Samstag, 31. März 2012

Die Kinderdorf Hochzeit


Heute ist Sonntag, der 1. April. Wieder liegt eine ereignisreiche Woche hinter mir. Eine Woche voller Eindrücke, voll schöner wie auch verdrießlicher, lustiger wie auch zermürbender, spannender wie auch schockierender, lehrreicher wie auch schwer zu verdauender. War dem seit meiner Ankunft Ende August 2011 überhaupt mal nicht so gewesen? Nun ja, die einen oder anderen Wochen gab es natürlich auch schon, in denen das Erlebte fast nur positiver, bzw. negativer Natur war. Diese Woche erlebte ich jedenfalls wieder den typisch abwechslungsreichen, indischen Wahnsinn. Den ich irgendwie wieder viel bewusster erlebe, seitdem mich meine Familie Anfang März besucht hat. Viele Dinge waren für mich schon zu einem selbstverständlichen, gewohnten Teil meines Lebens geworden, bevor meine Familie kam und mir mit ihren Reaktionen auf Indien wieder die Augen öffnete. Mit viel bewussterem und offenerem Sinn erlebe ich seitdem zum Beispiel auch wieder meine allwöchentliche Fahrt nach Vimukti, bei der ich, Sonntagabend, nachdem die Sonne schon untergegangen ist und ich eine 1 ½ stündige Busfahrt zurückgelegt habe, in der Stadt Nuzvid, einem Rikschafahrer in brüchigem Telugu klar machen muss, dass er mich zwar in Richtung des Dorfes Votti Gudi Padu bringen soll, auf halbem Wege jedoch in der Nähe der Navajeevan Gardens (so bezeichnen die Einheimischen das Vimukti) aussteigen lassen soll. In der Nähe der Navajeevan Gardens angekommen -nachdem ich in einer überfüllten Share Rikscha ca. 20 Minuten lang neben 3 Indern auf dem offenen, ausklappbaren „Kofferraum“ (dieses ausklappbare Teil als Kofferraum zu bezeichnen ist zwar am naheliegendsten, doch wirkt der Begriff so absurd wenn man dabei an unsere europäischen Kofferräume denkt) eingezwängt die Fahrt verbracht habe-, und anschließend den restlichen, unbeleuchteten Weg -ein schwer zu befahrener, von der Monsunzeit zugerichteter Dschungelpfad-, unter einem atemberaubenden Sternenzelt, umgeben von Palmen und Mangobäumen und einer Geräusch Kulisse, die jeder Urwaldgeräusche CD spottet, mit einer Taschenlampe entlang zu spazieren ist ein Erlebnis, dass meine Gefühlswelt mit Eindrücken und Gedanken flutet, und sich nicht einmal ansatzweise in Worte kleiden lässt. Unglaublich woran sich ein Mensch alles gewöhnen kann. Ich hatte mich jedenfalls auch an dieses Erlebnis gewöhnt, es als Teil meines Lebens begonnen selbstverständlich zu nehmen. Mit offenen Augen und reflektierendem Sinn durch solch eine Zeit zu gehen, hilft sehr, die Zeit so wertzuschätzen, wie sie es verdient hat. Und das versuche ich, die restlichen Monate die ich noch hier verbringe, auf jeden Fall mehr als wie in den vorherigen Monaten, zu tun.

Diese Woche war ich nur 2 Tage in Vimukti. Montagabend erfuhren Konrad und ich, dass wir zu einer Hochzeit eingeladen wurden, die am Mittwochvormittag im Kinderdorf Chiguru stattfand. Folglich fuhren wir bereits Dienstagnachmittag nach Vijayawada. Die zwei Tage die ich aber in Vimukti war, hatte ich den Eindruck, dass die Arbeit mit den Burschen allmählich bergauf geht. Nach wie vor müssen wir zwar natürlich noch immer viel herumschimpfen damit uns mal wer zuhört, aber wir machen Fortschritte. Als Fortschritt betrachte ich zum Beispiel auch die Tatsache, dass ich nicht mehr in meinem Zimmer von außen eingesperrt werde (das ist bei indischen Türen leider möglich). Als ich das letzte Mal in meinem Zimmer eingeschlossen wurde, war ich gerade aufgestanden und wollte mich zum Sportplatz begeben, da ich an dem Tag für den Morgensport mit den Burschen eingeteilt war. Ein wiederholtes an-der-Tür-rütteln, ließ mich schlagartig meiner Situation besinnen. Alle Burschen waren bereits auf dem Platz und warteten auf mich (natürlich bis auf den einen Schuldigen, der mich eingeschlossen hatte und sich ins Fäustchen lachte). Nachdem ich nicht kam, übernahm ein leicht verärgerter Raja meine Aufgabe. Nach viertelstündigem Schreien und Türgehämmere hörte man mich schließlich endlich am Platz und kam um mir zu öffnen. Es war 7 Uhr in der Früh, ich war erst vor 20 Minuten aufgestanden und niemand hätte meinem Blick ausgesetzt sein wollen, nachdem mir die Tür geöffnet wurde. Ich schaute den Burschen an, der mir geöffnet hatte und fragte nur kurz und scharf „Evaru?“ (=Wer?) – der Junge starrte mich mit großen Augen an und zeigte auf den Platz, auf welchem die anderen Burschen versammelt waren. Für manch einen mag mein Verhalten, und das was jetzt noch kommt, vielleicht ein wenig überzogen scheinen, doch war es nicht das erste Mal, dass dies vorgekommen war, und freundliches Zureden hatte, so wie fast immer, offensichtlich nicht viel gebracht. Also schritt ich mit dunkler Miene zum Platz wo die Burschen gerade mit Raja und Kishore, welcher sich spontan hinzugesellt hatte, Streckübungen machten. Und nochmal -diesmal jedoch mit erheblich lauterem Ton- fragte ich „EVARU?“. Betretenes Schweigen. Ja, der sonst so friedfertige Brother war sauer. Ich fragte Kishore ob er mich übersetzen kann, und legte los mit einem Vortrag über mangelnden Respekt, Konsequenzen, wann es mit dem Spaß vorbei ist, usw. Nach meinem Vortrag kam jeder Bursche einzeln zu mir hergerannt und entschuldigte sich 10 Mal „Sorry Brother, my sorry Brother!“ - obwohl ich eigentlich nur von dem Schuldigen eine Entschuldigung erwartet hätte. Natürlich war dies nicht das erste Mal gewesen, dass ich mit den Burschen lauter geschimpft hatte; ich bringe dieses Beispiel deswegen, weil das eigentlich mein erster und einziger Vortrag gewesen war, der wirklich Wirkung gezeigt hatte – niemand traut sich mehr seitdem mich von außen einzusperren. So einen Vortrag müssten Konrad und ich eigentlich mindestens einmal die Woche halten, wenn ich es mir recht überlege. Denn das mit dem fehlenden Respekt, und dass die Burschen nie wissen wann genug ist, ist eigentlich das Hauptproblem, dass wir mit den Burschen haben. Sie wissen, dass sie von uns nicht geschlagen werden und respektieren und deshalb nicht so sehr wie die anderen Mitarbeiter. Weiters lieben sie es gegen uns zum Spaß zu kämpfen, was mir persönlich ja auch immer echt Spaß macht, aber das Problem ist, dass sie dann halt nie wissen wann genug ist und immer maßlos übertreiben. Aber wie auch immer, diese Woche in Vimukti, und bestand sie auch nur aus 2 Tagen, war jedenfalls ganz okay finde ich, da auch die Class diesmal nicht nur ein heilloses Chaos war, sondern tatsächlich teilweise getan wurde, was von uns aufgegeben war. Für nächste Woche habe ich Bastelmaterial besorgt, um Osterkörbchen mit den Burschen zu basteln - möchte eine Ostersuche veranstalten. Bin mal sehr gespannt wie das hinhauen wird. Außerdem habe ich ein paar Hütchen gekauft (die man zum Beispiel für einen Slalomlauf aufstellt), in der Hoffnung, damit die Football Class attraktiver gestalten zu können. Ich plane diese Hütchen auch in andere Aktivitäten einzubeziehen, wie zum Beispiel eine Olympiade – eine solche zu organisieren, habe ich mir ja schon vor längerer Zeit überlegt.

