensch eigentlich nicht nötig hätte, sich diesem gesellschaftlichen Massenritual des Einkaufs-, Besorgungs- Dekorationswahns in der Weihnachtszeit hinzugeben. Ein Muster, ein Gedanke, wie Weihnachten gelebt, zelebriert werden sollte, ist das. Wenn ein Muster, ein Gedanke aber zur Tradition wird, dann fügt man sich in diese gesellschaftliche Gepflogenheit, ohne sie vielleicht überhaupt gutzuheißen. Insgeheim schwellen in einem Schuldgefühle, Frust über das System und diesen Kommerzwahn. Man könnte es schließlich auch ohne Geschenke, ohne Baum, ohne Lichterketten verbringen. Es ist eigentlich alles total überflüssig. Vermutlich muss man differenzieren zwischen Weihnachten und z.B. so Sachen wie dem allabendlichen Fernsehen nach der Arbeit, das schließlich „nur zur Entspannung“ da ist.
Mal ganz allumfassend betrachtet stimmt wahrscheinlich mit fast allen Produkten die heute auf dem Markt zum Verkauf angeboten werden, sei es ein Spielzeug, eine Lichterkette, was zu essen - völlig egal - irgendwas nicht. Und es offenbart sich einem in jederlei Hinsicht was mit all den tollen Angeboten in den Geschäften nicht stimmt – ganz gleich ob in sozialer Hinsicht (dass z.B Menschen in einem Entwicklungsland bei der Erzeugung ausgebeutet, übergangen, ausgenutzt werden), in ökologischer Hinsicht (dass z.B ein Produkt vom anderen Ende der Welt eingeflogen wird, da es einfach günstiger ist als es vom regionalen Landwirten zu bestellen), in wirtschaftspolitischer Hinsicht (dass z.B. ein indischer Konzern tonnenweise Reis täglich ins Ausland exportiert während die eigene Bevölkerung verhungert). Geh durch ein Einkaufszentrum und hinterfrag mal bei jedem einzelnen Produkt was es wohl für eine Geschichte zu erzählen hätte. Und das Ausmaß wäre einfach nicht zu fassen, wie sehr diese Welt doch in den Grundfunktionen ihres Systems falsch ist. Einfach falsch. Damit sei mal zumindest die Außenschale dieses Elefantenthemas, auf welches ich jetzt nicht weiter eingehen werde, vorsichtig angeschnitten. An der Stelle sei gesagt: Ich schreibe hier keine große Offenbarung. Jeder weiß in Wirklichkeit schon längst darüber Bescheid. Ich gehe nicht davon aus hier irgendjemandem die Augen zu öffnen, etwas Neues zu erzählen. Aber auch mit dem Wissen darüber wie die Welt funktioniert verändert sich für einen nichts wesentlich; weil es keine Alternativen zu dieser Welt gibt, zu diesem Leben. Man kann natürlich versuchen sein Leben zu einem gewissen Punkt umzukrempeln, nur noch Lebensmittel vom örtlichen Bio Bauern kaufen, kein Rindfleisch mehr essen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, für eine ordentliche Dämmung im Haus sorgen usw. Und es wäre sicherlich ein gutes Beispiel für Mitmenschen, seinen Lebensstil auf diese Weise zu verändern. Gleichzeitig feiert man dann ja aber doch jedes Jahr Weihnachten, man kauft doch ein Produkt beim Billa weil es der Bio Bauer nicht führt, man geht doch in ein Kleidungsgeschäft eines korrupten Konzerns weil man sonst nirgends einen halbwegs leistbaren Wintermantel findet.

Ich komme jetzt an einen Punkt an dem ich in diesem Eintrag eine große Spalte machen möchte. Ich habe zwei Möglichkeiten als gewissenhafter Mensch mit dieser Situation umzugehen.
Zur ersten Möglichkeit: Verbitterung. Ich habe eine Familie zu versorgen, mit meinem monatlichen Gehalt komme ich gerade so um die Runden. Ich kann mir Produkte eines Fair Trade Ladens, eines Bio Bauerns einfach nicht leisten. Ich habe nicht die Mittel um in dieser Welt moralisch sein zu können. Auch eine Möglichkeit damit umzugehen ist von Vorneherein zu hinterfragen was moralisches Handeln in dieser Welt überhaupt für einen Stellenwert haben/  für einen Unterschied machen kann. Es wäre letzten Endes ja doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Welt ist nicht mehr zu helfen. Beides läuft jedenfalls auf dasselbe Gefühl heraus -> Verbitterung.

Zur zweiten Möglichkeit: Ich habe begrenzte Mittel, aber gelernt die Welt zu akzeptieren wie sie ist. Es ist zwar nicht viel was ich für eine bessere Welt beitragen kann, aber immerhin kann ich ja auch einfach mal damit anfangen kein Essen mehr wegzuschmeißen. Das ist schließlich auch was oder? Der Welt ist nicht mehr zu helfen? Scheinbar ist das tatsächlich für viele Menschen eine Erklärung/ eine Entschuldigung dafür warum sie auf jede Ethik, jede Moral pfeifen. Ich aber jedenfalls finde meinen Mittelweg zwischen Moral/ einer gewissen Verpflichtung die man der Welt gegenüber einfach hat, und Gelassenheit/ Freude am Leben. Und hierbei erweist sich Gelassenheit/ die Freude als ausschlaggebender Punkt.

