Samstag, 24. März 2012

Die Kitzelmassage


Es ist wieder einmal Blogzeit, und Zeit um darüber nachzudenken, was für einen Eindruck die vergangene Woche auf mich hinterlassen hat, bzw. inwiefern sie mich beeinflusst hat. Ich muss zugeben, die ersten paar Tage vergangene Woche einfach nur ein bisschen konfus und orientierungslos gewesen zu sein, da auf einen Schlag fast alle bekannten Gesichter vorletzte Woche aus Vimukti Richtung Ausbildungszentrum abgehauen waren. Einzig die Gesichter Jagadeeshs und Prasads ließen mir den Kontakt zur Realität wahren. Doch auch die verließen, mitsamt von Akil und Raju, welche ebenfalls schon ein paar Wochen in Vimukti waren, letzte Woche Vimukti, und wurden zu anderen Teilprojekten weitervermittelt. Immerhin war es letzte Woche aber nur ein einziges neues Gesicht, das sich in Vimukti der Truppe hinzugesellte. Alle anderen Gesichter sind etwa 2 Wochen alt. Im Verlauf der vergangenen Woche begann ich den gedanklichen Prozess, dass ich in Vimukti einer völlig neuen Situation gegenüberstehe, allmählich zu durchlaufen. Und obwohl ich einerseits der neuen Aufgabe durchaus mit Optimismus entgegenblicke, da ich nun schon 7 Monate Erfahrung in dieser Arbeit habe, so durchläuft mich auch ein wenig Wehmut, ob der Burschen, an die ich mich mittlerweile schon so gewöhnt habe und jetzt aber weg sind. Ebenfalls nicht ganz abstellen lässt sich die aufkeimende Ungewissheit, inwiefern ich mit der neuen Herausforderung umgehen werde, denn -und mit so viel Objektivität kann ich die aktuelle Situation erfassen-, die Betreuung und Zusammenarbeit ist mit den neuen Burschen zu einer deutlich schwierigeren, anspruchsvolleren Aufgabe geworden. Das derzeitige Camp besteht eigentlich fast nur aus Sonderfällen, die ganz spezielle Betreuung benötigen würden. In Vimukti wird ihnen beigebracht, wie wichtig es ist zusammenzuhalten und ein soziales Wesen zu entwickeln, was auch sehr gut ist, jedoch ist die Latte für diese Aufgabenstellung meiner Meinung nach noch deutlich zu hoch gelegt. Was so Fälle wie vor allem Pravu Kumar und Mahesh an erster Stelle benötigen würden, wäre eine psychologische, und auf jeden Einzelnen spezialisierte Sonderbetreuung. Aus dem Verhalten von einigen Burschen ist eine sehr verstörende Vorgeschichte und für uns nicht vorstellbare Kindheit zu ziehen. Und obwohl ich doch schon einiges gesehen, erfahren und gelernt habe, so werde auch ich mit den neuen Burschen, in unbekannten Situationen wieder erneut auf die Probe gestellt. Nun, so ist es auch nicht ganz richtig, gänzlich unbekannt war mir die eine oder andere bisherige Situationen mit den neuen Burschen auch nicht, jedoch war es ihr Ausmaß. Ein Beispiel: Wie reagierst du, wenn du einem Burschen nicht erlaubst, dir den Stift, den du gerade zum Schreiben brauchst, aus der Hand zu reißen, und der daraufhin dich zuerst völlig fassungslos 15 Sekunden anstarrt, dann seinen Mundwinkel schräg verzieht, laut los lacht, und dir im selben Moment, in dem er plötzlich wie von der Tarantel gestochen beginnt los zu laufen, noch einen Schlag versetzt?
Die eigentlich häufigste Reaktion der Burschen über gewisse Vorkommnisse, egal ob sie lustig, schön, traurig, ernst oder verstörend sind, ist, über sie zu lachen. So wird zum Beispiel auch gelacht, wenn ich einen Streit schlichte, bei welchem einer von den Burschen völlig aufgelöst zu Heulen angefangen hat, da ihm ein fester Schlag ins Gesicht versetzt wurde. Nun, ich denke jedenfalls, die nächsten 5 Monate noch einiges lernen zu können. Auch in Sachen Geduld. Denn an der hat es in so manch einer Situation durchaus schon gefehlt. Zum Beispiel wenn man einem 15 Jährigen Burschen zum 10ten Mal streng darauf aufmerksam gemacht hat, dass er den 6 Jährigen kleinen Vamsi, nur weil er sich nicht wehren kann und weil es Spaß macht, nicht schlagen soll. In solchen Situationen bin ich schon das eine oder andere Mal ziemlich lautstark geworden und habe denjenigen, oder die denjenigen, dann fast immer am Arm gepackt und zu Sudharka, dem Campleiter, geschleift – sobald das geschieht tut ihnen auf einmal alles furchtbar leid. Leider ist meist das, das Einzige, auf das die Burschen reagieren. Wahrlich, einfach ist meine Aufgabe in Vimukti wirklich nicht immer.