Aber nun zur Hochzeit. Am Mittwoch in der Früh brachen wir mit den anderen Volontären auf ins Kinderdorf Chiguru. Also, was ich zunächst mit absoluter Gewissheit sagen kann: einem so farbenfrohen Ereignis habe ich in meinem Leben wahrscheinlich noch nie beigewohnt. Vor der Zeremonie schmierten sich die Frauen gelbes Pulver ins Gesicht, was sie mit ihren farbenfrohen Saris, zu noch bunteren Gestalten machte. Das einzig nicht bunte an ihnen waren wohl die schwarzen Haare, aber auch die waren reichlich mit Blumen geschmückt. Der Saal war mit Blumenketten verhangen und die Bühne in festliches Rot und Gelb getaucht. Was vor der Zeremonie jedoch schon vorprogrammiert war: Chaos. Nicht umsonst befanden wir uns im KINDERdorf Chiguru. Als die Braut, umzingelt von zwei Dutzend Leuten, in den Saal gelangte, tobten auch schon längst die Kinder herum; sie sprangen über Stühle und spielten auf der Bühne. Indischer hätte die Hochzeit wohl kaum werden können. Jedenfalls wurden die Kinder dann von Leitern zurechtgewiesen und nahmen stillschweigend vor der Bühne am Boden Platz. Es wurde viel geredet, gesungen, mit Blumen herumgeworfen, das Ehepaar hängte sich gegenseitig Blumenketten um und unterzeichnete die „Marriage Registration“ – diese zu unterzeichnen ist Teil der Zeremonie. Zum Abschluss schüttelte jeder dem Ehepaar die Hand und wünschte eine „Happy Marriage“. Zu Mittag gab es dann noch gutes Essen. Und das war es dann eigentlich auch schon. Die Hochzeit war übrigens eine arrangierte Hochzeit. So wie es in Indien eben Tradition ist. Doch diese Hochzeit war nicht das einzige Highlight dieses Mittwochs.


Konrad und ich hatten für die Woche nämlich auch geplant, am Donnerstag nach Guntur zu fahren, um unsere Burschen, die vor ein paar Wochen von Vimukti ins Ausbildungszentrum dort weitervermittelt wurden, zu besuchen. Doch Antu, der „Programm Officer“, also quasi der offizielle Projekt-Verantwortliche für Vimukti, hatte die Idee, Konrad und mich mit Sudharka (dem In Charge von Vimukti) und Sanka (ein weiterer Projekt Verantwortlicher) auf den Motorrädern direkt nach der Hochzeit ins Nac (so heißt das Ausbildungszentrum) fahren zu lassen. Am liebsten wären Konrad und ich zwar einfach am Donnerstag in der Früh mit dem Bus hingefahren, aber wenn sich Antu mal was in den Kopf gesetzt hat, dann muss das auch so geschehen. So fuhren wir in der Nachmittagshitze, ich auf dem Motorrad mit Sanka sitzend, Konrad auf dem mit Sudharka sitzend, ins Nac. Insgesamt, also hin und zurück, fuhren wir etwa 3 Stunden mit dem Motorrad durch die Landschaft Indiens herum. Für manch einen mag sich das anstrengend anhören, ich für meinen Teil liebe es aber auf dem Motorrad herum zu fahren – speziell wenn die Straße weite Reisfelder, Bananenplantagen und Palmen- sowie Mangohaine säumen. Im Nac war es sehr nett, wir brachten den Burschen Kekse mit über die sie sich sehr gefreut haben. Ich denke sie kommen gut voran und scheinen auch zufrieden mit ihrer Ausbildung zu sein. Die meisten lassen sich übrigens zu Malern ausbilden. Auch die Profession des Mechanikers oder Elektrikers ist beliebt. Jedenfalls kamen wir dann etwa um 6 Uhr am Abend, todmüde im Yuva Bhavan, also der Projektzentrale, wieder an. Ich war den restlichen Abend zum Wegschmeißen und ging ziemlich früh schlafen. Alles in allem war es ein sehr ereignisreicher, anstrengender, netter und interessanter Tag.