Die Grundaussage meines Textes ist bisher eine eigentlich ziemlich düstere: Der Welt ist nicht mehr zu helfen, das System funktioniert nicht, der Mensch ist gewissenlos. Und auch wenn all das bis zu einen gewissen Punkt der Wirklichkeit entspricht, so ist es wohl dennoch keine Lösung sich von diesem Gedanken tagein tagaus fertig machen zu lassen. Ohne Zweifel; auf was für einer Welt wir leben muss jeder Mensch realisieren lernen. Aber gleichzeitig ist eine mit Lichterketten behangene Hausfassade in einer schwarzen Winternacht wunderschön anzusehen. Und vielleicht hattest du einen miesen Tag und der Anblick dieser Lichterketten erfüllt dich mit zumindest ein bisschen Freude. Oder verdrängst du doch lieber schlagartig alle Freude, da dir in den Sinn kommt wie viel Strom diese unnötigen Dinger fressen? All den Mist, den wir jeden Tag durch Nachrichten, Zeitungen aus der Welt aufsaugen, ist durch reine Gedankenarbeit nicht verarbeitbar. Wir können die Last der Information nicht tragen. Es verbittert und zehrt an uns. Daher nochmal mein vorheriger Punkt: wir brauchen etwas an dem wir uns wieder wie Kinder freuen können. Ich habe mal wo gelesen, wir sollen so einfältig wie Tauben, und doch so klug wie Schlangen sein. Ich war in der Weihnachtszeit in einem Einkaufszentrum einkaufen, weil ich einfach wusste dass dort das perfekte Geschenk für die und die Person zu finden ist. Bin ich deswegen ein schlechter Mensch? Weil ich mich diesem Gesellschaftsritual hingegeben, und vielleicht die Kinderarbeit in einem Entwicklungsland mit meinem Einkauf gefördert habe? Ich versuche Kommerz und überflüssigen Konsum in meinem Leben so gut wie es nur geht zu vermeiden – aber gleichzeitig will ich mir keine Schuldgefühle einreden müssen wenn ich zu Weihnachten jemanden eine Freude mache. Ich will mich abseits all des Mists der Welt wie ein Kind über den Weihnachtsbaum freuen können. Es macht mich nicht erwachsener mit „aufgeklärter“, verbitterter Miene den Kindsköpfen zuzusehen, die sich über Geschenke freuen. Meine Zeit ist zu begrenzt, um mir die traurige Ursprungsgeschichte eines jeden Produktes, das zu Weihnachten verschenkt wurde, vor Augen zu führen. Ich leiste meinen Beitrag für diese Welt, so wie ich es für richtig halte – verkrampft das System, in all seinem Wahnsinn, abzulehnen ist mir aber keine Option. Auch wenn etwas in mir sich manchmal nichts sehnlicher wünscht als genau das zu können. Es einfach abzulehnen und am besten in irgendeine abgelegene Berghütte in den Alpen zu ziehen und nur von der Natur zu leben.

Vielleicht ist all das, was ich hier schreibe, zu subjektiv. Vielleicht kann man nicht verallgemeinernd aussagen „die Last der Information, der Mist der Welt ist durch reine Gedankenarbeit nicht verarbeitbar“. Vielleicht kannst du all das sehr wohl verarbeiten, und verbitterst nicht mal dabei. Ich selbst habe mit meinen Mitmenschen (inklusive mir) andere Erfahrungen gemacht, darum schreibe ich darüber – ich weiß für mich selber, dass ich z.B. die Information, in den USA seien 20 Kinder bei einem Amoklauf erschossen worden, gedanklich nicht einfach so verarbeiten und abstempeln kann. Es zerreißt mir das Herz daran zu denken. Und ich verdränge nicht, wenn ich trotz dieser Information versuche, mich zu Weihnachten einer kindlichen Freude hinzugeben. Nein. Ich versuche nicht zu verdrängen, ich versuche zu überstehen. Diese Welt zu überstehen.

Auch wenn ich das letzte Mal meinte, keinen Blogeintrag mehr schreiben zu wollen, so musste dieses Thema wohl einfach noch raus. So ganz kontrollieren lässt sich dieser "Schreibdrang" eben nicht immer. Wie auch immer, ich wünsche jedenfalls noch einen guten Rutsch ins neue Jahr und frohe Feiertage.

Viele liebe Grüße,

Konstantin

1 Kommentar:

  1. Einfältigkeit und Ignoranz ist ein angenehmer Polster auf dem es sich gut und bequem schlafen lässt.
    Die Erkenntnis ist aber manchmal ein Kaktus auf dem man sich nicht betten kann, außer man breitet die Decke der Liebe Gottes darüber aus.

    Ein ereignisreiches Neues Jahr wünscht dir
    Roland

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