Sonntag. 13. Mai. Ein paar Neuigkeiten gibt/gab es zu
vermelden im Mai. Zum einen der Beginn des Sommer Camps in Vimukti – davon
erzählt habe ich allerdings schon letzte Woche. Doch beeinflusst meine Zeit im
Mai dieses Camp nur 2 ½ Wochen lang; die restlichen 1 ½ Wochen werde ich auf
Reisen verbringen – ein Punkt, auf den ich letzte Woche vergessen habe
einzugehen, und es hiermit nachholen will:
Kommenden Mittwoch werden wir Volontäre nach Hyderabad
fahren und dort für 2 Tage ein Meeting mit den Volontären, die in den anderen
Städten eingesetzt sind, haben. Die Idee kam von dem Vice Provincal des
Bundesstaates Andhra Pradesh, welcher selbst bei dem Meeting anwesend sein wird
– was genau wir dort dann machen, werde ich euch wohl erst nächsten Sonntag
erzählen können, da ich es zur Zeit selbst noch nicht weiß (wahrscheinlich aber
einfach gemeinsames Reflektieren, Diskutieren von Problemen innerhalb im
Projekt usw.).
Voraussichtlich werde ich mich kommenden Sonntag aber nur kurz
halten mit meinen Erzählungen im Blog, da ich am selben Tag noch eine Reise in
den Himalaya antrete. Die Entscheidung zu dieser Reise anzutreten traf ich vor
etwa 2 Wochen, als mich der schlimmste Hitzeausschlag meines Lebens befallen
hatte und ich die Hitze einfach nicht länger ertragen wollte/konnte. Es war
eine spontane, in einem Moment der hitzebedingten Verzweiflung gefallene
Entscheidung, über welche ich sehr froh bin sie getroffen zu haben. Denn der
Mai ist in Südindien einfach nicht auszuhalten für einen hitzeempfindlichen
Menschen wie mich. 39 Grad Durchschnittstemperatur sagt ja wohl schon alles.
Selbst nachts klettert der Temperaturenmesser nicht unter 30 Grad.
Naja, jedenfalls bin ich nicht nur erleichtert, sondern auch
zugegeben ein wenig nervös ob meiner bevorstehenden Reise, die ich alleine da ganz
rauf in den Norden antrete. Insgesamt, also hin und zurück, werde ich 60
Stunden im Zug sitzen. Bei der Hinfahrt mache ich aber in Kalkutta einen
Zwischenstopp – das liegt nämlich am Weg. Nach Plan werde ich in Kalkutta
Mittagessen, ein bisschen die Stadt besichtigen, und dann am Abend weiter
fahren. Steige ich dann nach insgesamt 30 Stunden endlich aus dem Zug, so ist
mein erstes Ziel die Stadt Darjeeling, etwa auf 2000 Meter Höhe gelegen (so wie
Kalkutta noch im Bundesstaat West Bengal vorzufinden, jedoch ganz an der
Nordgrenze). Es gibt die Möglichkeit, mit einer so genannten ‚Toy Train‘, also
einer Art Mini Eisenbahn, nach Darjeeling rauf zu fahren – sie fährt leider nur
einmal am Tag, aber wenn es sich einrichten lässt, möchte ich auf jeden Fall
damit hochfahren. In Darjeeling verbringe ich 2 Tage, danach geht es weiter in
den Bundesstaat, der nördlich von West Bengal, und wirklich mitten im Himalaya
liegt -> Sikkim. Um dort hinzugelangen, muss ich eine ‚Border Permit‘
beantragen, also ein spezielles Formular, welches ich an der Grenze vorzeigen
muss und ohne welchem ich nicht durchgelassen werde (ich schätze mal, weil man
dort leichter nach Tibet gelangen kann – ein plausiblerer Grund ist mir
zumindest nicht eingefallen). So ein Formular zu bekommen ist in Darjeeling
allerdings angeblich kein Problem. Mir war natürlich von Anfang an klar, dass
ich es mir aus dem Kopf schlagen kann, in Sikkim mal eben nach Tibet zu
spazieren, jedoch hätte ich es sehr gerne zumindest von einem Berg aus
betrachtet – doch das ganze Gebiet, welches sich auch nur in der Nähe von Tibet
befindet, ist strengstens verboten für Touristen. Jedenfalls werde ich in
Sikkim, zumindest nach Plan, 2 Tage in der Ortschaft Pelling übernachten. Doch
im Gegensatz zu Darjeeling, habe ich in Pelling keine Unterkunft reserviert, da
es zum einen aus irgendeinem Grund nicht erlaubt ist und weil ich es zum
anderen ohnehin spannender finde, durch Sikkim zu wandern und mir dann spontan
eine Unterkunft zu suchen. Natürlich habe ich mir schon interessante Routen und
akzeptable Unterkünfte mit einem Reiseführer (-> Lonely Planet) rausgesucht (was
die Routen angeht, so werde ich voraussichtlich wohl keine 8000er
Steilwanderung unternehmen, sondern eher gemütlich durch die verschlafenen
Wälder zu den verschiedenen Tempeln usw. wandern). Einen 8000er zu erklimmen,
ist wohl ein Unternehmen, das sorgfältig geplant sein muss und auf das man sich
ausreichend vorbereiten sollte – es reizt mich allerdings bis in die Fingerspitzen,
dieses Unternehmen in ein paar Jahren wirklich umzusetzen.