Auf dem Rückweg mit Sudharka auf dem Motorrad... ist übrigens
das erste Mal dass ich ihn mit einem Helm auf gesehen habe... generell sind
Inder mit Motorradhelmen beim Motorrad fahren eine Rarität (für mich gabs
daher natürlich auch keinen)

Donnerstagabend hatten wir dann ein Goodbye Dinner – die 4 Linzer Studenten, die vor 3 Monaten zu uns gestoßen waren, hatten ihr Praktikum abgeschlossen und machten sich wieder auf den Weg zurück nach Österreich. Es war ein sehr netter Abend, auch wenn das Abschied nehmen natürlich keinem leicht gefallen ist. Ich wage es noch nicht daran zu denken, wie das dann bei mir in noch nicht einmal mehr 5 Monaten sein wird.

Alles in allem war das meine Woche. Weiter erwähnenswertes fällt mir zumindest gerade nicht mehr ein. Im Sinne eines harmonischen und friedlichen Palmsonntags, wünsche ich noch einen schönen Tag.

Alles Liebe aus Indien

Konstantin

Samstag, 24. März 2012

Die Kitzelmassage


Es ist wieder einmal Blogzeit, und Zeit um darüber nachzudenken, was für einen Eindruck die vergangene Woche auf mich hinterlassen hat, bzw. inwiefern sie mich beeinflusst hat. Ich muss zugeben, die ersten paar Tage vergangene Woche einfach nur ein bisschen konfus und orientierungslos gewesen zu sein, da auf einen Schlag fast alle bekannten Gesichter vorletzte Woche aus Vimukti Richtung Ausbildungszentrum abgehauen waren. Einzig die Gesichter Jagadeeshs und Prasads ließen mir den Kontakt zur Realität wahren. Doch auch die verließen, mitsamt von Akil und Raju, welche ebenfalls schon ein paar Wochen in Vimukti waren, letzte Woche Vimukti, und wurden zu anderen Teilprojekten weitervermittelt. Immerhin war es letzte Woche aber nur ein einziges neues Gesicht, das sich in Vimukti der Truppe hinzugesellte. Alle anderen Gesichter sind etwa 2 Wochen alt. Im Verlauf der vergangenen Woche begann ich den gedanklichen Prozess, dass ich in Vimukti einer völlig neuen Situation gegenüberstehe, allmählich zu durchlaufen. Und obwohl ich einerseits der neuen Aufgabe durchaus mit Optimismus entgegenblicke, da ich nun schon 7 Monate Erfahrung in dieser Arbeit habe, so durchläuft mich auch ein wenig Wehmut, ob der Burschen, an die ich mich mittlerweile schon so gewöhnt habe und jetzt aber weg sind. Ebenfalls nicht ganz abstellen lässt sich die aufkeimende Ungewissheit, inwiefern ich mit der neuen Herausforderung umgehen werde, denn -und mit so viel Objektivität kann ich die aktuelle Situation erfassen-, die Betreuung und Zusammenarbeit ist mit den neuen Burschen zu einer deutlich schwierigeren, anspruchsvolleren Aufgabe geworden. Das derzeitige Camp besteht eigentlich fast nur aus Sonderfällen, die ganz spezielle Betreuung benötigen würden. In Vimukti wird ihnen beigebracht, wie wichtig es ist zusammenzuhalten und ein soziales Wesen zu entwickeln, was auch sehr gut ist, jedoch ist die Latte für diese Aufgabenstellung meiner Meinung nach noch deutlich zu hoch gelegt. Was so Fälle wie vor allem Pravu Kumar und Mahesh an erster Stelle benötigen würden, wäre eine psychologische, und auf jeden Einzelnen spezialisierte Sonderbetreuung. Aus dem Verhalten von einigen Burschen ist eine sehr verstörende Vorgeschichte und für uns nicht vorstellbare Kindheit zu ziehen. Und obwohl ich doch schon einiges gesehen, erfahren und gelernt habe, so werde auch ich mit den neuen Burschen, in unbekannten Situationen wieder erneut auf die Probe gestellt. Nun, so ist es auch nicht ganz richtig, gänzlich unbekannt war mir die eine oder andere bisherige Situationen mit den neuen Burschen auch nicht, jedoch war es ihr Ausmaß. Ein Beispiel: Wie reagierst du, wenn du einem Burschen nicht erlaubst, dir den Stift, den du gerade zum Schreiben brauchst, aus der Hand zu reißen, und der daraufhin dich zuerst völlig fassungslos 15 Sekunden anstarrt, dann seinen Mundwinkel schräg verzieht, laut los lacht, und dir im selben Moment, in dem er plötzlich wie von der Tarantel gestochen beginnt los zu laufen, noch einen Schlag versetzt?
Die eigentlich häufigste Reaktion der Burschen über gewisse Vorkommnisse, egal ob sie lustig, schön, traurig, ernst oder verstörend sind, ist, über sie zu lachen. So wird zum Beispiel auch gelacht, wenn ich einen Streit schlichte, bei welchem einer von den Burschen völlig aufgelöst zu Heulen angefangen hat, da ihm ein fester Schlag ins Gesicht versetzt wurde. Nun, ich denke jedenfalls, die nächsten 5 Monate noch einiges lernen zu können. Auch in Sachen Geduld. Denn an der hat es in so manch einer Situation durchaus schon gefehlt. Zum Beispiel wenn man einem 15 Jährigen Burschen zum 10ten Mal streng darauf aufmerksam gemacht hat, dass er den 6 Jährigen kleinen Vamsi, nur weil er sich nicht wehren kann und weil es Spaß macht, nicht schlagen soll. In solchen Situationen bin ich schon das eine oder andere Mal ziemlich lautstark geworden und habe denjenigen, oder die denjenigen, dann fast immer am Arm gepackt und zu Sudharka, dem Campleiter, geschleift – sobald das geschieht tut ihnen auf einmal alles furchtbar leid. Leider ist meist das, das Einzige, auf das die Burschen reagieren. Wahrlich, einfach ist meine Aufgabe in Vimukti wirklich nicht immer.

