Samstag, 21. Januar 2012

Benefizkonzert Ankündigung die Zweite; und über eine -mal wieder- eindrucksreiche Woche


Sonntag. Wieder Zeit für meinen Blog. Auch für diesen Blogeintrag möchte ich, bevor ich zum eigentlichen Eintrag komme, ein wenig Zeit und Platz investieren, um euch einerseits aufmerksam zu machen, dass unter diesem Blogeintrag endlich die Fotos von der Weihnachtsfeier zu finden sind (bei welcher wir ja den Burschen die Sport Uniformen und die Cricket Ausrüstung, deren Beschaffung ihr ja finanziell unterstützt habt, geschenkt haben!), und andererseits, um für die, die letzten Sonntag keine Zeit für meinen Blog gefunden haben, das bereits angekündigte Benefizkonzert nochmal anzukündigen:
Kommenden Freitag, den 27. Jänner, findet in der Sautergasse 34, 1170 Wien, ein Benefizkonzert für mein Projekt Navajeevan Bala Bhavan und meine Arbeit dort statt. Erwarten bei dieser Veranstaltung wird einen ein abwechslungsreiches Konzert von Klassik bis Jazz, eine Tombola, schönes Ambiente und Kleinigkeiten für das leibliche Wohl. Einlass ist um 19 Uhr, Beginn 19 Uhr 30, der Eintritt beträgt 5 Euro. Alle Einnahmen dieses Abends kommen meinem Projekt zugute! Übrigens werde ich auch per Videobotschaft ein wenig über meine Zeit und meine Arbeit hier in Indien sprechen. Organisiert wird dieses Konzert von der karitativen Jugendorganisation SLOSH (=Spread Love Or Stay Home), der ich selbst auch angehörig bin.
Für jeden der zu diesem Benefizkonzert nicht kommen kann, gibt es natürlich auch die Möglichkeit einfach so mein Projekt und meine Arbeit hier zu unterstützen. Um die Weihnachtszeit hatte ich für mehrere, unter anderem selbstinitiierte Unterstützungsaktionen ein Spendenkonto eingerichtet – für genauere Informationen bezüglich dieser Unterstützungsaktionen besuche man entweder das Benefizkonzert oder lese sie bitte in einer der vorherigen Blogeinträge nach! Vielen, vielen Dank jedenfalls für jeden bereits gespendeten Euro, und jeden der noch gespendet wird! Hier das Spendenkonto:

Jugend eine Welt - Don Bosco Aktion Österreich
PSK-Kto-Nummer: 92.083.767
BLZ: 60 000
Verwendungszweck: Vijayawada INH-03-7061 Moser

Eigens für meine, für diesen Volontariatseinsatz erbrachten Einsatzkosten, besteht natürlich ebenfalls noch immer die Möglichkeit mich zu unterstützen – nach wie vor bin ich auch hierbei für jede Unterstützung sehr dankbar:

Jugend eine Welt - Don Bosco Aktion Österreich
PSK-Kto-Nummer: 92.083.767
BLZ: 60 000
Verwendungszweck: Volontariatseinsatz Konstantin Moser

Ich danke nochmals wirklich vielmals für eure Unterstützung, ohne welcher mein Volontariat hier in Indien von Anfang an nicht realisierbar gewesen wäre.


