Samstag, 11. Februar 2012

Der Handyladen des Wahnsinns



Wieder ein neuer Blogeintrag, und tatsächlich haben wir heute nicht, wie sonst üblich, Sonntag, sondern Samstag. Samstag, den 11. Februar. Diesem Wechsel des Blogveröffentlichungsdatums geht kein willkürlicher Sinneswandel voran, sondern viel mehr die Tatsache, dass ich morgen nicht dazu kommen werde, einen Blogeintrag zu schreiben. Warum? Weil morgen, wie in einem meiner vorhergehenden Blogeinträgen bereits erwähnt, eine Hochzeit stattfindet, zu der wir Volontäre eingeladen wurden. Heiraten wird die Tochter unseres geliebten Lassi Mannes, Uncle Pivy, der seine Lassis (ein beliebtes, süßes Milchgetränk) direkt neben unserer Volontärs Unterkunft verkauft und mit dem jedes Wochenende ein kleiner Plausch über die vorangegangene Woche, das Wetter, usw. gehalten wird. Wenn er mich gerade an seinem Stand vorbeigehen sieht und gerade Lust auf ein wenig Konversation verspürt (was eigentlich immer der Fall ist), dann ruft er mich übrigens unterhaltsamer Weise immer mit ‚Emperor‘ zu sich - da Konstantin auch ein römischer Kaiser war. Ich denke die Tatsache, dass er wusste, dass Konstantin auch ein römischer Kaiser war, und dass man sich mit ihm perfekt auf Englisch unterhalten kann, spricht für die Bildung dieses Mannes (was in Indien alles andere als eine selbstverständliche Sache ist). Er hat mir auch erzählt, dass er studiert hat. Für manch einen stellt sich nun vielleicht die Frage, wieso ein, für indische Verhältnisse, derart gebildeter Mann, in einem kleinen Milchladen arbeitet aus dem ein Baum wächst. Leider kann ich mit einer Antwort zu dieser Frage nicht dienen. Ich habe Ihn deshalb noch nicht gefragt, weil ich dachte, das Thema könnte ihm unangenehm sein. Vielleicht ist es auch besser, diesen Punkt einfach im Raum stehen zu lassen. Jedenfalls treffen wir uns morgen um 7 Uhr in der Früh mit ihm vor seinem Stand, und fahren dann im Auto zur Hochzeit. Wie die Hochzeit war, werde ich euch nächstes Wochenende berichten.
Der Laden unseres Lassi Mannes: Links das Ladenfenster, in der Mitte der Baum
Vor dem Laden -> hier sieht man den Baum aus dem Laden rauswachsen

Nun zu meiner letzten Woche. Auch diese Woche fuhr ich wieder verspätet in mein Projekt. Diesmal aufgrund der Abschiedsfeier von Birgit, die Dienstagabend stattfand. Übrigens besuchte uns von Dienstag auf Mittwoch Martina, eine ehemalige Volontärin von Jugend eine Welt, die ihren Volontariatseinsatz in Vishakhapatnam -eine Stadt, die mit dem Zug etwa 8 Stunden von Vijayawada entfernt ist- hatte, und die das letzte halbe Jahr in Nepal studiert hat. Martina unterstützte uns Indien-Volontäre auch damals bei der Vorbereitung in Österreich. Mit ihr und der neuen Volontärin aus der Schweiz, Dominique, fuhr ich Mittwochvormittag jedenfalls dann los in mein Projekt Vimukti, da beide Interesse daran geäußert hatten, es zu sehen. Konrad kam nicht mit, da er am selben Tag auf Urlaub fuhr – aus diesem Grund werde ich übrigens auch nächste Woche noch allein sein. Nach einem sehr netten Tag kehrten sie am Abend wieder zurück nach Vijayawada.
Ich erfuhr am selben Tag auch, dass einer der Burschen, Krishna, vor ein paar Tagen weggelaufen ist. Nach einem völlig chaotischen Jänner, in dem wöchentlich etwa 3-4 Burschen weggelaufen sind, war die Nachricht jetzt keine Riesen Überraschung; jedoch hatte ich Krishna mittlerweile eigentlich eher zu den Burschen, die zunehmend Rehabilitationsfortschritte machen, eingeordnet. Doch so wurde ich eben einmal wieder eines Besseren belehrt.
Am nächsten Tag, Donnerstag, spielte sich am Abend eine ziemlich ernste und hektische Szene ab. Einer der Burschen, Ivu, dem es körperlich schon länger nicht so gut ging und der auch hohes Fieber hatte, begann, plötzlich und wie aus dem Nichts, Blut zu spucken. Er meinte, dass ihm sein Magen schrecklich wehtun würde. Und speziell in solchen Situationen, wünscht man sich einfach nicht in Indien zu sein, denn Inder verhalten sich in kritischen Momenten einfach total unangebracht und ungeschickt. Nun, ich bin auch kein ausgebildeter Sanitäter, aber mir war zumindest klar, dass man ihn auf schnellstem Wege ins Krankenhaus bringen sollte. Doch zuvor musste einer der Mitarbeiter, der Ivu mit dem Motorrad hinbringen sollte, die Burschen noch zusammenschimpfen weil sie wieder wegen irgendwas Mist gebaut haben. Das hatte in dem Moment natürlich eine höhere Priorität. Ich wischte ihm in der Zwischenzeit mit einem nassen Schwamm das Blut, das um seinen Mund herum klebte, ab und befeuchtete auch ein wenig seine glühende Stirn. Natürlich mussten dann die ganzen Burschen zu uns herstürmen um Ivu anzustarren; bzw. steckte Mastan, der sich in solchen Situationen immer als ein ganz besonderer Spezialist entpuppt, dem armen Kerl sogar noch einen Finger in den Mund. Nach dieser Aktion scheuchte ich mal, mittlerweile ziemlich verärgert, die Burschen von Ivu weg, und nach ein paar weiteren Minuten des Wartens fuhren wir endlich mit dem Motorrad ins „Unfallkrankenhaus“. Das „Unfallkrankenhaus“ war eine kleine Lehmhütte in der sich etwa 40 Leute um den überforderten Arzt herumtummelten. Nach langem Warten kamen wir endlich dran, Ivu wurde untersucht und bekam ein paar Medikamente. Ihm ging es zwar nach dem Krankenhausbesuch nicht sehr viel besser, jedoch keuchte er wenigstens nicht mehr. Ich war nach dem Besuch jedenfalls ziemlich entnervt und heilfroh, als wir endlich in Vimukti ankamen. Mittlerweile geht es Ivu zum Glück schon besser, was er aber genau hatte, konnte mir leider niemand begreiflich erklären.
Am Freitag musste ich am Morgen zunächst mal wieder Sanitäter spielen, da sich Prasad am Fuß eine Schnittwunde zugezogen hatte, und ich der Einzige in Vimukti mit Verbandszeug, Desinfektionsmittel usw. bin. Nach dem Frühstück fuhren wir mit allen Burschen ins Krankenhaus, wo sie mal durchgecheckt wurden. Meiner Meinung nach hätten wir das zwar schon viel früher machen sollen, aber ich bin froh, dass es wenigstens jetzt geschehen ist.