Ereignistechnisch kann ich bei der letzten Woche unter anderem auf Dienstag verweisen, an welchem wir nach laaanger Zeit endlich mal wieder mal Fußball gespielt haben! Denn das ist eines der Lichtblicke im aktuellen Camp -> ein paar Burschen scheinen tatsächlich fußballinteressiert zu sein. Bin mal gespannt, wie lange ich diesmal die Football Class durchziehen kann. Einziges  Negativ Highlight dieses Tages war, dass ich mit meinem linken Fuß beim Laufen in einer Mulde auf dem löchrigen und holprigen Rasen steckengeblieben bin und ihn mir dabei gezerrt habe. Den Rest der Woche war mühsamer Weise dann gleich mal Fußballverbot.
Am Mittwoch machten wir einen Ausflug zu einer Mango Plantage, auf welcher ein kleiner Tempelschrein und ein paar Bänke zu finden waren. Es war sehr schön dort. Wir spielten Carromball, Federball, Cricket (wobei ich Cricket verletzungsbedingt auslassen musste und eigentlich auch Federball hätte sein lassen sollen -es dummer Weise aber nicht tat-) und aßen Biryani Rice mit Onion Curd und Chicken Curry. Das Chicken Curry bestand zwar leider mal wieder überwiegend aus Knochen (worüber sich die umliegenden Hunde und Krähen sehr freuen konnten), doch umso ausgezeichneter schmeckte der Biryani Rice mit dem Onion Curd (Zwiebel Joghurt). Für viele hört sich Zwiebel Joghurt als Beilage sicher merkwürdig und nicht gerade überzeugend an, doch das Onion Curd ist mittlerweile zu meiner absoluten Lieblings Beilage geworden; man kann es einfach zu jeder indischen, würzigen Mahlzeit essen und wertet ausnahmslos jede (indische) Speise auf. Ich bin mir sicher, dass ich auch nach meiner Rückkehr in Österreich Onion Curd, immer wenn es passt, zum Essen als Beilage hinzufügen werde, da es zudem auch sehr leicht und schnell gemacht ist. Der Ausflug war jedenfalls sehr nett. Man konnte unter den Mangobäumen ein angenehmes Mittagsschläfchen halten und nett Spazieren gehen.

Dieses Wochenende ist der Leiter von Navajeevan, Father Koshy nicht in Vijayawada, weil er, so wie ich vor 3 Wochen auch, in Kerala Urlaub macht. Unter anderem würde er sich dort einer Ayurveda Massage unterziehen, hat er mir erzählt. Als er von Ayurveda Massage anfing zu reden, wurden in mir Erinnerungen wach. Meine Familie und ich hatten uns auch einer solchen Massage unterzogen, und, obgleich diese Massage wirklich sehr angenehm war, so muss ich dennoch unweigerlich anfangen zu schmunzeln wenn ich an sie zurückdenke. Der eine oder andere Moment, in welchem sich die Massage eher nicht angenehm angefühlt hat, und bei dem ich einfach nur von dort weg wollte, war nämlich schon auch dabei. Zum Beispiel als der Masseur begonnen hat, Kitzelbewegungen im Bereich meiner Achsel durchzuführen. Ich biss mir auf die Unterlippe doch es half nichts, unweigerlich musste ich anfangen zu lachen. Das hört sich jetzt vielleicht lustig an, für mich war es in dem Moment aber einfach nur schrecklich. Vor allem weil für ihn das ein ernster Vorgang war und trotz meines Lachens nicht damit aufhörte. Immer weiter hat er mich gekitzelt und ich hatte schon fast einen Lachanfall. Er war davon ein bisschen irritiert; aber bitte was in aller Welt hat er erwartet? Wie soll man so seine Muskeln entspannen? Nun, wie auch immer, ich kann jedenfalls trotzdem eigentlich jedem empfehlen mal eine solche Ayurveda Massage auszuprobieren. Auch wenn die Behandlung in den Augen eines Europäers ein wenig unorthodox erscheint, so zeigt sie trotzdem eine sehr entspannende Wirkung. Ich fühlte mich danach wie ausgewechselt. Außerdem gibt es einige verschiedene Massagen zwischen denen man wählen kann, folglich in seiner Auswahl den Oberkörper, und damit den Achselbereich, auch auslassen kann. Ich zumindest werde das, das nächste Mal berücksichtigen.

Heute zeichnet sich mein Blog mal ausnahmsweise nicht durch extravagante Länge aus. Ich habe diesmal aber auch einfach nicht so viel Zeit zum Schreiben gehabt.

Mit lieben Grüßen verabschiede ich mich jetzt mal Richtung Frühstück. Einen schönen Sonntag wünsche ich noch.

Konstantin

Samstag, 17. März 2012

Der Halbzeitpausenbericht! (Vorsicht -> Überlänge)