Diese Woche fängt mein Blogeintrag bei letztem Dienstag an. Von Montag gibt es einfach nicht so viel zu erzählen – von Dienstag eigentlich auch nicht wirklich, jedoch habe ich an diesem Tag von einem erschütternden Vorkommnis in meiner Projekt- und Volontärszentrale Yuva Bhavan gehört. In Yuva Bhavan, wo ich mich auch jedes Wochenende aufhalte, gibt es einen Sick Room, in welchem die erkrankten Kinder und Jugendlichen von den Teilprojekten behandelt werden. Nun ist dort, an jenem Dienstag, ein kleiner Junge verstorben. Seine inneren Organe haben, aufgrund des vielen Kleberschnüffelns in den letzten Jahren, aufgehört zu funktionieren. Ich war natürlich sehr betroffen als ich das gehört habe, denn auch in meinem Teilprojekt Vimukti gab es bis vor kurzem noch einen etwa 12 Jahre alten Jungen, der abhängig vom Kleberschnüffeln war/ist. Suri, bzw. Surendra ist sein Name. Ich habe euch im letzten Blogeintrag bereits von ihm erzählt – Suri stieß vorletzte Woche neu in Vimukti dazu, konnte sich aber am Tag seiner Ankunft, da er noch kurz davor Kleber geschnüffelt hatte, nicht mehr daran erinnern, wie er hier her gekommen war, was er hier mache und wo genau er überhaupt sei. Ich werde nicht vergessen wie er damals, aufgrund der überfordernden Situation, völlig fertig zu weinen angefangen hat. Ich dachte dennoch Suri kann auf jeden Fall noch geholfen werden, denn er entschloss sich damals, nach einem längeren Gespräch mit dem In Charge Sudharka, doch in Vimukti zu bleiben – was meiner Meinung nach auch wirklich eine gute Entscheidung war, denn ich hatte zunehmend das Gefühl, dass es ihm hier besser gefällt; er spielte sehr gut Cricket und machte auch brav beim Englisch Unterricht mit. Nun ist er aber vor 2 Tagen, also am Donnerstag, weggelaufen. Suri war ein … ja, ein seltsamer Fall. Er war ruhig, brav und überhaupt nicht auffällig im negativen Sinne; er erledigte alle Pflichten brav und wirkte im Unterricht aufgeweckt – ich steckte ihn sogar in die besser sprechende Englisch Gruppe, in der er auch gut mithielt. Und dann war er plötzlich weg. Nun, mir war schon klar, dass es sich auch bei Suri um einen, in seinen Sozialkompetenzen und seinem Verhalten, stark beeinträchtigen Fall handelte – so wie ich ihn damals, bei seiner Ankunft in Vimukti, erlebt hatte, hätte mir niemand mehr dieses Bild eines von den Drogen stark mitgenommenen Jungen mehr nehmen können; aber Suri konnte man - in Gegensatz zu allen anderen Burschen, die ich in Vimukti in meiner Zeit bisher kennengelernt habe und die einst in regelmäßigem Kontakt mit Drogen gestanden sind – seine schwere Vergangenheit nicht so sehr ansehen. Und gleichzeitig hat er es, im Vergleich zu allen anderen Burschen in Vimukti, am wenigsten lange ausgehalten sich der Straße zu entziehen. Und irgendwie will mir sein Fall nicht mehr aus dem Kopf gehen. Vielleicht macht es mich deshalb so betroffen, dass er weg ist, weil ich so viel Potential in ihm erkannt habe.
Aber genug von Surendra, nun zu Mittwoch. Mittwoch war zu einem Teil mal wieder ein sehr ‚tierischer‘ Tag – darauf werde ich aber später noch genauer eingehen. Zum anderen Teil war er einfach deshalb besonders, weil wir wieder zwei Neuzugänge bekommen haben – Akil und Iru. Beide waren bei ihrer Ankunft kaum ansprechbar und wirkten noch sichtlich gezeichnet von der Straße – 2 weitere, schwierig zu- und umgängliche Burschen also. Bei Akil musste mir zudem keiner erklären, dass er abhängig von Substanzen ist - dafür reichte ein Blick in seine rot unterlaufenen, halb geschlossenen Augen und auf seinen abgemagerten Körper, der nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen scheint – die Arme schlaff herunterhängend, als wären sie Ballast der mühselig zu tragen ist. 15 Burschen leben mittlerweile in Vimukti, und mein Arbeitsfeld scheint sich von Woche von Woche immer ein wenig mehr zu erschweren. Natürlich freue ich mich immer, wenn wir Neuzugänge bekommen - das bedeutet einfach, dass es das Street Presence wieder geschafft hat, Kinder bzw. Jugendliche von der Straße wegzubringen. Gleichzeitig, als logische Konsequenz, erschwert sich, wie schon bereits erwähnt, dadurch aber auch meine Arbeit, da die sozial und mental sehr negativ beeinträchtigen Neuzugänge immer, besonders in der Anfangsphase, viel Kampf bedeuten. Sei es auf Ebene des fehlenden Respekts, des Ignorierens von Anweisungen oder der übertriebenen Belustigung über alles, was Konrad und ich machen. Und es ist nicht so, als ob ich ihr Verhalten nicht verstünde, nein, ich maße es mir auch nicht an es zu kritisieren – natürlich werden Konsequenzen bei Fehlverhalten gesetzt, aber meine Hauptantwort auf ihr oftmals sogar ein wenig gehässiges Verhalten, ist, so versuche ich es zumindest mehr und mehr, es nicht persönlich zu nehmen, abzuhaken, und weiter so gut ich kann für sie da zu sein. Und wenn ich ehrlich bin, ist das jedoch das schwerste an meiner Arbeit. Es ist alles andere als immer leicht, über diese Dinge zu stehen.
Wie auch immer, nun zum ‚tierischen‘ Teil des letzten Mittwochs. Als ich mich am Nachmittag jenen Tages gerade auf dem Weg vom Gebäude zum Feld, auf welchem gerade Cricket gespielt wurde, befand, huschte plötzlich Lakshmi, die Hündin der Köchin aus dem Gebüsch, mit einer halben Ziege im Maul. Ein wenig verdattert blieb ich stehen und beobachtete, wie Lakshmi in unmittelbarer Nähe von mir begann, an der offensichtlich schon etwas verwesten Ziegenhälfte herumzureißen. Lange ließen auch nicht ihre Welpen auf sich warten, um an dem Festmahl teilzunehmen. Nach ein paar -von diesem Ziegenmassaker- gemachten Fotos, entschloss ich mich schließlich, nun endlich dem Cricket Match beizuwohnen. An der Stelle sei übrigens gesagt, dass ich Cricket mittlerweile ziemlich gerne spiele. Die ersten 2 – 3 Monate dachte ich zwar, ich könnte dieses Spiel nie ein ganzes Jahr lang jeden Tag mit den Burschen spielen, da ich es in meiner Anfangszeit auch einfach nur noch satt hatte - es war  für mich sterbenslangweilig, ich verstand es nicht und ich dachte bevor ich das ein ganzes Jahr lang spiele würde ich eher wahnsinnig werden-, und obwohl es nach wie vor unaufhörlich in Vimukti gespielt wird, habe ich mittlerweile Spaß daran gefunden. Zum Teil liegt das sicher daran, dass ich die von den Burschen in Vimukti etwas eigenen Regeln endlich verstehe, zum anderen Teil aber auch daran, dass ich während eines Matches von den Burschen nicht mehr so viel ausgelacht werde, da ich mittlerweile eigentlich doch schon halbwegs gut Cricket spielen kann (was wohl unweigerlich der Fall sein muss, nachdem ich es fast jeden Tag spiele). Soviel jedenfalls so am Rande zu Cricket; nun aber wieder weiter zur eigentlichen Geschichte. Am Cricketfeld angekommen, sollte mein Aufenthalt jedoch nur von kurzer Dauer sein – kurz nach meiner Ankunft türmten, plötzlich und wie vom Blitz getroffen, alle Burschen vom Platz und verkrochen sich im Gebäude. Nachdem sich alle schreiend, duckend und mit nervösen Blicken den Himmel fixierend vom Cricketfeld entfernten, dachte ich schon, da würde ein Drache vom Himmel herunterkommen und zum Angriff blasen – sicherheitshalber lief ich also einfach mal mit. Wie sich herausstellte, hatte nur einer der Burschen einen Stein gegen einen blühenden Mangobaum geworfen, in welchem jedoch gerade Bienen bei der Arbeit waren. Nun, durch den Steinwurf verständlicher Weise empört, ließen uns die Bienen wissen, dass sie mit der Aktion nicht einverstanden waren. Das war‘s aber auch schon. Gestochen wurde niemand – hätte mich auch gewundert, bei dem Tempo, mit dem die Burschen vom Platz getürmt sind.
Von Donnerstag gibt es nicht viel zu berichten, außer vielleicht, dass es mir gesundheitlich nicht ganz so gut ging. Ausnahmsweise hatte ich jedoch keine Probleme mit dem  Magen; ich hatte mich nur, so wie letzte Woche auch schon, einmal wieder erkältet. Am Nachmittag hatte ich sogar ein bisschen Fieber. Verwundert über meine Erkältung war ich nun doch ein wenig, da ich mich in der Nacht – in welcher die Temperatur mittlerweile bis zu 6 Grad herabsinken kann – immer zusätzlich mit Pullover, Socken und geschlossenem Fenster schlafen lege. Tagsüber ist es zwar ein bisschen milder, jedoch mit 25 Grad im Schatten nach wie vor mehr als warm genug. Nun, so schaut jedenfalls tiefer Winter in Indien aus. In 2 Wochen soll es jedoch, so habe ich mir zumindest sagen lassen, wieder wärmer werden.
Am Freitag stieß wieder ein neuer Junge in Vimukti dazu. Prasand sein Name. Bei ihm hatte ich mehr Schwierigkeiten ihn einzuschätzen -als wie zum Beispiel bei Akil-; aber ich denke Zeit, mir ein Bild von ihm zu machen, werde ich kommende Woche noch genügend haben. Heute Abend fahre ich wieder zurück in mein Projekt. Und in letzter Zeit ist es für mich, immer bevor ich zurück in mein Projekt fahre, folgende Frage die ich mir in meinem Kopf unweigerlich stellen muss: Wie viel Burschen heute wohl noch da sind? Siva zum Beispiel, den ich, wie es euch vielleicht schon aufgefallen ist, mittlerweile fast jede Woche in meinen Blog einbaue, redet in letzter Zeit ständig nur noch davon wieder mit dem Zug durch Indien zu fahren. Er wirkt unglücklich und macht auch bei nichts mehr mit. Und er will auch mit niemandem reden. Ich denke bei ihm ist es wohl wirklich nur noch eine Frage der Zeit, bis er endgültig nicht mehr da ist.