Der Großteil der Zeit in Sikkim wie auch in West Bengal ist
also jedenfalls damit vorgesehen verbracht zu werden, naturparadiesische und am
besten entlegene Routen zu bewandern, die frische, kühle Bergluft zu genießen
und einfach die höchsten Berge der Welt auf sich wirken zu lassen (von dem so
genannten Tiger Hill aus, hat man in der Morgensonne angeblich ein traumhaftes
Panorama auf den Mount Everest, den K2 und den Kanchengula, den 3 höchsten
Bergen der Welt) –> natürlich werde ich nicht darauf vergessen, ausreichend
Fotos zu schießen. Achja, auf das Essen bin ich natürlich auch schon sehr
gespannt, da es in Sikkim hervorragende indische, chinesische und nepalesische
Küche gibt (speziell der Einfluss aus Nepal ist in Sikkim sehr stark; auf
Spezialitäten wie ‚Momos‘ freue ich mich schon sehr).
Nun, nach diesen 2 weiteren Tagen in Sikkim war es dann aber
auch schon wieder mit meinem Abenteuer. Insgesamt 4 Tage verbringe ich also auf
Urlaub. Dann geht es mit dem Zug wieder für 30 Stunden zurück nach Vijayawada.
Zum Glück liebe ich das Zugfahren in Indien; man lernt interessante und nette
neue Leute kennen, man kann sich bei der offenen Tür hinsetzen und die an einem
vorbeirauschende Natur genießen, und es wird einem auch alles Mögliche zu Essen
und zu Trinken angeboten (wobei ich mir wahrscheinlich vor den Zugfahrten
einfach große Lunchpakete herrichten werde).
ACH! Was noch ganz wichtig ist und ich beinahe vergessen
hätte -> Sikkim ist Schauplatz für den 2. Teil der Filmreihe von Indiana
Jones!! Ich gehe zwar nicht davon aus,
dass jetzt jeder Leser meine Begeisterung für Indiana Jones teilt (auch wenn er
das tun sollte), doch war dieser jedenfalls -neben Luke Skywalker aus Star
Wars- der größte Held meiner Kindheit -> den Ort zu erforschen, an welchem
auch er eines seiner Abenteuer erlebt hat (wenn auch nur im Film) ist quasi ein
Kindheitstraum, den ich mir erfülle.
So, das war mir jetzt noch wichtig zu erwähnen.
Abschließend noch zu meiner letzten Woche in Vimukti:
Es war eine interessante Woche, mit einigen Auf und Abs, im
Resümee aber jedenfalls positive 5 Tage. Ich habe viel mit den Summer Camp Kids
gespielt, Unmengen an Freundschaftsbänder geknüpft und mit ihnen die aktuellsten
Telugu Lieder am Dach unter einem sternenklaren Nachthimmel gesungen (so gut
ich halt konnte). Mit meinen Burschen unverändertes, gewöhnliches Programm:
Class, Cricket, Carromball. Wichtig zu erwähnen: Die Weitervermittlung von etwa
7 Burschen zu anderen Teilprojekten kam am Freitag allmählich in die Gänge. Ein
paar sollen in ein Ausbildungszentrum geschickt werden, ein paar zur Bridgeschool
im Chiguru und einer soll zu seiner Familie zurück vermittelt werden. Wie viel
von den Burschen heute, wenn ich wieder zurück nach Vimukti fahre, noch da
sind, wird sich zeigen. Meist strecken sich solche Weitervermittlungen immer
über ein paar Wochen -> man muss dem indischen Stereotypen der unendlichen
Langatmigkeit schließlich gerecht werden.