3 Wochen ist es nun schon her, als ich das letzte Mal über mein neues Leben in Indien geschrieben habe. Natürlich hängt der Grund für diese lange Schreibpause auch damit zusammen, dass mich Ende Februar meine Familie für 2 Wochen lang in meinem Projekt besucht hatte und wir zusammen auf Urlaub gefahren sind - da sich ihr Besuch über die letzten beiden Sonntage gestreckt hatte, kam ich leider nicht dazu, einen neuen Blogeintrag zu schreiben. Wahrscheinlich war das auch das Einzige, das mir während ihres Aufenthaltes ein wenig gefehlt hat; das Reflektieren und schriftliche Festhalten der erlebten Eindrücke. Während ihrem Verweil in Indien kam ich einfach nicht zum Schreiben, dazu fehlte mir die Energie und die Zeit.
Denke ich jetzt noch an die Zeit von vor 6 ½ Monaten, kurz vor meinem Einsatz, so bleibt mir mittlerweile wirklich nichts anderes mehr als zu Schmunzeln. Was ich mir in dieser Zeit für Vorstellungen von meinem Einsatz gemacht habe! Ich bin ein hoffnungsloser Träumer; das war schon immer so. Zu einem Problem wird die Sache mit dem träumen nur, wenn sie in realistische, vernünftige Gedanken miteinfließen, die sich ein Mensch von Zeit zu Zeit nun mal machen muss, oder zumindest machen sollte. Nicht falsch verstehen, ich rede jetzt nicht von Träumen bezogen auf die Berufswahl oder so -in diesem Bereich zu träumen halte ich sogar für ausgesprochen wichtig und vernünftig-, ich rede von der Art Träumen, bei welchen man sich in seinem Kopf in Idealismus verloren gegangene Vorstellungen von einer gewissen Sache macht. Ein gewisser Draht zur Realität sollte bei dieser Art von Träumen nun mal gewahrt bleiben. Und der ging in meinem Kopf, damals, kurz vor Einsatzbeginn, eindeutig verloren. Im Leben hängt oft vieles davon ab, wie man sich bei einer Sache, die man sich vornimmt, den Maßstab setzt. Und was sich in meinem Kopf vor dem Einsatz als Maßstab etablierte, waren die 3 Jahre, die mein Vater in meinem Alter in Papua Neuguinea, ebenfalls auf Einsatz, verbracht hatte. Es ist nicht so, als ob ich mir gedacht hätte, dass ich das Jahr in Indien, nur weil mein Vater 3 Jahre in Neuguinea überstanden hatte, ganz ohne Probleme packen würde; jedoch schwoll in mir deswegen ein gewisser Ehrgeiz heran, der mir einzureden begann, auf keinen Fall Schwäche zeigen zu dürfen. Aufgrund dieses dummen Ehrgeizes war ich anfänglich auch überzeugt davon, dass mich meine Familie gar nicht besuchen bräuchte und sich das Geld lieber aufsparen sollte, da mein Vater ja schließlich auch 3 Jahre ohne Familie überstanden hat. Ja, so dämlich kann das menschliche Gehirn, blind vor Ehrgeiz, funktionieren. In meinem Kopf habe ich aufgrund des eben erwähnten Ehrgeizes den Gedanken, ein Jahr von meiner Familie getrennt zu sein, überhaupt nicht realistisch behandeln können. Worauf ich mit dieser Gedankenreflektion eigentlich nur hinaus will, ist der Versuch, zum Ausdruck zu bringen, wie sehr mir meine Familie gefehlt hat und wie unglaublich erleichtert ich war, als ich meine Eltern und meine Schwester nach einem halben Jahr ohne sie wieder in die Arme schließen durfte. Auch wenn mir mein Bruder und meine Nichte sehr gefehlt haben, da es sich für sie zeitlich leider nicht möglich war, mich zu besuchen. Aber ja, man kann halt auch nicht alles haben. Hand in Hand geht mit dieser Gedankenreflektion ebenfalls die persönliche Erkenntnis, dass es im Leben darum geht, seinen eigenen Weg zu gehen, seine eigene Geschichte zu schreiben - ganz im eigenen Stil. Es ist ein Fehler, den eigenen Weg, mit einem anderen, beeindruckender wirkenden Weg zu vergleichen, da ich überzeugt davon bin, dass der Weg, den man gerade beschreitet, auch wirklich der für einen bestimmte Weg ist, und so wie dieser gerade verläuft, so verläuft er eben. Es ist dann halt immer eine Frage, mit welcher Einstellung und Perspektive man seinen Weg beschreitet – je nach Einstellung und Perspektive geht man im Leben größere oder kleinere Umwege. Aber ich möchte jetzt nicht zu weit ausholen; was mir am Herzen lag ist gesagt. Danke an meine Eltern und meine Schwester jedenfalls nochmal dass ihr mich besucht habt, ich denke bereits jetzt schon voller Nostalgie an euren Aufenthalt zurück.

Nun möchte ich ein wenig informationsreicher auf den Aufenthalt meiner Familie eingehen: Ende Februar landeten sie in Hyderabad, mit 8 Millionen Einwohnern die Hauptstadt des Bundesstaates Andhra Pradesh. Für 3 Tage wurde von meinem Vater in dem Stadtteil Secunderabad ein Hotel gebucht; ich stieß erst am 2. Tag ihres Aufenthaltes hinzu -nach 8 stündiger Zugfahrt kam ich ca. um 21 Uhr am Bahnhof Secunderabad an und fuhr mit einer Autorikscha zum Hotel-. Hyderabad ist, ob des Wahnsinns Verkehrs, der erdrückenden Bevölkerungsdichte, des unaushaltbaren Lärms und des stetig überlaufenden Mülls, wahrscheinlich für jeden, der das erste Mal Indien besucht, erst einmal ein ziemlich heftiger Kulturschock. So erging es meiner Familie auch nicht anders. Vijayawada hat den eben genannten Stadtwahnsinn zwar ebenfalls zu bieten, jedoch in erträglicherem, nämlich 10 Mal kleinerem Ausmaß (ca. 800.000 Einwohner). Jedenfalls besichtigten wir in Hyderabad ein paar Sehenswürdigkeiten – so viele halt der zeitliche eingeschränkte Aufenthalt zuließ. Eine Nacht übernachtete ich mit meiner Familie im Yatri Nivas Hotel – ein schönes, großes Hotel, mit ausgezeichnetem Essen (3 Restaurants waren auf der Hotelanlage zu finden!). Schließlich fuhren wir am letzten Tag unseres Hyderabad Aufenthalts, am Nachmittag, mit dem Zug los nach Vijayawada. Dort, nach einer etwa 7 stündigen Zugfahrt angekommen, zeigte ich ihnen die darauffolgenden Tage mein Projekt Vimukti, das Kinderdorf Chiguru, die Volontärsunterkunft, machten einen Ausflug in die nahegelegene Stadt Guntur, gingen ein paar Mal in Restaurants, die ich persönlich schon ein paar Mal ausprobiert und als sehr gut erachtet hatte, zeigte ihnen die Stadt und ein paar schöne Geschäfte, und natürlich lernten sie die Projektzentrale Yuva Bhavan kennen, in der sie in den Gästeräumlichkeiten übernachteten bzw. Father Arogia wie auch den Leiter von Navajeevan, Father Koshy, kennenlernten. Ich denke in Vijayawada hat es ihnen doch um eine ganze Spur besser gefallen als in Hyderabad. Interessant ist, wie oft ich während ihres Aufenthalts auf extravagante Erlebnisse aufmerksam gemacht wurde, die für mich mittlerweile zu einem selbstverständlichen Teil meines Lebens geworden sind. Hervorgehoben sei hierbei in erster Linie der Verkehr, der für jeden Europäer zu Beginn mit Sicherheit mal ein ziemlicher Schock ist. Und so begann ich mich zurück an meine Anfangszeit zu besinnen, und konnte allmählich die Verblüffung über den Verkehrswahnsinn nachvollziehen. Mit welch Gelassenheit und Coolness sich die Inder auf einer Kreuzung, in dutzenden Fortbewegungsmitteln jedvorstellbarer Art und Form, in einem einzigen Wirrwarr, an Kühen und Straßenverkäufern -die sich mitten auf der Kreuzung herumtummeln-, bzw. an all den anderen Fahrzeugen -dabei meist nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt- vorbeischlängeln. Das war nur ein Punkt von einigen, die mich besinnen und auch mal wieder ein wenig aufwachen ließen, in was für einem irren Land ich da doch eigentlich für ein Jahr gelandet bin. Ja, ihre Reaktionen waren völlig angebracht, und das begann ich zunehmend zu realisieren.

