Sonntag, 27. November 2011

Verzögert aber doch - endlich geht es los!! (Diesmal auch wirklich)


Kommenden Donnerstag beginnt tatsächlich schon der Dezember - Zeit des Advents, Zeit der Stille, Zeit der Familie. Zumindest in der Heimat. Zwar wird auch in Indien Weihnachten gefeiert, aber das natürlich auf eine völlig andere Art und Weise wie bei uns; eine ruhige Zeit steht mir im Advent jedenfalls gewiss nicht bevor. Auch meine Familie wird mir speziell in dieser Zeit sehr abgehen. Genauso wie das gemeinsame Kekse backen, Weihnachtsfilme anschauen, Punsch trinken, Geschenke besorgen, Lichterketten aufhängen,... Nostalgie schwellt in meiner Brust heran. Zumindest kann ich mir hier Weihnachtsmusik über das Internet anhören. Aber was ist das für ein Gefühl White Christmas von Bing Crosby zu hören während einem draußen im Wind heißer Sand an den Ohren vorbeipfeift, die Ziegenhirten erschöpft vor lauter Hitze unter einer Palme liegen und man selbst nur damit beschäftigt ist die Minuten zu zählen bis der Stromausfall wieder vorbei ist um sich wieder unter einen Ventilator stellen zu können? Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Aber ich sollte wahrscheinlich nicht von Anfang an dieser Zeit gegenüber so missmutig sein. Vielleicht wird früher oder später ja doch sowas ähnliches wie Weihnachtsstimmung in mir hochkommen. Nur, wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann wird das auf jeden Fall ein völlig neues und anderes Gefühl als das, das ich jedes Jahr beim Käsegebäck backen bzw. Lichterketten aufhängen und dem gleichzeitig dazu singenden Wonderful Christmastime von Paul McCartney hatte. Es ist nicht leicht, aber ich versuche mich dieser Möglichkeit, auf eine neue Art und Weise Weihnachten zu entdecken, zu öffnen. Dennoch, ein wenig Misstrauen dem gegenüber ist auf jeden Fall nicht ganz wegzubekommen wenn man, so wie ich, schon eine fixe Vorstellung von einer perfekten Weihnachtszeit bzw. einem perfekten Weihnachtsfest hat. Diese Zeit wird jedenfalls nochmal eine gewisse Prüfung für mich, aber ich bin mir eigentlich recht sicher, dass ich, sobald diese Zeit hinter mir liegt, mit Heimweh viel besser umgehen werden kann. Gut, nach Weihnachten folgt dann noch Silvester, mein Geburtstag, Ostern, usw. - aber diese Ereignisse sind mir eigentlich alle nicht so wichtig wie Weihnachten. Aber genug von Weihnachten. Es gibt auch noch von Anderem zu erzählen.