Am selben Tag noch fuhr ich, als ich zurück in Vijayawada war, einmal wieder zu meinem Handyladen, da ich in diesem Laden seit Ende Dezember versuche, mein Handy wieder zum Laufen zu bringen. Ende Dezember fand in Vimukti nämlich eine Steckdosenexplosion statt, bei der mein Handyladegerät wie auch mein Handy kaputt gingen. Seit diesem Vorkommnis fuhr ich jedes Wochenende regelmäßig zu diesem Handyladen, da es jedes Wochenende aufs Neue hieß, dass das Problem -spätestens- das darauffolgende Wochenende behoben sei. Zunächst stellte man mir den Befund, dass das Handy völlig in Ordnung sei, und dass es nur am Handyladegerät liege. Also kaufte ich mir ein neues Ladegerät. Natürlich funktionierte das nach einmaligem Verwenden nicht mehr, also musste ich mir wieder ein Neues kaufen. Bei dem dieselbe Geschichte. Schließlich wurde das Handy mal genauer untersucht; und siehe da, es stellte sich heraus, dass der Akku des Handys kaputt ist. Kurzfristig konnte das Problem, nach langem Herumgeschraube, behoben werden. Natürlich kostete auch das wieder was. Doch auch die Reparatur hielt nicht lange, und das darauffolgende Wochenende musste ich missmutigen Schrittes wieder zum Handyladen latschen. Schließlich schlug man mir vor, einen neuen Akku zu bestellen. Also ließ ich einen neuen Akku bestellen. Das war vor 3 Wochen. Von vielen Seiten wurde mir in der Zwischenzeit nun schon geraten, ich solle mir einfach ein neues Handy zulegen. Doch einerseits komme ich mit den bisherigen Bezahlungen noch immer billiger weg, als wenn ich mir ein neues Handy kaufen würde, und außerdem sind indische Handys, wie ich gehört habe, bedienungstechnisch ein einziges Martyrium. Daher entschloss ich mich, mich einfach in Geduld zu üben. Und nun, siehe da, seit meinem letzten Besuch gestern, habe ich wieder ein -mehr oder weniger-, -provisorisches- funktionierendes Handy! Aber nicht etwa deshalb, weil der Akku, den ich bestellt hatte, angekommen war. Tatsächlich erzählte mir der Handyverkäufer gestern, dass der Akku, den ich vor 3 Wochen bestellt habe, erst irgendwann im März ankommen würde… wenn überhaupt. Aber warum genau habe ich jetzt trotzdem wieder ein funktionierendes Handy? Nun, das liegt daran, dass mir einfach ein anderer Akku verkauft wurde. Dieser passt allerdings eigentlich nicht zum Handy; sprich, würde man das Handy mit einem normalen (!) Ladegerät aufladen, würde man angezeigt bekommen, dass der Akku nicht kompatibel zum Handy ist. Außerdem passt dieser Akku noch nicht mal in das Handy rein, da er zu klein ist. Lange Rede, kurzer Sinn: Dieser besagte Handy Akku, wurde schließlich mit Papier und Klebeband in dem Handy fixiert, so dass es darin auch hält; weiters wurde mir ein spezielles Multi Aufladegerät verkauft, bei dem ich, -wenn ich das Handy aufladen will- den Akku aus dem Handy nehmen, und ihn dann in das Multi Aufladegerät einsetzen muss. Ich muss zugeben, eigentlich auch nicht gerade unbedingt begeistert mit dieser Lösungsalternative gewesen zu sein, jedoch: Ich habe wieder ein Handy, mit dem man telefonieren kann… daher passt das jetzt schon. Vorläufig. Mal schauen, wie lange das hält.

So, leider muss ich wieder zu einem Ende finden. Ich muss jetzt in die Altstadt fahren und mir für die Hochzeit morgen eine Kurtha kaufen (das ist so ein typisch indisches, traditionelles Trachtgewand für Männer), außerdem noch den Unterricht für die Woche vorbereiten usw.
Ich wünsche euch noch einen schönen, winterlichen Februar, den ihr noch mit jede Menge Schifahren, Rodeln usw. ausnützen solltet. Zumindest würde ich das tun.

Alles Liebe aus Vijayawada

Konstantin

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