Minuspunkt für die Woche war jedenfalls wieder die Hitze. Kennzeichnend
waren diesmal allerdings auch die Stürme. Heftige Tropenstürme suchten Vimukti
insgesamt 3 Mal heim, leider immer nur am Abend oder in der Früh, was bedeutet,
dass mit dem Verlauf des Tages jedes Mal die gnadenlose Sonne wieder zum
Vorschein kam. Dienstagabend haute dann ein Sturm den Transformator und den
Ersatzgenerator zusammen -> mit Strom war es dann für die restliche Woche
Sense. Wasser zum Waschen war in Folge mit Mittwochabend dann auch nicht mehr
verfügbar. Ich kann euch sagen, es ist keine angenehme Sache, nach dem Sport am
Abend in der Dämmerung ins Zimmer zu kommen, und dann festzustellen, dass man
ob der zunehmenden Dunkelheit fast gar nichts mehr sehen kann, zusätzlich sich
auch nicht duschen kann, und als einzige Möglichkeit nur auf dem Sessel Platz
nehmen und in der Dunkelheit vor sich hin schwitzen kann. Schweiß in der
Dunkelheit. Das sind dann so die Momente in denen man sich fragt, was man hier
eigentlich tut. Einzige Möglichkeit um Wasser zum Waschen zu bekommen war im
Endeffekt, auf den nächsten Sturm zu warten und mit dem Kübel am Dach
herumzustehen. Aber die Stürme hatten durchaus auch etwas Positives. Nachdem
ein ganz besonders starker Sturm Dienstagmorgen über Vimukti hinweg gefegt war,
lagen Unmengen an Mangos auf der Wiese herum -> schnell eine Tasche holen
und so viel wie möglich einsammeln war da angesagt! Um die 30 perfekt gereifte
Mangos habe ich eingesammelt; natürlich habe ich die meisten am Freitag mit
nach Vijayawada genommen und mit den anderen Volontären, Fathers und College
Boys geteilt. Ebenfalls als Folge des Nicht Vorhandenseins des Stroms, habe ich
diese Woche bei meinen Vimukti Burschen am Dach geschlafen -> ohne
Ventilator ist es selbst in der Nacht im Zimmer unaushaltbar (egal zu welcher
Tageszeit: unter 30 Grad geht der Temperaturmesser, wie zu Anfangs bereits
erwähnt, einfach nicht).
Es ist in der Tat ein unbeschreibliches Erlebnis, auf dem
Dach und seiner Matratze liegend, das einem über sich in alle Unendlichkeit
erstreckende Sternenzelt auf sich wirken zu lassen und gleichzeitig dazu das
Zirpen der Grillen und Rascheln der Blätter des einen umgebenden Mangohains zu
vernehmen. Der Begriff Größe wird neu definiert wenn der Blick rauf zu den über
Lichtjahre entfernten Sternen wandert. Zweifelsohne verspürte ich in diesen
Momenten eine gewisse spirituelle Gegenwärtigkeit. Es ist alles so wertvoll und
einzigartig. Alles was mein Herz und meine Wahrnehmung in solchen
verschmelzenden, kurzen Zeitfenstern umfasst. Die Natur, die Kinder, der
Moment, die Atmosphäre. Und ich verstehe: Das ist Gottes Art, sich einem
Menschen zu zeigen. Nicht so wie wir es uns immer wünschen/vorstellen: nämlich
dass da eine Gestalt in weißem Gewand und langem Bart vom Himmel zu uns
hinunter gleitet und mit erhabener Stimme zu uns spricht; nein… sondern das.
Das ist Gott. In seiner vollendeten, unfassbaren Größe.
Ich schweife mal wieder ab. So wie immer. Das ist wohl
einfach mein Stil. Naja, nach kurzem Überlegen stelle ich aber gerade sowieso
fest, dass eigentlich bereits alles gesagt ist. Zumindest was mir meine
Gedanken beim Schreiben so kreuzte. Jetzt kreuzt da nichts mehr.
Ich wünsch euch noch einen schönen Sonntag!
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