Am Ende meines Eintrages möchte ich noch kurz auf das Thema ‚Müll‘ eingehen. Am Freitag, als ich mal wieder durch die Stadt spaziert bin, kam es mir in den Sinn, mal in meinem Blog ein bisschen mehr darauf einzugehen. Es ist eine Situation, mit dem Müll hier in Vijayawada, die sich wohl kaum ein Mensch bei uns zu Hause vorstellen kann. Speziell in letzter Zeit, da die Zugänge zu den verschiedenen Kanalabzweigungen des Krishna Rivers, die mitten durch die Stadt fließen, geschlossen wurden – sprich die Flussarme des Krishna Rivers sind verebbt und man sieht bzw. RIECHT den ganzen Müll der auf dem Flussbett so herumliegt. Als der Krishna River durch die Kanalabzweigungen durch Vijayawada geflossen ist, hat es schon genug gestunken, aber mittlerweile ist der Gestank für einen normal riechenden Menschen -speziell wenn man sich in der Nähe der Kanalabzweigungen befindet- fast schon untragbar geworden. Man braucht sich nur mal auf eine Brücke stellen und ein Flussufer beobachten, auf welchem ganz besonders viel Müll herum liegt – sogleich bemerkt man, dass sich das ganze Ufer zu bewegen scheint -> überall Ratten. Große, kleine, dicke, dünne. Manche raufen sich, manche paaren sich,… und das zieht sich so dahin. Am Anfang meines Volontariats fand ich am Gewöhnungsbedürftigsten die kleinen offenen Seitenkanäle, die sich links und rechts der Straßen entlangziehen und in denen neben Exkrementen jedmöglicher anderer Müll offen herumschwimmt. Mittlerweile habe ich mich daran aber ganz gut gewöhnt – an die neue Situation mit dem verebbten Fluss jedoch noch nicht. Das wird auch sicher noch eine gewisse Zeit lang dauern.

