Samstag, 19. November 2011

Das Drama um den fehlenden Winter


Winterzeit. Oft habe ich mir in den letzten Wochen anhören müssen, was für einen wunderschönen Herbst ich dieses Jahr in Österreich verpasse. Und irgendwie tut es mir auch wirklich leid, dieses Jahr keinen vor lauter gelben, orangen und roten Laubblättern leuchtenden Arnold Schönbergpark gesehen zu haben; nicht langsam miterlebt zu haben wie sich der Tag immer früher seinem Ende zuneigt, der Wind einem immer eisiger um die Ohren pfeift und dass sich immer mehr Leute nur noch mit Mäntel und Mützen auf die Straßen begeben. Manche Leute werden sich vielleicht fragen, warum ich denn ausgerechnet sowas wie eiskaltem Wind nachsehne, doch, das hat schon so seinen Grund -> zunächst habe ich den Herbst schon immer sehr gerne gehabt, und außerdem: Ist man von manchen Sachen nur lange und weit genug entfernt -und seien es selbst unangenehme Sachen wie z.B. eisiger Wind- und erlebt jeden Tag aufs Neue genau das Gegenteil davon -in dem Fall die herunterknallende Sonne-, dann beginnt man auch diesen Sachen nachzusehnen. Das Wertvolle an der Erfahrung in der Fremde ist, unter Anderem, die Wertschätzung die man beginnt zu entwickeln, die Wertschätzung gegenüber vielen Sachen die man zu Hause hat und hier nicht. Und sei es eiskalter Wind. Das trifft jetzt natürlich nur speziell auf mich zu, ich kann da nicht für jeden Menschen sprechen; manche können diese Hitze sicher auch ertragen. Ich tue es jedenfalls mittlerweile nicht mehr. Ich brauche Schnee und eiskalten Wind Ende November. Auch wenn in Mödling, zumindest bis jetzt, wahrscheinlich noch nicht sehr viel Schnee gefallen ist. Aber wenn schon ein wunderschöner Herbst in meiner Abwesenheit, dann muss zumindest auch ein wunderschöner Winter stattfinden dieses Jahr.

Es tut schon ein bisschen weh über diese Dinge nachzudenken, aber ich sollte ihnen auch nicht zu viel Bedeutung schenken. Es drängen sich von Zeit zu Zeit ohnehin immer wieder gewisse Begebenheiten in den Vordergrund, die zwar nicht immer positiv sind, mich aber wenigstens von dem Gedanken an zu Hause ablenken. Letztes Wochenende zum Beispiel beherrschten ein paar ärgerliche, organisatorische Vorfälle meine Gedanken: Das neue Camp in Vimukti hätte schon längst anfangen sollen (nach aktuellem Stand soll es übrigens kommenden Donnerstag anfangen, habe ich zumindest gestern so erfahren - vorgestern hieß es noch Montag), eine riesige Telefonrechnung wurde meinen Eltern zugeschickt obwohl ich nicht einmal mit irgendjemanden telefoniert habe (nach wie vor besitze ich nur die österreichische SIM Karte, habe diese nach dem Vorfall aber jetzt einfach endgültig aus dem Handy getan; eine indische SIM Karte zu besorgen ist leider eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, ich hoffe aber in nächster Zeit ist das endlich erledigt), zusätzlich scheint es unmöglich ein wichtiges Fax nach Österreich zu verschicken, da der Besitzer des einzigen Fax - Standes den ich gefunden habe zu mir meinte , er könne kein internationales Fax verschicken... das zieht sich jedenfalls immer so dahin mit den Dingen die einfach nicht zu klappen scheinen und sich mir in den Weg stellen. Ich möchte jetzt auch nicht wie jemand erscheinen, der an allem etwas auszusetzen hat, aber ich musste jetzt einfach mal festgehalten haben, wie anstrengend die Situation hier manchmal sein kann - vorallem wenn einem so unnötiger Zusatzballast wie der eben erwähnte angehängt wird. Indien ist anstrengend. Aber das habe ich auch nicht anders erwartet. Und irgendwie komme ich auch schon mit meiner Situation klar. Es ist ja zudem nicht so, als ob die Begebenheiten, die mich von dem Gedanken an zu Hause ablenken, nur negativer Natur wären - das ganz und gar nicht.