Am Montag kamen uns Volontäre aus Hyderabad besuchen. Tobias aus Deutschland, sowie Anna und Theresa aus Österreich - die letzteren 2 sogar von derselben Organisation wie ich stammend, also von Jugend eine Welt. Von ihrem Besuch wusste ich erst ab dem Moment Bescheid, als sie am Dienstag um halb 2 in der Früh (in etwa so spät dürfte es da gewesen sein) mit meinen Volontärs Kollegen, die für ein paar Tage in Hyderabad waren und unsere Gäste dort auch gleich abgeholt haben, in unser Flat eintrudelten. Das erstaunliche an ihrem Besuch war jedenfalls, dass an dem Tag, also Donnerstag, an dem sie sich Konrad und mein Vimukti - Projekt anschauen wollten (obwohl dieses bis zu diesem Zeitpunkt ja noch immer nicht angefangen hatte), das Projekt tatsächlich anfing! Schon am Vorabend hatte Konrad von der Neuigkeit gehört, dass das Camp am nächsten Tag anfangen solle - ich hielt es dennoch zunächst für ein leeres Gerücht von vielen, wie wir in den letzten Wochen schließlich schon viele dieser Art gehört hatten. Aber als dann am nächsten Tag, um 15 Uhr, tatsächlich 7 Burschen im Camp ankamen, hatte sich jeder Zweifel endgültig gelegt. Kommende Woche sollen dann noch mehr Burschen kommen. Ich bin schon sehr gespannt und kann es noch immer kaum glauben, dass das Camp nun tatsächlich angefangen hat. Es hat mir in der Zwischenzeit schon ziemlich gefehlt - die gute Luft, die vielfältige und einzigarte Natur, die Möglichkeit Sport zu machen, die herrlichen Früchte,... hingegen nicht ganz so gefehlt haben mir die Hunderttausend Viecher im Zimmer, und auch dem Essen wurde jetzt nicht gerade sehr bitter nachgesehnt. Zwar schmeckt das Essen in Vimukti eigentlich nicht so schlecht, aber wenn man es schon gewöhnt ist unter der Woche das Essen in der Volontärs Zentrale genießen zu dürfen, dann braucht es einfach ein bisschen Zeit bis man sich dem wieder entwöhnen kann. Die Küche bzw. die Vorratskammer in Vimukti ist sowieso so eine Sache, ich erinnere mich wie mir Konrad erzählt hat, dass er am Ende des letzten Camps eine verweste Ratte aus der Vorratskammer entfernen musste. Ich erinnere mich auch Dutzende Ratten in der Küche schon gesehen zu haben. Dass dort immer und ausnahmslos einfach alles gekocht wird -auch das Frühstück-, ist quasi unsere Lebensversicherung. Aber wie auch immer, ich denke ich werde mich an das Essen trotzdem schnell wieder gewöhnen können - die Freude, dass das Camp wieder angefangen hat, ist klar am überwiegen. Ich freue mich schon auf den Unterricht und die Aktivitäten, die wir geplant haben. Kommende Woche wird wohl noch ein Kennenlernprozess auf Seiten der Burschen stattfinden, aber auch einfach bei diesem als unterstützende Kraft einfach zur Seite stehen zu können, freue ich mich schon. Vermisst an Vimukti habe ich übrigens auch gewisser Weise die Hin- und Rückfahrt. Es ist zwar schon auch mühsam, immer so lange hin und her zu fahren, aber in Indien unterwegs zu sein -ganz gleich jetzt ob mit der Rikscha oder dem Bus oder dem Zug- ist einfach immer ein Erlebnis. Und obwohl ich nach wie vor diese Erlebnisse aufregend finde, so war ich mir dennoch mittlerweile sicher, mich könne auf diesem Bereich nichts mehr überraschen. Doch falsch gedacht. Am Freitag fuhren Konrad und ich mit einem 'Luxury Bus' zurück nach Vijayawada. Wir zahlten jeweils 3 Rupie für dieses 'Luxury' - Erlebnis auf das normale Busticket drauf, um festzustellen, dass 'Luxury' bei Fahrzeugen in Indien scheinbar völlig verbeult und das Fehlen der Windschutzscheibe bedeutet. Ich saß während der ganzen Rückfahrt vorne neben dem Fahrer, der kein Wort Englisch konnte, was aber in dem Fall wohl auch keinen Unterschied gemacht hätte, da man ihn aufgrund des Lärmes sowieso kaum verstand. Der Fahrer wirkte jedenfalls ziemlich verrückt, er war völlig aus dem Häuschen von Konrad fotografiert zu werden und schien durch unsere Anwesenheit zusätzlich angespornt, möglichst verrückt zu fahren. Wenn er mich ansah wie ich bei einer Kurve, die er übertrieben schnell fuhr, in die jeweilige Richtung geschleudert wurde, dann fand er das unheimlich lustig und fing laut zu lachen an. Ich war jedenfalls anfänglich stark dazu geneigt, mich nur kurz zu ihm nach vorne und dann wieder zurück auf meinen Sitzplatz zu setzen, da es mich auf meinem normalen Sitzplatz bei einem Unfall -der sich vor meinen Augen mit ziemlicher Sicherheit anbahnte- weniger schwer erwischen würde. Manchmal schaute er einfach mal für eine Minute oder so auf sein Handy; oftmals fuhr uns in dieser Minute direkt ein Fahrzeug entgegen, und ich war mir nie ganz sicher ob er jetzt darauf reagieren würde oder nicht. Im letzten Moment tat er es jedenfalls zum Glück doch immer. Ich entschied mich mit der Zeit jedenfalls, obwohl ich wusste dass ich bei einem Unfall wohl einfach geradewegs aus dem Bus herausschießen würde, doch vorne sitzen zu bleiben. Einfach weil es ein unvergleichliches Erlebnis war, bei einer Abwärtsfahrt, sich am Sitz festkrallend, durch das riesige Luftloch zu starren und zu merken, wie es einem den Magen anhebt. Nach einer halben Stunde fing schließlich das Adrenalin an, doch ein wenig zurückzugehen und ich wurde entspannter. Ich steckte mir Kopfhörer ins Ohr und genoss zu der Filmmusik von Avatar jeden einzelnen Moment dieser unvergleichlichen Fahrt. Die 3 Rupie Draufgabe waren diese Fahrt auf jeden Fall wert. Nach einiger Zeit machte der Fahrer eine Geste, dass er mit mir mithören wolle, und ich steckte ihm den zweiten Stöpsel ins Ohr. Ich zeigte ihm ein paar Lieder, am erfreutesten reagierte er aber ganz klar zu französischem Hip Hop. So schnell werde ich diese Fahrt jedenfalls nicht vergessen.