Aber der eigentliche Höhepunkt ihres Aufenthalts sollte noch folgen (zumindest für mich). Wie ein Schneekönig hatte ich mich bereits Wochen vor ihrem Besuch auf unsere 4 Tage Urlaub in Kerala gefreut. Ich war zugegeben ein wenig nervös, bevor die Reise, in einer schwülen Montagnacht, mit einer 6 stündigen Zugfahrt nach Chennai (ehemals Madras) -in dem Bundesstaat Tamil Nadu gelegen-, losging. Ich hatte noch nie zuvor eine Reise, über ein Reisebüro, geplant, und das erst recht nicht in Indien. Aber ich versuchte zuversichtlich und selbstsicher auf meine Familie zu wirken, und ich denke dass sie mir das auch abgekauft haben. Dienstagmorgen in Chennai ankommend, warteten wir auf dem Bahnsteig auf den Fahrer unseres am Vortag in Vijayawada bestellten Pre-Paid Taxis, der uns, wie abgemacht, am Bahnsteig abholen und zum Flughafen bringen sollte. Nun kam der aber natürlich nicht, und wir machten uns auf die Suche nach anderen Pre-Paid Taxis. Zwar wurden wir fündig, mussten allerdings auch ein wenig mehr, als es der aktuelle Tarif verlangt, bezahlen. Typisch Indien, aber wir waren müde und die 200 Rupien mehr rissen uns jetzt auch kein Bein aus. Ein paar Stunden später folgte der Flug nach Kerala, in die Stadt Kochi. Beim Flug gab es keine weiteren Schwierigkeiten (außer dass ich natürlich bei der Kontrolle vergaß meine Schere und mein Taschenmesser aus dem Rucksack zu geben und die Sachen folglich am Flughafen lassen musste). Vielleicht wundern sich jetzt manche, warum wir nicht einfach mit dem Zug nach Kerala gefahren sind, und ja, zuallererst kam auch mir diese Idee in den Sinn (da sie zudem auch deutlich günstiger ausgefallen wäre), jedoch wäre Kerala, obwohl es genauso wie Andhra Pradesh im südlichen Indien liegt, nochmal weitere 18 Stunden mit dem Zug entfernt gewesen, und das wollte ich meiner Familie einfach nicht zumuten. Im tropisch heißen Kochi jedenfalls angekommen, sollten wir von unserem, vom Reisebüro organisierten, Fahrer im Ankunftsbereich mit einem Schild empfangen werden. Nun blieb unglücklicher Weise zunächst auch das aus. Ein paar Minuten später erschien er allerdings zum Glück, und in einem angenehm klimatisierten Auto, fuhren wir daraufhin zu unserem ersten Halt, dem Hotel Monte Christo auf 1600 Meter Höhe in der naturparadiesischen Hügelregion Munnar.

Die Temperatur in dieser Region war angenehm mild und damit eine echte Wohltat für mich nach den letzten unaushaltbar heißen Wochen in Vijayawada und Vimukti. All die Hügel waren fast vollständig umsäumt mit wohlgepflegten Teepflanzen, die den Anblick der Hügel mit einem übernatürlich schimmernden, saftigen Grün ausstattete. Natürlich waren auch einige Bäume, speziell im Umkreis um unser Hotel, zu finden. Unser Hotel wirkte ein wenig urig und eher traditioneller Natur. Die Innenausstattung war zu einem großen Teil Holzverkleidet und wirkte freundlich und einladend. Im ersten Stock war ein öffentlich zugänglicher Raum mit einer großen Glasveranda, und mit gemütlichen Möbeln ausgestattet, damit man von dort aus die einen umgebende, in sich stimmende, stille und durch einen angenehm vorbeiziehenden Wind raschelnde und flüsternde Natur bestaunen konnte. Übrigens waren wir die einzigen Gäste in diesem Hotel. Das Personal war die ganze Zeit über sehr höflich und zuvorkommend. Die Atmosphäre dieses Ortes vermittelte Zufriedenheit, Gelassenheit, Harmonie und Frieden. Perfekt um sich von einem stressigen Alltag bzw. Leben zu erholen. Auch das Essen war, die ganze Zeit über die wir dort verweilten, ein einziges Gedicht, unmöglich zu vergleichen mit dem Essen in Vimukti. Zudem lud die Umgebung sehr zu Spaziergängen und Wanderungen ein. Am Mittwoch machten wir ein paar Einkäufe in einem nahegelegenen, kleinen, netten Dorf und wurden in einem Ayurveda Massage Center am Nachmittag massiert. Am letzten Abend unseres Aufenthalts -leider war dieser Abend ebenfalls dem Mittwoch angehörig, da wir nur 2 Tage dort waren- machten wir ein Lagerfeuer auf einer der Lagerfeuerplätze des Hotels. Unser Fahrer, der uns übrigens nicht nur von Kochi nach Munnar, sondern während unseres gesamten Kerala Urlaubs überall hin brachte, machte uns an jenem Abend auch aufmerksam, dass wir am nächsten Morgen um halb 9 in der Früh abfahrbereit sein müssten. Am Donnerstag in der Früh hieß es dann also sich wehmütig von diesem Ort zu verabschieden. Ich für meinen Teil war jedoch bestimmt nicht das letzte Mal in Munnar.