An eine Begebenheit, an die ich mich nach wie vor sehr gerne, und mit einem gewissen Schmunzeln, zurückerinnere, ist eine Begebenheit von letzten Montag. Ich befand mich gerade auf dem Weg vom Shelter zurück ins Flat, als plötzlich ein Fahrradrikscha - Fahrer begann neben mir herzufahren, und mir zusprach, doch in seiner Rikscha Platz zu nehmen. Ich lehnte dankend ab, doch der Mann wollte mich unbedingt mitnehmen und meinte er würde es sogar gratis machen, da er sowieso in meine Richtung müsse. Ich stieg zu ihm ein und begann mich mit ihm zu unterhalten. Leute aus diesem doch etwas untereren Gewerbe, sprechen für gewöhnlich nur sehr brüchiges bis gar kein Englisch - doch der Rikscha Fahrer konnte sich sehr gut ausdrücken und ich verstand jedes Wort. Wir unterhielten uns sehr gut; er erzählte mir auch, er würde Schlapfen reparieren, und dass ich zu ihm kommen solle, wenn meine kaputt gehen sollten. Zum Schluß lud er mich sogar noch zu einem Chai Tee ein. Ich habe den Mann noch nie davor gesehen, und obwohl er von einer sehr anstrengenden Arbeit bzw. von dessen Hungerlohn lebt, lädt er mich auch noch zu etwas ein. Das war einfach mein persönliches Highlight dieser Woche. Auch, weil ich sehr darüber nachdenken musste bzw. nach wie vor darüber nachdenken muss, wie ein Mann, so am Rande der Gesellschaft, und der mit so viel zu kämpfen haben muss, es in so einer Situation schafft, sich und seine Probleme einfach auf die Seite zu schieben und einem wildfremden Menschen bedinungslos eine Freude zu machen. Ich glaube darin steckt eine gewisse Lebensweisheit, und mir hat es auch gezeigt, dass ich mich von den paar organisatorischen Problemen nicht beherrschen lassen sollte - sie sind es einfach nicht wert. Mir hat dieses Erlebnis auch die Augen geöffnet, wie kurz unsere Zeit hier auf der Erde doch eigentlich ist, und wie wir uns dennoch die meiste Zeit mit im Endeffekt so vielen nebensächlichen, unnötigen Sachen wie zum Beispiel Sorgen um Geld beschäftigen, sie zu einem Großteil unseres Lebens machen lassen. Dabei geht es darum überhaupt nicht.Um was es wirklich geht muss jeder für sich selbst herausfinden. Für mich habe ich festgestellt, dass es nicht um einen selbst, sondern um die anderen Menschen geht, und nicht um das was die Welt zu unserem Lebensmittelpunkt machen will. Aber das verliert man in der heutigen Zeit leicht aus den Augen.

Dieser letzte Montag war jedenfalls der schönste Wochenbeginn seit langem. Allerdings war es auch schon vor dieser Begegnung ein ziemlich ereignisreicher Tag: Am Vormittag wurden 2 neue Don Bosco Einrichtungen eröffnet, und wir mussten natürlich dabei sein und uns ewig irgendein Gequatsche auf Telugu anhören. Die erste Einrichtung wurde dann eingeweiht, indem einige Leute Kokosnüsse an einem Stein aufschlugen und sie zur beweihrauchten Gründungstafel legten. Für mich folgte dann noch ein Handshake und ein kurzer Smalltalk mit dem Stadtratvorsteher (so etwas in der Art dürfte dessen Funktion sein). Alles in allem war in der letzten Woche dieser Montag, aus rein ereignistechnischer Sicht, mit Sicherheit am aufregendsten. Erwähnenswert scheint mir auch noch, dass ich gestern, bei meiner allwochenendlichen Stadtbesichtung, ein cooles, neues Lokal entdeckt habe, und dort auch bis Abend mein Wochenende mit Kaffee und dem Buch Siddharta genossen habe. Für den Rückweg habe ich, da ich mich doch ein ganzes Stück weit entfernt befand und ich mal einen neuen Weg ausprobieren wollte, dann zwar fast 1 1/2 Stunden gebraucht, doch das war es allemal wert, da ich es selbst nach 2 1/2 Monaten Indien noch immer faszinierend finde, abends in der Stadt unterwegs zu sein. Es ist einfach sehr spannend zu sehen wie sich die Inder ihren Abend gestalten. Es scheint fast so, als ob sich niemand zu Hause sondern auf der Straße befinden würde um entweder seiner Arbeit nachzugehen, um ein kleines Nickerchen zu machen oder um sich einfach so mit Freunden zu unterhalten. Es ist alles so... lebendig. Das wäre bestimmt für jeden Menschen aus dem Westen einzigartig zu erleben und zu sehen. Diese Energie, die einen umgibt wenn man mitten durch das Geschehen wandelt, kann man nicht wirklich mit einer Beschreibung versehen, man kann sie nur spüren.