Ereignistechnisch kann ich bei der letzten Woche unter anderem auf Dienstag verweisen, an welchem wir nach laaanger Zeit endlich mal wieder mal Fußball gespielt haben! Denn das ist eines der Lichtblicke im aktuellen Camp -> ein paar Burschen scheinen tatsächlich fußballinteressiert zu sein. Bin mal gespannt, wie lange ich diesmal die Football Class durchziehen kann. Einziges  Negativ Highlight dieses Tages war, dass ich mit meinem linken Fuß beim Laufen in einer Mulde auf dem löchrigen und holprigen Rasen steckengeblieben bin und ihn mir dabei gezerrt habe. Den Rest der Woche war mühsamer Weise dann gleich mal Fußballverbot.
Am Mittwoch machten wir einen Ausflug zu einer Mango Plantage, auf welcher ein kleiner Tempelschrein und ein paar Bänke zu finden waren. Es war sehr schön dort. Wir spielten Carromball, Federball, Cricket (wobei ich Cricket verletzungsbedingt auslassen musste und eigentlich auch Federball hätte sein lassen sollen -es dummer Weise aber nicht tat-) und aßen Biryani Rice mit Onion Curd und Chicken Curry. Das Chicken Curry bestand zwar leider mal wieder überwiegend aus Knochen (worüber sich die umliegenden Hunde und Krähen sehr freuen konnten), doch umso ausgezeichneter schmeckte der Biryani Rice mit dem Onion Curd (Zwiebel Joghurt). Für viele hört sich Zwiebel Joghurt als Beilage sicher merkwürdig und nicht gerade überzeugend an, doch das Onion Curd ist mittlerweile zu meiner absoluten Lieblings Beilage geworden; man kann es einfach zu jeder indischen, würzigen Mahlzeit essen und wertet ausnahmslos jede (indische) Speise auf. Ich bin mir sicher, dass ich auch nach meiner Rückkehr in Österreich Onion Curd, immer wenn es passt, zum Essen als Beilage hinzufügen werde, da es zudem auch sehr leicht und schnell gemacht ist. Der Ausflug war jedenfalls sehr nett. Man konnte unter den Mangobäumen ein angenehmes Mittagsschläfchen halten und nett Spazieren gehen.

Dieses Wochenende ist der Leiter von Navajeevan, Father Koshy nicht in Vijayawada, weil er, so wie ich vor 3 Wochen auch, in Kerala Urlaub macht. Unter anderem würde er sich dort einer Ayurveda Massage unterziehen, hat er mir erzählt. Als er von Ayurveda Massage anfing zu reden, wurden in mir Erinnerungen wach. Meine Familie und ich hatten uns auch einer solchen Massage unterzogen, und, obgleich diese Massage wirklich sehr angenehm war, so muss ich dennoch unweigerlich anfangen zu schmunzeln wenn ich an sie zurückdenke. Der eine oder andere Moment, in welchem sich die Massage eher nicht angenehm angefühlt hat, und bei dem ich einfach nur von dort weg wollte, war nämlich schon auch dabei. Zum Beispiel als der Masseur begonnen hat, Kitzelbewegungen im Bereich meiner Achsel durchzuführen. Ich biss mir auf die Unterlippe doch es half nichts, unweigerlich musste ich anfangen zu lachen. Das hört sich jetzt vielleicht lustig an, für mich war es in dem Moment aber einfach nur schrecklich. Vor allem weil für ihn das ein ernster Vorgang war und trotz meines Lachens nicht damit aufhörte. Immer weiter hat er mich gekitzelt und ich hatte schon fast einen Lachanfall. Er war davon ein bisschen irritiert; aber bitte was in aller Welt hat er erwartet? Wie soll man so seine Muskeln entspannen? Nun, wie auch immer, ich kann jedenfalls trotzdem eigentlich jedem empfehlen mal eine solche Ayurveda Massage auszuprobieren. Auch wenn die Behandlung in den Augen eines Europäers ein wenig unorthodox erscheint, so zeigt sie trotzdem eine sehr entspannende Wirkung. Ich fühlte mich danach wie ausgewechselt. Außerdem gibt es einige verschiedene Massagen zwischen denen man wählen kann, folglich in seiner Auswahl den Oberkörper, und damit den Achselbereich, auch auslassen kann. Ich zumindest werde das, das nächste Mal berücksichtigen.

Heute zeichnet sich mein Blog mal ausnahmsweise nicht durch extravagante Länge aus. Ich habe diesmal aber auch einfach nicht so viel Zeit zum Schreiben gehabt.

Mit lieben Grüßen verabschiede ich mich jetzt mal Richtung Frühstück. Einen schönen Sonntag wünsche ich noch.

Konstantin

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