Äffchen im Tigerreservat in Thekkady, am Überlegen ob er an
mir hochklettern und mir den Keks klauen soll
Am Donnerstag ging es dann in die Stadt der Gewürze, nach Thekkady. Donnerstag war mit Sicherheit der ereignisreichste und anstrengendste Tag unseres Urlaubs. Auf dem Weg nach Thekkady machten wir plötzlich halt, um eine Gewürzplantage zu besichtigen. Während unserer Besichtigung wurde uns von einer Führerin der Name und Zweck jeder angebauten Pflanze erklärt, was teilweise sogar ziemlich interessant war. Nach der Besichtigung hatte man noch die Möglichkeit, in einem Shop die besichtigten Gewürze, in allen möglichen verarbeitenden und zubereitenden Formen, zu kaufen. Ein paar Gewürze und Kräuter kauften wir uns. Dann ging die Fahrt weiter. Nachdem wir nach einer ca. 4 stündigen Fahrt in der Region um Thekkady ankamen, fuhren wir, noch bevor wir ins Hotel fuhren, in einen nahe gelegenen Wald zum Elefantenreiten. Eine interessante Erfahrung; so ein Elefant kann ja doch ziemlich groß werden, folglich ist es ein sehr eigentümliches aber faszinierendes Gefühl, auf so einem riesigen Tier zu reiten. Im Anschluss fuhren wir in ein Tigerreservat. Am spannendsten fand ich persönlich jedoch die unzähligen Affen, die sich am Eingang des Reservats miteinander stritten und meiner Mutter sogar das Essen aus der Hand klauten -einer wollte zudem an mir hochklettern da ich gerade einen Keks in der Hand hatte, mit dem ich den Affen eigentlich füttern wollte, jedoch wurde mir von dieser Unternehmung im letzten Moment abgeraten. Durch das Tigerreservat zog sich ein langer, künstlich angelegter See, den wir mit einem Boot befuhren um Ausschau nach Tieren, speziell Tigern und Leoparden, zu halten. Außer ein paar Elefanten (die ich persönlich jetzt nicht so spannend fand da ich ein paar Stunden zuvor schließlich auf einem geritten war), Antilopen, Wasserbüffeln, Warzenschweinen und Schildkröten bekam man bei jener Safari jedoch leider nicht allzu viel vor die Kameralinse. Am späten Nachmittag erreichten wir schließlich, mittlerweile doch etwas geschafft, unser Hotel, welches am Rande der Stadt Thekkady lag. Das Hotel lag in einer sehr ruhigen und eher traditionellen Umgebung, war jedoch selbst eher modern und sehr komfortabel eingerichtet - von den Fluren, bis hin zu den Zimmern und dem Restaurant. Speziell die Zimmer waren sehr geschmackvoll eingerichtet, hatten einen Balkon und auch einen Fernseher, auf welchem ich nach einem halben Jahr endlich mal wieder Fußball schauen konnte. Das Essen in diesem Hotel war ebenfalls ganz ausgezeichnet. Nach dem Abendessen gingen wir noch ein wenig die, direkt neben dem Hotel beginnende, Altstadt zu besichtigen, in der eine Menge traditionelle Stoff- und Gewürzläden zu finden waren. Neben dem indisch-traditionellen Obergewand für Männer, der Kurtha, bei welcher ich und mein Vater fündig wurden, kaufte ich ein paar scharfe Gewürze ein. Meine Mutter und meine Schwester waren nur sehr schwer von den Stoff- und Schmuckläden zu trennen, doch da sie in Vijayawada schon einiges in Stoff- und Schmuckläden besorgt hatten, war mittlerweile nicht mehr ausreichend Platz im Gepäck, um jetzt wieder zuzuschlagen. Soviel zu Thekkady, wo wir nur eine Nacht verbrachten, was ich eigentlich auch sehr schade fand, da mir die Umgebung um das Hotel ebenfalls sehr gut gefiel. Am Freitag in der Früh brachen wir dann jedenfalls wieder auf, zu unserer letzten Station, Allepey.