Abschließend noch muss ich über eine Begebenheit berichten, über die ich mich zwar überwiegend freue, bei der ich aber, wenn ich darüber genauer nachdenke, dennoch unweigerlich den Kopf schütteln muss. 3 Monate habe ich darauf gewartet, mir endlich eine indische SIM Karte besorgen zu können. Diese Angelegenheit ist deshalb eine ziemlich komplizierte, weil man als Ausländer alle möglichen Papiere braucht um sich eine SIM Karte beschaffen zu können. Unter anderem braucht man eine ID Card von Navajeevan. Nun, es hieß diese ID Cards wäre nun für jeden Angestellten bei Navajeevan in Auftrag gegeben, und bräuchten noch eine 'gewisse Zeit' bis sie fertig wären. Hieß für mich eine ungewisse Zeit lang zu warten. Vor ein paar Tagen kam ich jedoch auf die Idee, einfach einen der College Boys, die in der Volontärs Zentrale schlafen, zu fragen, ob er mir nicht bei der Beschaffung einer solchen SIM Karte behilflich sein könnte - das müsste doch auch einfacher gehen, dachte ich mir. Tatsächlich zückte daraufhin der besagte College Boy, Manu sein Name, plötzlich eine SIM Karte und meinte er bräuchte diese nicht mehr. Daraufhin passte er sie noch auf mein Handy an und - erledigt. So kann es eben auch laufen in Indien.

Ach, und noch eine letzte Sache dir mir gerade einfällt: Letzten Montag habe ich einen Bluttest machen lassen, um mich mal durchchecken zu lassen, da ich seit meiner Ankunft in Indien fast wöchentlich erkrankt bin -meistens ist es nicht ernstes, aber normal schien mir das trotzdem nicht-. Bei diesem Bluttest stellte sich jedenfalls heraus, dass ich eine doppelt so hohe Anzahl an einer bestimmten Zellenart in meinem Blut habe, die ich maximal haben dürfte. Diese hohe Zellenanzahl sorgt jedenfalls dafür dass ich so anfällig bin auf Krankheiten. Mein Magen scheint auch allergische Reaktionen zu zeigen auf den Staub, die Luft, das Essen,... Der Volontärsarzt hat mir jedenfalls jede Menge Medikamente gegeben, die ich jetzt täglich zu mir nehmen muss. Jetzt am Wochenende hatte ich zwar wieder Schwierigkeiten mit dem Magen, aber ich habe auch nicht erwartet, dass diese Medikamente von heute auf morgen wirken. Hört sich alles ziemlich schlimm an, ist es aber nicht. Ich habe mich mit der Zeit schon daran gewöhnt, ständig irgendwas zu haben; meistens war es zudem, wie schon gesagt, eh nichts Schlimmes.

So, langsam aber sicher muss ich nun wirklich zu einem Ende finden. Ich wünsche euch in der Heimat eine gesegnete Adventszeit und schon möglichst bald eine schöne, dicke Schneeschicht (zumindest würde ich mir eine solche wünschen).

Liebe Grüße aus Indien

1 Kommentar:

  1. Hi Konsti,

    du schreibst richtig gut ... wenn auch richtig viel ...

    ich wünsch dir frohe Weihnachten unterm Ventilator!

    lg
    Dominik

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