Langsam aber sicher muss ich leider wieder zu einem Ende finden. Ich wünsche euch allen in der Heimat einen schönen Winter und wenn ihr eine Möglichkeit findet, ein bisschen Schnee so aufzubewahren, dass man es auch zu mir nach Indien verschicken kann, dann... dann... nun ich finde nicht die passenden Worte um auszudrücken wie sehr ich mich darüber freuen würde, aber ich würde mich jedenfalls sehr freuen ;P.
Noch einen schönen Sonntag und liebe Grüße aus Indien

Konsti

3 Kommentare:

  1. Hi Konsti,

    ich kann ja durchaus nachvollziehen, dass Dir nach all Deinen Erlebnissen in Indien, die vertrauten Dinge aus der Heimat abgehen und Du sogar meinst, dir würde der eisige Herbstwind abgehen.

    Lass mich - als echter Wiener, der gern grantelt - Dich trösten und zurück in die Realität holen:
    Wer immer Dir erzählt hat, dass wir einen schönen Herbst hier in Österreich haben - vergiss es. Auf den Bergen vielleicht (da ist es laut Wetterbericht warm mit strahlendem Sonnenschein). Aber in den Tieflagen, dh in Wien (und ich nehm mal an auch in Mödling, das ja jetzt nicht gerade als El Dorado für Alpinisten gilt) haben wir seit drei Wochen eine einzige Nebelsuppe.

    Visibility = Zero (vom Fußballplatz in Alt Erlaa aus kann man nicht mal den ersten Wohnblock erkennen). Wennst ausm Fenster schaust is alles grau in grau - wenn du nicht gerade vor einer Ampel stehst leuchtet hier weder etwas orange noch rot oder gelb. Es schaut einfach immer gleich fad aus - egal ob Du um 9:00 in der Früh oder um 15:00 am Nachmittag aus dem Fenster schaust.

    Außerdem ist es saukalt. -3°C heute Vormittag in der Innenstadt und die U-Bahn kommt mit diesen Witterungsbedingungen so schlecht zurecht, dass ich vermutlich mit einer Rikscha auch nicht länger in die Arbeit bräuchte.

    Summa summarum: Genieß die Hitze und die Natur in Indien - hier (zumindest was den Großraum Wien betrifft) hast Du im November noch gar nichts versäumt (einziger Lichtblick war freilich, als die Austria am Samstag Admira mit 3:0 abgefertigt hat; Rapid hat übrigens Salzburg mit 4:2 besiegt und liegt jetzt nur 2 Punkte hinter der Austria auf Platz 3 - aber das weißt du ja sicher eh schon, es sei denn du bist nur noch Cricket-Interessiert, aber davon geh ich mal nicht aus).

    Also, schöne Woche wünsch ich Dir, vielleicht fängt das Camp ja wirklich mal an...

    LG aus dem Nebel,
    Ronny

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  2. Lieber Konsti,

    Ich muss Ronny da zustimmen: Absolut nichts von schönem Herbst, auch nicht in Mödling.
    Vielleicht waren ein-, zwei sonnige Tage, der Rest war Nebel, Regen, Kälte.

    Und bisher noch kein Flöckchen Schnee, was Wien und Mödling angeht.

    Und noch etwas: Leider hätte ich keine Ahnung wie man dir ein wenig Schnee schicken könnte *lach*

    So, bin grade etwas unter Zeitdruck, ein andermal schreib ich vielleicht mehr.

    LG, Eva

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  3. Hahaha.. also, ein gewisses Schmunzeln konnte ich mir jetzt bei dieser 180 Grad Korrektur, was das heimische Wetter anbelangt, nicht ganz verkneifen. Habe schon gehört, dass es in den letzten Wochen ziemlich neblig zuging, speziell im Raum Wien.
    Mein Eintrag bezog sich aber auch mehr auf Herbst - Erfahrungsberichte die vom September, Oktober bzw vielleicht auch Anfang November stammen. Diese Erfahrungsberichte von einem wunderschönen Herbst kamen mir bei dem Eintrag nur speziell deshalb in den Sinn, weil ich zur Zeit einem kühleren, milderen Wetter, dem aktuellen, unerträglich heißen Wetter in Indien ganz klar den Vorzug geben würde ;P.
    Ich akzeptiere jedenfalls die Korrektur - dem Wetter in Österreich wird künftig nicht mehr so nachgesehnt, versprochen!

    Das mit Rapid habe ich übrigens auch schon gehört. Wurde ja auch Zeit, dass die beiden Wiener Klubs mal wieder die Oberhand in der Liga haben (gut zur Zeit ist Admira noch Führer, aber wir wissen dass so kleine Fische am Ende ja doch nichts zu sagen haben). Freu mich schon auf Berichte eines spannenden Saisonfinales.

    Lg Konsti

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