Unser Hausboot, kurz nachdem wir am Ufer für die Nacht

angelegt hatten
In der Stadt Allepey wurden wir diesmal jedoch nicht zu einem Hotel gebracht, sondern zu einer Ablegestation für Hausboote. Von Freitagmittag bis Samstagmorgen sollten wir auf einem solchen Hausboot verbringen. Von allen Zwischenstationen, von denen der  Reiseplan berichtete, war diese die mit am meisten Freude erwartete. Allepey liegt direkt an der Kumarakom Region, auch bekannt als die Backwaters -> eine verzweigte, unberührte, naturparadiesische Flusslandschaft die durch einige Seen und Lagoonen führt und die an den Ufern mit Palmen und dahinter liegenden Reisfeldern gesäumt ist. Auf unserem Hausboot aßen wir am Freitag, nach unserer Ankunft, zu Mittag. Und das Essen war ein überraschend herausragend gut schmeckendes Erlebnis. Denn auf dem Boot waren 2 Bootsleute zu finden, bei welchen einer der Steuermann war, und der andere der Koch; und dieser Koch schaute nicht gerade wie ein Gourmet Koch aus, eher wie ein Reisfeldarbeiter. In unendliche Höhen waren die Erwartungen an das Essen daher nicht geschraubt. Doch sogleich nach dem ersten Bissen war jeder Zweifel wie weggeblasen und nur noch dieses wunderbare Zusammenspiel aus ausgesuchten, herrlichen Gewürzen und perfekter, traditioneller Zubereitung zu schmecken. Noch lange werde ich an dieses Essen (welches sich zu Abend in fast noch übertreffenderer Zubereitung wiederholte) in so unbeschreiblicher Umgebung zurückdenken. Doch natürlich nicht nur der Gedanke an das Essen wird mir in Zukunft so manch nostalgischen Seufzer entziehen, auch einfach die Fahrt durch diese wunderschöne Region, in der man auf dem Gewässer so manche Transport- und Fischerkanus und an den Ufern Meeresfruchtgeschäfte, wie auch kleine Häuschen von Einheimischen besichtigen konnte. An einem solchen Meeresgeschäft machten wir auch Halt, da auf Anfrage der Bootsleute hin mein Vater Shrimps besorgen wollte. Ich habe Shrimps eigentlich immer abgelehnt, aber so herrlich gewürzt und geröstet zubereitet, wie ich sie zu jenem Abendessen vorfand, so würde ich sie wohl jeder Zeit mit Freuden wieder essen. Vor dem Abendessen hatten wir, kurz vor Einbruch der Dämmerung, an einer stillen, von jeglicher Zivilisation entfernten, naturparadiesischen Stelle angelegt, um die Nacht dort zu verbringen. Mein Vater, meine Schwester und ich gingen, nachdem wir angelegt hatten, in dem herrlich warmen Gewässer schwimmen. Nun fällt mir gerade ein, dass ich es bis jetzt verabsäumt habe, unser Hausboot zu beschreiben, daher jetzt eine schnelle Zusammenfassung: Unser Hausboot war im vorderen, überdachten, frei luftigen Bereich mit dem Esstisch, Sesseln, gemütlichen Bänken und einem Sofa ausgestattet, im mittleren Teil des Bootes befanden sich die beiden sehr komfortabel eingerichteten, vor Moskitos perfekt abgedichteten und Klimaanlagen beinhaltenden Schlafräumlichkeiten mit dazugehörigen Badezimmern, und im hintersten Teil war die Küche zu finden. Doch damit nicht genug, gab es sogar noch einen weiteren, überdachten, frei luftigen Bereich im zweiten Stock zu finden, welcher mit gemütlichen Möbeln ausgestattet war um die umliegende Natur noch besser, entspannter betrachten und in sich aufsaugen zu können. Nach dem Abendessen setzten wir uns zu traditioneller indischer Musik, einer Kerze und einer Flasche Wein in den zweiten Stock und unterhielten uns. Das Sternenzelt war, wenn man sich ein wenig über das Geländer beugte, sehr klar zu betrachten und neben der Musik war nur das Zirpen der Grillen und ein gelegentliches Platschen im Wasser zu vernehmen. Als wir uns am nächsten Morgen, nach einem sehr guten und sättigenden Frühstück wieder zurück zur Anlegestelle in Allepey machten, fiel es uns sogar noch schwerer, als wie in Munnar, Lebewohl zu sagen. Wahrscheinlich hing das aber auch damit zusammen, das wir auf dem Hausboot nur eine einzige Nacht verbrachten.

Schwermütig machten wir uns auf den Weg zurück nach Kochi, wo wir uns am Flughafen von unserem Fahrer verabschiedeten und zum Gandhi Flughafen nach Hyderabad flogen. Auf diesem Flughafen in Hyderabad trennten wir uns schweren Herzens wieder voneinander, denn ich musste, nachdem wir noch einige Stunden auf dem Flughafengelände verbrachten, zurück nach Vijayawada mit dem Zug fahren -welchen ich übrigens um ein Haar verpasst hätte- und sie flogen in der Nacht zurück nach Österreich. Tja, und so endete unser Urlaub wieder. Ich denke, dass ich mich sehr gut erholt habe und bin sehr dankbar, diese wunderschöne Zeit mit meiner Familie in Kerala verbracht zu haben. Das war gewiss nicht mein letzter Besuch auf diesem paradiesischen Fleckchen Erde gewesen. Hm... wenn man über eine so schöne Zeit so viel schreibt und erzählt und beschreibt, dann keimen gewisse nostalgische Gefühle in einem auf, und können ganz schwermütig machen… zumindest fühle ich mich gerade so. Aber ich bin froh wieder in Vijayawada und bei meiner Arbeit sein zu dürfen. Noch schwerer, als sich vom Urlaub zu trennen, wäre es mir wohl gefallen, mich von Indien zu trennen. Das wird in ca. 5 ½ Monaten auch wieder eine ganz eigene Herausforderung.

Nun, wieder einmal habe ich mich selbst übertroffen, was die Länge meines Berichts angeht. Und für die paar Lesenden, die sich bis hierher durchgeschlagen haben, habe ich, falls sie das noch schaffen, ein ganz kurzes Update über die aktuelle Vimukti Situation, die ich letzte Woche, nach meiner Rückkehr dorthin, erhalten habe:
Für kurze Zeit waren es in Vimukti letzte Woche tatsächlich 22 zu betreuende Burschen, da speziell in der letzten Woche einige Neue nach Vimukti gebracht wurden. Am Donnerstag jedoch verabschiedeten sich ca. 10 Burschen von uns, da sie, nach vielem Aufschieben und langem Warten, nun endgültig in ein Ausbildungszentrum vermittelt werden konnten. Ich war froh und gleichzeitig betrübt darüber, da ein paar von den Burschen, die da nun endlich vermittelt wurden, mir mittlerweile doch sehr ans Herz gewachsen waren, und ich sie zudem nun schon seit Anfang Dezember kannte. Kommende Woche sollen wieder eine Handvoll Burschen zu anderen Teilprojekten weiter vermittelt werden – gleichzeitig werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wieder neue Burschen nach Vimukti kommen. Und alles in allem wird es wohl so enden, dass nächste Woche kein vertrautes Gesicht mehr in Vimukti vorzufinden sein wird. Und das bedeutet auch eine völlig neue Unterrichtssituation. Ich bin ja gespannt! :P

So, nun finde ich allerdings endgültig zu einem Ende. Danke an jeden treuen Leser der sich die Zeit für all den Text hier genommen hat! Und ohne weitere viel Umschweife wünsche ich euch noch ein schönes Wochenende!

Liebe Grüße aus Hindustan

Konstantin

Ps.: Natürlich wurden noch viel mehr Fotos von unserem Urlaub in Kerala geschossen, einige werde ich nächstes oder übernächstes Wochenende oder so nachträglich noch hochstellen