Ach,  da fällt mir noch kurz ein erwähnenswertes Ereignis ein: Letzten Montag, als Konrad und ich uns gerade auf dem Weg nach Vimukti befanden, fand auf einer Straße in Vijayawada, die abgesperrt und nur für Fußgänger zugänglich war, eine ‚Leichenzeremonie‘ statt. Ein verstorbener Mann wurde auf offener Straße auf ein Podest gelegt und betrauert - ohne Leichentuch oder sonst etwas um ihn zu verdecken. Eine Bekannte des Toten weinte hemmungslos, und ich fragte mich, wieso so etwas öffentlich gemacht wird – gut, indische Traditionen eben. Später wurde der verstorbene Mann wahrscheinlich verbrannt und seine Asche in den Krishna River gestreut – das haben wir dann jedoch nicht mehr mitbekommen.

So, nun finde ich aber doch endgültig zu einem Ende. Auch wenn ich noch immer weiterschreiben könnte - aber meine freie Zeit am Wochenende ist begrenzt und ich habe noch ein paar Sachen für heute geplant, die sich ausgehen müssen. Meinem Schreibdrang werde ich daher erst wieder nächstes Wochenende wieder freien Lauf lassen. Bis dahin wünsche ich euch allen eine schöne Woche und viel Spaß beim Rodeln oder Schifahren oder was euch halt sonst so Unternehmungstechnisch möglich ist im österreichischen Winter und mir nicht.

Mit indischen Grüßen

Konstantin

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